Experten besorgt Ein Jahr Ebola im Kongo: «Noch kein Ende in Sicht»

Von Gioia Forster, Christiane Oelrich und Sammy Mupfuni, dpa

27.7.2019

Seit einem Jahr wütet die Seuche Ebola im Osten des Kongos. Diese Epidemie ist besonders gefährlich – und bislang nicht in den Griff zu bekommen. Helfer mahnen: Es muss sich an der Bekämpfung etwas ändern.

Das schreckliche Wort fiel nach der Rückkehr aus der Geburtsstation des nahe liegenden Krankenhauses: Ebola. Bei der Kongolesin Kaswera Kahumba sitzt der Schmerz darüber noch immer tief. Ihre Schwiegertochter hatte in einer Klinik der Stadt Beni ein Kind zur Welt gebracht, war dann aber nach der Rückkehr plötzlich krank. Der Grund: Sie hatte sich während des Klinikaufenthalts mit Ebola infiziert. «Wir brachten sie in ein nahe liegendes Krankenhaus aber nach ein paar Tagen starb sie», erinnert sich die 63-jährige Kahumba heute und seufzt: «Wir vermissen sie sehr.» Und noch immer tötet das Ebola-Virus Menschen im Kongo.

Am 1. August 2018 hatte das Gesundheitsministerium den Ebola-Ausbruch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeldet. Im Juli waren bereits einige Fälle eines mit Blutungen einhergehenden Fiebers aufgetreten, ohne dass Mediziner sofort Ebola diagnostiziert hatten. Auch ein Jahr später ist die gefährliche Seuche nicht unter Kontrolle. Bislang sind rund 2600 Menschen erkrankt und fast 1800 Patienten an Ebola gestorben. Die Gefahr einer Ausbreitung in die Nachbarländer ist gross. In Uganda wurden bereits drei Fälle bekannt. Sollte Ebola in das Krisenland Südsudan kommen, wäre es womöglich verheerend.

Noch hat dieser Ausbruch zwar nicht das Ausmass der Epidemie in Westafrika vor fünf Jahren erreicht, bei der mehr als 11 000 Menschen starben. Doch diese Epidemie ist womöglich gefährlicher als jede zuvor. «Es ist noch kein Ende in Sicht», sagt Markus Diemon von der Welthungerhilfe in Goma.

Ebola hätte kaum eine komplexere Region treffen können. Im Ost-Kongo herrschen seit Jahrzehnten Konflikte. Etliche Milizen kämpfen um die Kontrolle der Bodenschätze und terrorisieren die Bewohner sowie die Ebola-Helfer. Immer wieder müssen die Bürger vor der Gewalt fliehen. Zudem gab es seit Januar der WHO zufolge mindestens 198 Angriffe auf Ebola-Helfer, wodurch mindestens sieben ums Leben kamen. Und die Epidemie ist bei weitem nicht das einzige Problem. «Die Ebola-Krise ist nur eine Krise unter mehreren», erklärt Marcus Bachmann, der von April bis Juni den Einsatz von Ärzte ohne Grenzen vor Ort leitete. Die Menschen haben neben der Gewalt und Flucht auch mit einem Masern-Ausbruch und Malaria zu kämpfen. «Ebola ist die eine Krise zu viel, die das Ganze zum Kippen bringen könnte.»

Eigentlich herrschte zunächst vorsichtiger Optimismus, dass die Epidemie in den Griff zu bekommen ist. Der Kongo hat zuvor bereits neun Ebola-Ausbrüche bewältigt. Im Vergleich zu der Westafrika-Epidemie gibt es inzwischen auch Medikamente, mit denen nach WHO-Angaben etwa 70 Prozent der Infizierten geheilt werden können. Ohne Medikamente sterben rund 70 Prozent der Kranken. Noch bahnbrechender ist die Entwicklung eines experimentellen Impfstoffs. Das Mittel von der Firma Merck & Co hat nach einer Studie der WHO und des Nationalen Forschungsinstituts des Kongo (INRB) eine Wirksamkeit von mehr als 97 Prozent.

Entscheidend ist, dass die Kranken und Angehörige möglichst früh gefunden und behandelt werden. Genau das ist aber die grosse Herausforderung. «Wir glauben, dass wir wahrscheinlich gut 75 Prozent der Fälle entdecken», sagte der WHO-Nothilfekoordinator Michael Ryan. «Uns gehen aber vielleicht bis zu einem Viertel der Fälle durch die Lappen.»

Ansteckungsgefahr im Krankenhaus

Das liegt zu einem Teil an Unwissenheit. In einer Region, in der Malaria und Durchfallerkrankungen weit verbreitet sind, sterben einige Menschen zuhause oder in normalen Kliniken, ohne dass ihre Familien sich bewusst sind, dass sie mit Ebola infiziert waren. So gebe es «ein sehr hohes Ansteckungsrisiko», sagt Bachmann. Wie etwa bei der Schwiegertochter der 63-jährigen Kahumba, die sich in einem Krankenhaus ansteckte. Dass ein Jahr nach Beginn der Epidemie etwa jeder vierte Ebola-Fall erst nach dem Tod diagnostiziert wird, ist Bachmann zufolge besorgniserregend.

Es liegt aber vor allem auch an der Angst und dem Misstrauen der Menschen. Nach Jahren der Gewalt und Instabilität hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in die Behörden und ausländische Helfer. Die Wege zur nächsten Ebola-Klinik sind oft weit und die Bedrohung durch Milizen gross. Hinzu kommt, dass Gerüchte über Ebola die Runden machen, manche von ihnen absichtlich geschürt. Das Vertrauen der Bevölkerung ist aber extrem wichtig. «Damit steht und fällt der Erfolg, eine Ebola-Epidemie unter Kontrolle zu bringen», sagt Bachmann.

Nach einem Jahr Ebola im Ost-Kongo ist klar: Um die Epidemie einzudämmen, muss mehr getan werden. Nach der ersten Feststellung eines Ebola-Falls in der Millionenstadt Goma rief die WHO Mitte Juli eine «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» (PHEIC) aus. Dies ist die höchst mögliche Alarmstufe bei einer ansteckenden Krankheit. Sie hat zwar keine klar definierten Konsequenzen, weil jede Notlage eigene Herausforderungen mit sich bringt, doch die WHO sieht darin einen Weckruf, damit die Weltgemeinschaft mehr tut, mit Spezialisten und mit Geld.

Viele Helfer fordern nun ein Umdenken. Es sei unterschätzt worden, wie wichtig die aktive Beteiligung der Bevölkerung ist, sagt Bachmann. Er spricht sich etwa für mehr kleinere Transitzentren aus, damit es für Menschen leichter ist, sich auf Ebola testen zu lassen. Diemon von der Welthungerhilfe fordert mehr Aufklärungsarbeit. Er und sein Team gehen etwa in Schulen, um dort Kinder und Jugendlichen über Ebola zu informieren. Wemba Kambale Kikopo, ein 37-jähriger Ebola-Überleber, der sich heute an der Aufklärungsarbeit beteiligt, sagt: «Die Menschen müssen wissen, dass die Krankheit existiert und töten kann.»

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