NaturkatastrophenForschende rekonstruierten den Hergang der Chamoli-Katastrophe
stsc, sda
10.6.2021 - 20:00
Kurz vor Morgendämmerung donnerte am 7. Februar 2021 eine riesige Fels- und Eislawine die steile Nordwand des Ronti Peak im westlichen Himalaya hinunter und setzte eine verheerende Kaskade in Gang. Forschende haben das todbringende Ereignis nachgezeichnet.
stsc, sda
10.06.2021, 20:00
10.06.2021, 20:43
SDA
Die Lawine, die sich am 6063 Meter hohen Ronti Peak im westlichen Himalaya im Chamoli Distrikt des indischen Bundesstaats Uttarakhand gelöst hatte, enthielt fast 27 Millionen Kubikmeter Gestein und Eis eines Hängegletschers. Als die Lawine das Tal hinunterbretterte, schmolz durch Reibungswärme fast das gesamte gefrorene Wasser. Dadurch verwandelte sich die Naturgewalt in einen mächtigen Murgang, der riesige Felsbrocken mit sich riss.
Die Folge: Eine Spur der Verwüstung mit zwei schwer beschädigten Wasserkraftwerken. Mehr als 200 Menschen verloren ihr Leben oder werden vermisst, die meisten von ihnen waren Arbeiter der Kraftwerke.
Unmittelbarer Start der Analysen
Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Uni und ETH Zürich sowie der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zeichnete den Hergang dieser Katastrophe akribisch nach. Die Rekonstruktion erschien im Fachmagazin «Science».
Für die Untersuchung griffen die Forschenden auf Satellitenbilder, digitale Geländemodelle, seismische Daten, Videoaufnahmen von Augenzeugen und Computermodellierungen zurück. Noch am Tag der Katastrophe begannen sie mit den Auswertungen.
Basierend auf ihren Erkenntnissen identifizierten die Forschenden drei Hauptgründe für die verheerenden Auswirkungen: Die ausserordentliche Höhe, von der sich die Lawine löste, das Verhältnis von Eis und Gestein darin und die unglückliche Lage der Wasserkraft-Infrastruktur.
Selten, aber wohl nicht einzigartig
«Chamoli war ein seltenes Extremereignis», liess sich der Geograph und Mitautor Holger Frey von der Uni Zürich in deren Mitteilung zitieren. «Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die nächste Flutwelle dieser Grössenordnung irgendwo im Himalaya ereignet.»
Zwar lässt sich das verheerende Naturereignis laut den Autoren nicht direkt auf den Klimawandel zurückführen. Die potenziell häufiger werdenden Hanginstabilitäten im Hochgebirge könnten aber mit der Erwärmung und den damit verbundenen Veränderungen der Gletscher und des Permafrosts zusammenhängen.
Um Menschenleben und Vermögenswerte künftig besser zu schützen, brauche es bei der Planung von Wasserkraftprojekten eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Behörden, privaten Unternehmen, der lokalen Bevölkerung und der Wissenschaft.