Tierversuche Empa hilft, Tierversuche zu vermeiden

SDA

18.6.2020 - 10:05

Nanomaterialien wie Graphen haben ein grosses, vielfältiges Anwendungspotenzial. Vor einer Risikoanalyse müssen aber die biochemischen Eigenschaften von Nanopartikeln genau analysiert werden. Die Empa sorgt dafür, dass das ohne Tierversuche geschieht. (Pressebild)
Nanomaterialien wie Graphen haben ein grosses, vielfältiges Anwendungspotenzial. Vor einer Risikoanalyse müssen aber die biochemischen Eigenschaften von Nanopartikeln genau analysiert werden. Die Empa sorgt dafür, dass das ohne Tierversuche geschieht. (Pressebild)
Source: Empa

Synthetische Nanomaterialien sind die Substanzen der Stunde: Sie finden etwa Anwendung in der Kosmetik, der Textilindustrie und der Medizin. Ihre Unbedenklichkeit für Mensch und Umwelt hätte man früher mit Tierversuchen getestet. Die Empa arbeitet an Alternativen.

«Wir entwickeln derzeit einen neuen, integrativen Weg, mit dem die Risiken von Nanopartikeln analysiert und die Ökobilanzen ermittelt werden können», sagt Empa-Forscherin Beatrice Salieri von der Abteilung «Technologie und Gesellschaft» in St. Gallen. Statt Tiere zu opfern, werden einzelne Zellarten im Reagenzglas beigezogen. Mathematische Vergleichsmodelle und Algorithmen sind weitere unblutige Alternativen.

Grundlage der Risikoanalysen sind die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Nanopartikeln, deren biologische Auswirkungen, welche mit Zellkulturen experimentell bestimmt wurden. Damit sich die Ergebnisse aus dem Reagenzglas («in vitro») auf die Situation im menschlichen Körper («in vivo») übertragen lassen, nutzen die Forschenden mathematische Modelle («in silico»), die zum Beispiel auf die Schädlichkeit einer Vergleichssubstanz zurückgreifen.

Einzelne Zellen statt ganze Organismen

Damit die Laborstudien für Nanopartikel aber auch aufschlussreich sind, muss für jede Expositionsart zunächst ein geeignetes Modellsystem entwickelt werden. «Substanzen, die inhaliert werden, untersuchen wir beispielsweise in Experimenten mit menschlichen Lungenzellen», erklärt Empa-Forscher Peter Wick, Leiter des Labors für «Particles-Biology Interactions» in St. Gallen. Um die Verdauung im Körper zu simulieren, werden hingegen Darmzellen verwendet.

Aus den gewonnenen Daten werden mithilfe komplexer Algorithmen die zu erwartenden biologischen Phänomene abgeschätzt. «Anstatt ein Tierexperiment dazwischen zu schalten, können wir anhand von Parallelitäten zu bekannten Substanzen, neuen Daten aus Laboranalysen und mathematischen Modellen die möglichen Risiken von Nanopartikeln ermitteln», sagt Empa-Forscher Mathias Rösslein.

Künftig könnten so auch die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Nanopartikeln im menschlichen Körper sowie die Eigenschaften bestimmter Populationsgruppen, wie ältere Menschen oder Patienten mit mehreren Krankheiten, realitätsnah dargestellt werden, meint der Wissenschaftler.

«Wundermaterial» Graphen

Im Fokus steht insbesondere Graphen (Betonung auf der zweiten Silbe), eine noch wenig getestete Modellsubstanz, die in Superkondensatoren und Akkus, Wasserfilter, Destillatoren und als Energiespeicher in Elektroautos Anwendung finden könnte. Die Europäische Kommission hat 2013 im Rahmen der European Flagship Initiative beschlossen, die Erforschung von Graphen mit 1 Milliarde Euro zu fördern.

Risikoanalysen und Ökobilanzen für das neue «Wundermaterial» Graphen sind noch Mangelware. Erste Sicherheitsanalysen zu Graphen- und Graphen-verwandten Materialien konnten die Empa-Forscher nun unlängst in grundlegenden in vitro-Studien aufzeigen. «Auf diese Weise können nun auch Projekte wie Safegraph potenzielle Gesundheitsrisiken und Umweltfolgen von Graphen besser ermitteln und gleichzeitig die Zahl der Tierversuche senken», schreibt die Empa in einer Mitteilung vom Donnerstag.

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