Waldbrände in Südeuropa Die Suche nach dem fatalen ersten Funken

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14.8.2021

War es die berüchtigte weggeworfene Zigi, ein Blitz oder Brandstiftung? Die Feuer in Südeuropa heizen auch Diskussionen um deren Ursprung an. Es gibt Festnahmen und viele Theorien – wobei nicht alle Substanz haben.

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Es war ein heisser Nachmittag im Juli 2018, als ein älterer Herr im Westen der Stadt Mati nahe Athen im Garten arbeitete. Weil das trockene Gestrüpp sich häufte, beschloss er, es zu verbrennen. Legal war das nicht – Gartenabfälle dürfen in Griechenland wegen der Feuergefahr nur von November bis April verbrannt werden.

Der Mann griff trotzdem zum Feuerzeug. Die Folge war eine der schlimmsten Brandkatastrophen Europas der letzten Jahrzehnte. Mehr als hundert Menschen kamen in den Flammen von Mati um.

So schnell wie das Feuer entflammten damals auch die Gerüchte zur Ursache der Tragödie. Ein Bürgermeister bestand darauf, ein abgetrenntes Stromkabel habe Funken geschlagen. Der damalige griechische Minister für Katastrophenschutz sagte, es handle sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Brandstiftung.

Schliesslich konnten die Experten der Feuerwehr den Anwohner ermitteln, der seine Gartenabfälle verbrannt und die Brandstelle danach nicht richtig gelöscht hatte.

Manchmal reicht ein Spiegelei

Auch dieses Jahr gibt es in Griechenland wieder Vermutungen, die verheerenden Feuer könnten das Resultat von Brandstiftung sein. Und diese Theorien stammen nicht etwa nur von Facebook: Am Montag hat der Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofs Ermittlungen eingeleitet. Die übermässige Anzahl der Brände sowie ihr zeitnaher Ausbruch schürten den Verdacht auf vorsätzliche organisierte Aktivitäten, erklärte Vassilis Pliotas.

Nur: Ähnliche Ermittlungen gab es bereits nach den gewaltigen Bränden 2007 auf der Halbinsel Peloponnes, bei denen Dutzende Menschen ums Leben kamen. Damals stellte sich heraus, dass eine ältere Frau im Garten Spiegeleier auf einer offenen Gasflamme gebraten hatte – der fatale erste Funke war entfacht.



Hartnäckig hält sich trotzdem der Mythos, die Brände würden etwa von Bodenspekulanten organisiert. Oder von der Energieindustrie, die angeblich unzählige Windkrafträder aus dem Boden stampfen wolle. Was vergessen geht: In Griechenland ist die Bebauung verbrannter Flächen verboten.

Bislang hat die Polizei gut zwei Dutzend mutmassliche Brandstifter festgesetzt. Darunter: Ein stadtbekannter Pyromane, der Abfallcontainer anzündete, ein Drogenabhängiger, der mit Pyrotechnik hantierte sowie zwei Männer mit einem Benzinkanister, den sie nicht schlüssig erklären konnten. Es tauchte jedoch auch ein Video auf, das junge Männer zeigt, die Feuer legten – die Behörden ermitteln.

Das Ausmass der Brände in so weiten Gebieten lässt jedoch auch andere Schlüsse zu. So sind in Griechenland die vielen Pinien ein starker Brandfaktor: Brennt es einmal, explodieren die Zapfen der Bäume wie Handgranaten. Zudem treiben starke Sommerwinde die Funken voran und entzünden weit entfernt neue Flammen. So kann der Eindruck entstehen, die Feuer entflammten fast zeitgleich an mehreren Stellen.

Erdogan zeigt auf die Kurden

Auch in der Türkei wird über die Ursachen spekuliert. Zumindest in Marmaris hatte das Feuer aber wohl einen banalen Hintergrund: Türkische Medien berichteten, zwei Zehnjährige hätten Bücher verbrannt. Die Kinder hätten zu Protokoll gegeben: «Die Flammen sind grösser geworden. Wir haben Colaflaschen mit Wasser gefüllt und versucht, sie zu löschen, sie gingen aber nicht aus. Dann sind wir weggelaufen.»

In Bodrum wiederum wurden drei Menschen festgenommen, weil sie Zigarettenstummel aus dem Auto geworfen haben sollen.



Doch auch der Verdacht der Brandstiftung ist nicht ausgeräumt. Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte kürzlich, Verdächtige mit Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK seien festgenommen worden. Auch Medien befeuerten die Theorie, dass zumindest hinter einem Teil der Brände die PKK stecken könnte.

Beweise dafür gibt es bislang nicht. Zwar habe die PKK in der Vergangenheit auch Anschläge durch Brandstiftung verübt, sie reklamiere diese aber in der Regel für sich, sagt Berkay Mandiraci, Analyst für die International Crisis Group in der Türkei. Bevor keine glaubwürdigen Beweise oder Bekennerschreiben vorlägen, könne man nicht wissen, ob die PKK in irgendeiner Weise mitverantwortlich sei.

Zäuselt in Italien etwa die Ecomafia?

In Italien nahm die Polizei in den vergangenen Tagen ebenfalls immer wieder mutmassliche Brandstifter fest. Teilweise wurden die Betreffenden den Beamten zufolge auf frischer Tat ertappt. Hinter vielen Bränden soll auch das organisierte Verbrechen stecken, die sogenannte Ecomafia. Die Verbrecher nutzen Brände auch als Druckmittel.

Schon im Waldbrandjahr 2017 mutmassten Medien, dass die Mafia Feuer legt, wenn Eigentümer sich den erpresserischen Forderungen der Mafiosi nicht beugten – oder aber, um alle Arten von Abfall zu vernichten.

Für Haus- und Grundbesitzer kann ein Brand in Italien langjährige Folgen haben. Per Gesetz darf eine verbrannte Wald- oder Weidefläche für 15 Jahre nicht neu ausgewiesen werden. Wohnhäuser oder Gewerbegebäude dürfen für zehn Jahre nicht errichtet werden. Das soll Boden- und Immobilien-Spekulanten Einhalt gebieten.



Den Umweltaktivisten von Legambiente zufolge verbrannte im Jahr 2020 in Italien rund 18 Prozent mehr Fläche als 2019. Über 550 Menschen wurden wegen Brandstiftung und Fahrlässigkeit angezeigt, ein Viertel mehr als im Jahr davor. Mehr als 80 Prozent der verbrannten Flächen lagen auf Sizilien und in den süditalienischen Regionen Kampanien, Kalabrien und Apulien. Dort herrschen auch Mafiaorganisationen wie die 'Ndrangheta, Cosa Nostra und Camorra.

Unabhängig von der eigentlichen Brandursache aber sind sich die Experten und auch immer mehr Bürger in Südeuropa einig: Durch die Klimakrise, durch lang anhaltenden Hitzewellen und extreme Dürreperioden breiten sich die Brände immer unbarmherziger aus.

Ein Feuerwehrmann bei den Lösch- und Aufräumarbeiten in Sizilien. 
Ein Feuerwehrmann bei den Lösch- und Aufräumarbeiten in Sizilien. 
Bild: EPA