Martyrium eines BritenEhefrau und Pfleger halten Kranken in eigenem Heim fest
phi
29.8.2023
Elf Jahre Knast wegen «moderner Sklaverei»: Ein 40-jähriger kranker Engländer ist vier Jahre von seiner eigenen Frau und ihrem Liebhaber «wie Vieh gehalten», ausgenommen und misshandelt worden.
phi
29.08.2023, 13:33
29.08.2023, 15:10
phi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Tom Somerset-How leidet unter einer schweren Krankheit und wurde vier Jahre in seiner eigenen Wohnung im englischen Chichester gefangen gehalten.
Seine Ehefrau hat 2016 einen Pfleger für ihn gesucht, mit dem sie eine Affäre begann.
Das Duo hat Toms Unterstützung eingestrichen, während sie ihn systematisch vernachlässigt und verbal wie auch physisch misshandelt haben.
Nach vier Jahren gelang es Tom, auf seine Situation aufmerksam zu machen: Fürsorge und Polizei haben ihn gerettet.
Seine Peiniger sind wegen «moderner Sklaverei» zu jeweils elf Jahren Haft verurteilt worden.
«Meist bin ich aufgewacht und habe mir gewünscht, ich wäre es nicht.»
Tom Somerset-How hat ein Martyrium erlebt. Der 40-Jährige war Gefangener in seinem eigenen Haus. Festgesetzt von jenen, die ihm eigentlich Gutes tun sollten: seiner Ehefrau und seinem Pfleger.
Doch anstatt sich um den Handicapierten zu kümmern, fingen die beiden etwas miteinander an, vernachlässigten Tom, beschimpften ihn und taten ihm weh. Der Richter wird es später so ausdrücken: Das Duo hat sein Opfer «gemolken wie eine Kuh».
Tom leidet unter spastischer infantiler Zerebralparese: Eine frühkindliche Hirnschädigung stört Nervensystem und Muskulatur. Die Krankheit fesselt Tom an Bett und Rollstuhl – er ist ein Pflegefall, der rund um die Uhr Betreuung braucht. Darum hat seine Frau Sarah Somerset-How 2016 eine Pflegeperson für ihren Ehemann gesucht.
Gefunden hat die 49-Jährige einen gewissen George Webb, der zu dem Paar in ihr Haus in Chichester im Süden Englands gezügelt ist. Der 50-Jährige und Toms Frau beginnen eine Affäre, die für Tom nicht nur emotional böse Folgen hat, sondern ihn auch finanziell und gesundheitlich beutelt.
«Sie haben ihn effektiv in seinem eigenen Haus versklavt»
«Ich war so gut wie jeden Tag allein», erinnert er sich im Gespräch mit der BBC. «Sie haben mir eine Trinkflasche mit Saft und ein bisschen Essen dagelassen. Ich habe buchstäblich in vier Jahren zu 95 Prozent im Bett gelegen.» Nur an Feiertagen wie Weihnachten hat Ehefrau Sarah ihn zu seiner Familie gebracht, von der er ansonsten abgeschirmt wurde.
«Sie haben ihn effektiv in seinem eigenen Haus versklavt», hält die britische Justiz später fest. «Sie haben versucht, ihn von seiner Familie und seinen Freunden zu isolieren.» Die staatliche Unterstützung für Tom behielt das Liebespaar ein – und sparte für eine eigene Wohnung oder gab es für Fussball oder DJ-Zubehör aus, weiss die «Daily Mail».
Duschen durfte Tom bloss einmal in der Woche, ergänzt der «Guardian». Oft habe er im Bett gelegen, ohne dass die Vorhänge aufgezogen worden wären. «Als mir klar wurde, dass das mein Leben war, wollte ich alles beenden, aber ich hätte das selbst nicht tun können», wird das Opfer zitiert.
«Kann mir nicht vorstellen, je wieder jemandem zu trauen»
Hinzu kam der emotionale Schmerz: «Das Ausmass an Betrug war schwer zu ertragen. Ich kann mir nicht vorstellen, je wieder jemandem zu trauen. Manchmal gehe ich in mein Zimmer und schreie, bis meine Stimme versagt. Ich kann nicht mal weinen, weil keine Tränen fliessen.»
Auch das Telefonieren war Tom verboten, wenn seine Frau nicht dabei war. Doch über sein iPad hat er sich schliesslich einer Freundin anvertraut, die seine Mutter alarmierte. Erst meldete sich Mutter Helen, dann ein Sozialarbeiter. Als der ihn fragte, ob er die Wohnung verlassen wolle, antwortete er wie aus der Pistole geschossen: «Oh mein Gott, ja.»
Aus Angst vor der Reaktion von George Webb warnte er im April 2020: «Schaut, wenn ihr das macht, dürft ihr während des gesamten Vorgangs nicht von meiner Seite weichen.» Polizei und Fürsorge befreiten Tom aus seinem Elend und leiteten Ermittlungen gegen seine Peiniger ein.
Das Duo wurde am 14. Juli von einem Gericht in Portsmouth unter anderem der «modernen Sklaverei» für schuldig befunden: Beide sind zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden.