Sanieren, Umbauen oder Schliessen So steht es um die Schweizer Badis

sda

19.7.2018

Die meisten der rund 500 Frei- und Strandbäder in der Schweiz wurden in den 70er- und 80er-Jahren gebaut (Archivbild).
Die meisten der rund 500 Frei- und Strandbäder in der Schweiz wurden in den 70er- und 80er-Jahren gebaut (Archivbild).
Keystone

Badis gehören zum Schweizer Kulturgut. Derzeit werden sie wieder gestürmt: Es sind Sommerferien, und das Wetter ist prächtig. Die meisten Freibäder sind allerdings am Ende ihres Lebenszyklus angelangt. Es stehen kostspielige Sanierungen an - oder die Schliessung.

Die meisten der rund 500 Frei- und Strandbäder in der Schweiz wurden in den 70er- und 80er-Jahren gebaut, seither kaum noch welche. Auch wenn sie seriös unterhalten werden, stellt sich für die betreibenden Gemeinden nach 40 oder 50 Betriebsjahren die Frage: Wie weiter?

Beim Verband Hallen- und Freibäder (VHF) ist man regelmässig mit dieser Frage konfrontiert, wie Geschäftsführer Stefan Schlatter im Gespräch mit der Agentur Keystone-SDA sagt: «Wir erhalten sehr viele Anfragen von Hallen- und Freibadbetreibern, die wissen wollen, welche Möglichkeiten es gibt: Sanieren, Umbauen oder Schliessen?» Erst kürzlich hatte Schlatter Besuche von Delegationen aus Sörenberg LU und Weggis LU.

Der Betrieb eines Freibads geht ins Geld. Die Unterhalts- und Personalkosten sind hoch. Laut der Sportanlagenstatistik des Bundesamts für Sport (Baspo) liegen die durchschnittlichen Gesamtkosten für ein Freibad mit 50-Meter-Schwimmbecken bei knapp 570'000 Franken pro Jahr. Viele Gemeinden stopfen jährlich Löcher von mehreren 100'000 Franken, müssen also die Badi-Defizite buchstäblich ausbaden.

Gemeinden in Nöten

In den Boomjahren des Freibadbaus stand der finanzielle Erfolg der Anlagen noch nicht im Zentrum der Überlegungen. Ein Freibad galt als Standortvorteil und Service public. Heute sind die Zustüpfe der öffentlichen Hand kleiner geworden oder in Frage gestellt, denn die Gemeinden müssen sparen. Und die Eintrittspreise decken den Aufwand längst nicht.

In Näfels GL steht die Schliessung des Freibads zur Debatte. Vor der gleichen Frage stand man auch in Zuchwil SO oder Grosshöchstetten BE. Beiderorts legte jedoch das Stimmvolk das Veto ein und forderte eine Sanierung - auch wenn dadurch allenfalls eine Steuererhöhung nötig wird.

Denn ein Freibad ist heute mehr als eine Institution zur Körperertüchtigung. Die Ansprüche seien höher geworden, sagt Schlatter. Die Gäste suchten auch das Erlebnis, die Erholung und das Vergnügen: «Ein quadratisches 25-Meter-Becken fürs Streckenschwimmen reicht da nicht mehr.»

Eine moderne Badi hat heute ein Warmwasserbecken, Rutschen oder eine Sauna. Die Erfahrungen mit dem aufgefrischten Angebot sind laut Schlatter gut. Hallen- und Freibäder, die auf diese Weise saniert oder neu gebaut wurden, seien besser besucht und verzeichneten mehr Einnahmen. Auch so sei eine ausgeglichene Rechnung aber noch eine anspruchsvolle Aufgabe, betont Schlatter.

Mehr Spielraum

Immer mehr Gemeinden entscheiden sich dafür, ihr Freibad mit mehr wirtschaftlichem Spielraum auszustatten. «Die Auslagerung in eine Betriebsgesellschaft ist ein Modell, das zunehmend gewählt wird», beobachtet der VHF-Geschäftsführer. Die Aktienmehrheit bleibt bei der Gemeinde.

Unter Druck stehen die Freibäder gemäss Schlatter auch wegen des Lehrplans 21. Dieser verlangt, dass alle Schulen Schwimmunterricht anbieten. Der Bedarf an neuen Freibädern sei aber auch wegen des Bevölkerungswachstums gestiegen.

Ins Geld geht nicht nur die modernere Ausstattung - auch die hygienischen und technischen Anforderungen an ein Freibad sind gestiegen. Viele Anlagen entsprechen gemäss einer Dokumentation der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) nicht mehr den neusten Erkenntnissen, den heutigen Sicherheitsanforderungen und dem aktuellen Stand der Technik.

Auch die Anforderungen an die Wasserqualität sind laut Stefan Schlatter gestiegen. Diese unterliegen seit dem 1. Mai 2017 der Trinkwasserverordnung. Ältere Bäder stossen ebenso an ihre Grenzen, weil ihre alten Sandfilter das Wasser nicht mehr sechsmal täglich umzuwälzen vermögen, wie dies vorgeschrieben ist.

Höhere Eintrittspreise

Die Kosten schlagen auch auf die Preise durch: Für eine sanierte oder neue Badi seien 10 bis 12 Franken für eine erwachsene Person durchaus angemessen, sagt Schlatter. Die teuerste Badi in der Schweiz ist derzeit die nagelneue Badi in St. Moritz GR: 15 Franken kostet der Einlass. Viele Gemeinden verlangen tiefe einstellige Beträge. Das Marzilibad in Bern ist nach wie vor gratis. Dafür saniert die Stadt ihre maroden Hallen- und Freibäder bis 2025 für rund 240 Millionen Franken.

Schlatter ist übrigens «privilegiert»: Er war massgeblich an der Realisierung eines der seltenen neuen Freibäder in der Schweiz beteiligt. Ende September 2018 wird das neue Ägeribad am gleichnamigen See im Kanton Zug eröffnet - mit ganzjährig beheiztem Aussenpool. Kostenpunkt: 36 Millionen Franken. Budgetiert sind bis zu 150'000 Besucher pro Jahr.

Eine typische Schweizer Badi bei Locarno. 
Eine typische Schweizer Badi bei Locarno. 
Keystone
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