Lockdown, Lockerung, Lockdown, Lockerung: ein Zyklus aus sich abwechselnden Eindämmungs- und Lockerungsmassnahmen könnte Entwicklungsländern im Kampf gegen das Coronavirus und seine Folgen helfen. Das hat ein internationales Forscherteam herausgefunden.
Mit dynamischen Massnahmen kann nämlich eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden, wie eine internationale Studie mit massgeblicher Beteiligung des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern aufzeigt.
Gleichzeitig würden Massnahmen in Intervallen auch dafür sorgen, dass Wirtschaft und Gesellschaft nicht zu stark belastet würden. Wie allerdings solche Intervalle aussehen müssen, um in einem bestimmten Land diese Effekte zu erzielen, ist noch offen.
Das Forscherteam untersuchte insgesamt drei Szenarien für 16 Länder – von Indien bis Kolumbien -, die sich bezüglich Kapazitäten ihrer Gesundheitssysteme und ihrer Bevölkerung unterscheiden. Ihre Ergebnisse wurden im European Journal of Epidemiology veröffentlicht, wie die Universität Bern am Mittwoch mitteilte.
Abwechslung verspricht Erfolg
Im ersten Szenario werden keinerlei Massnahmen umgesetzt. Wie erwartet, würde die Anzahl der Patientinnen und Patienten, die eine intensivmedizinische Betreuung benötigen, die verfügbare Kapazität in jedem Land schnell massiv überschreiten. Die Epidemie würde sich in den meisten der berücksichtigten Länder über fast 200 Tage hinziehen, und zu einer hohen Anzahl von Todesfällen führen.
Im zweiten Szenario wurden eine 50-tägige Phase mit Abschwächungsmassnahmen, gefolgt von einer 30-tägigen Lockerung untersucht. Auch diese Strategie würde nicht ausreichen, um eine Überlastung der Intensivstationen in den Spitälern zu verhindern, gelangten die Forscher zur Überzeugung. Denn nach der ersten Lockerung wären die Kapazitäten schnell wieder überschritten.
Als letztes Szenario modellierten die Forschenden einen fortlaufenden Zyklus von starken Eindämmungsmassnahmen während 50 Tagen, gefolgt von einer wiederum 30-tägigen Lockerung. Mit einer solchen Strategie blieben die benötigten Plätze auf Intensivstationen in allen Ländern innerhalb der nationalen Kapazitäten. Obwohl dieser Ansatz die Dauer der Epidemie über 18 Monate hinweg verlängert, würde eine wesentlich geringere Anzahl Menschen an Covid-19 sterben.
Die Forschenden weisen drauf hin, dass ihre Studie nur einen illustrativen Vergleich von verschiedenen Interventionsstrategien bietet. Die spezifische Dauer der Interventionen müsste von den Ländern entsprechend ihrer Bedürfnisse und lokalen Begebenheiten festgelegt werden.
«Ein abwechselnder Zyklus aus striktem Social Distancing und einer Lockerungsphase würde es der Bevölkerung und der Wirtschaft erlauben aufzuatmen, was insbesondere in ressourcenarmen Regionen nachhaltiger sein könnte.» Mit diesen Worten wird Rajiv Chowdhury, Epidemiologe für Global Health an der Universität Cambridge und Hauptautor der Studie in der Mitteilung zitiert.
Keine Option für die Schweiz
Eine Reihe europäischer Länder befindet sich derzeit in der Phase der ersten Lockerungen nach dem Lockdown, so auch die Schweiz. Mit breiteren Tests und einem verstärkten Contact Tracing wird versucht, einen erneuten Anstieg der Infektionen zu verhindern. Idealerweise reiche dies aus, um die Zahl der Infektionen durchgehend auf tiefem Niveau zu halten, sagt Christian Althaus, Forschungsgruppenleiter und Co-Autor der Studie.
Für die Schweiz seien darum solche zyklischen Interventionsstrategien derzeit kein Thema. Die in der Studie beschriebenen zyklischen Strategien dürften insbesondere für Entwicklungsländer eine vorerst pragmatische Lösung bieten.
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