Das Autorennen der Formel-e in Bern hat am Samstag zehntausende in die Stadt und an die Rennstrecke gelockt. So leise die Elektroboliden auch surrten, die Kritik am Anlass war nicht zu überhören.
Über 60 Jahre nach dem letzten Formel-1-Rennen auf dem legendären Berner Bremgartenring fand in Bern wieder ein Automobil-Rundkursrennen statt. Diesmal standen aber die Boliden der Formel-e am Start, also Elektroautos.
Rein äusserlich unterscheiden sich die Boliden wenig von herkömmlichen Rennautos. Doch statt Motorengeheul, Benzingeruch und die eine oder andere Stichflamme aus dem Auspuff war am Samstag lediglich ein «Pfiüüüüt» zu hören, wenn die Boliden an den dicht gedrängten Zuschauern vorbeirasten.
130'000 Personen wohnten nach Angaben des Veranstalters dem Anlass bei, der auf Zuschauerseite ohne nennenswerte Zwischenfälle über die Bühne ging. Der Grossanlass in Bern gehörte zur weltweiten Rennserie der Formel-e und fand erstmals in der Bundesstadt statt.
Wegen des Kopfsteinpflasters in der Altstadt führte der Rundkurs von der Laubeggstrasse den Aargauerstalden hinunter zum Bärengraben und den Muristalden hoch und von dort wieder ins Start/Zielgelände.
Der Grossanlass war professionell organisiert, von der Beschilderung über die Zuschauerlenkung, die Verpflegung, die Sicherheit bis hin zu den Sponsorenauftritten. Die untere Altstadt wurde in ein E-Village verwandelt, eine Publikumszone.
Vor den zahlreichen Grossbildschirmen konnten die Zuschauer das Rennen verfolgen. Auf Bühnen wurden Konzerte und Unterhaltung geboten und zahlreiche Autohersteller warben für ihre Elektroflotte. Auch eine Autogrammstunde mit den Helden der Formel-e fehlte nicht.
«Formel-e ade»
Die Grossveranstaltung nahm die Berner Altstadt und die Gebiete rund um den Bärengraben voll in Beschlag. Schon Tage vorher sorgte dies namentlich bei den Anwohnern für Unmut. Sie mussten zum Teil lange Umwege in Kauf nehmen, weil alles abgesperrt war.
Der Unmut entlud sich am Donnerstagabend in einer Velodemo, an der sich rund tausend Personen beteiligten. Im Zug der Kundgebung kam es auch zu grösseren Sachbeschädigungen. Ein Komitee wehrte sich mit dem Titel «Formel-e ade» gegen die Veranstaltung.
Kritiker monierten, der Grossanlass sei überhaupt nicht nachhaltig, denn um die gigantische Infrastruktur nach Bern zu karren, brauche es tausende Lastwagenfahrten. Auch die saudiarabischen Sponsoren der Serie sorgten im rot-grünen Bern für Unmut. Das erzkonservative Land erkaufe sich so ein grünes Mäntelchen.
«Noch zu früh»
Rot-grüne Parteien forderten bereits im Vorfeld des Anlasses, dass künftig keine solchen Rennen mehr in Bern ausgetragen werden. Stadtpräsident Alec von Graffenried betonte am Samstag nach dem Rennen, es sei noch zu früh um Bilanz zu ziehen.
Der Stadtpräsident stritt aber gewisse Schwierigkeiten und Diskussionen, die es rund um den Anlass gab nicht ab. Die nach Angaben des Stadtpräsidenten rund 100'000 Besucher hätten Freude gehabt am Anlass, es habe eine gute Stimmung geherrscht.
Irritiert zeigte sich die Bevölkerung, dass die Nydeggbrücke auch für Fussgänger gesperrt war und im Raum Bärengraben und auf der Brücke riesige Zelt- und Tribünenkonstruktionen errichtet wurden für die geladenen Gäste.
Gemäss von Graffenried hat die Stadt Bern dem Veranstalter die Flächen bewilligt. Was er daraus machte, habe er damals noch nicht im Detail gewusst, räumte der Stadtpräsident ein. Den Vorwurf, der Gemeinderat habe sich nicht genügend mit dem Projekt beschäftigt liess von Graffenried indessen nicht gelten.
Der Veranstalter zog am Samstag eine positive Bilanz des Rennsamstags. Auch er räumte gewisse Schwierigkeiten im Vorfeld ein. Doch er begrüsse es, wenn Leute kritisch über Fragen der Nachhaltigkeit diskutierten, sagte Pascal Derron, CEO der Veranstalterin nach dem Rennen gegenüber Keystone-SDA.
Kein Verständnis habe er für die Sachbeschädigungen an der Kundgebung. Ob Anzeige erstattet werde, sei noch in Prüfung. Ob die Formel-e wieder einmal in Bern Halt macht, ist offen. «Das liegt an der Politik, ob sie das will oder nicht», sagte Derron. Im Rennkalender für nächstes Jahr ist Bern auf jeden Fall nicht aufgeführt.
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