Prozess Freispruch für Yvan Perrin in Rassendiskriminierungs-Fall

js, sda

7.9.2021 - 14:45

Yvan Perrin (rechts) mit seinem Verteidiger, dem Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (links), in Neuenburg.
Yvan Perrin (rechts) mit seinem Verteidiger, dem Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (links), in Neuenburg.
Keystone

Der ehemalige SVP-Nationalrat Yvan Perrin ist am Dienstag vom Neuenburger Kantonsgericht vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft schliesst einen Weiterzug des Falls an das Bundesgericht nicht aus.

Keystone-SDA, js, sda

Perrin wurde wegen Rassendiskriminierung strafrechtlich verfolgt, nachdem er sich im April 2019 auf Facebook abwertend über Muslime geäussert hatte. Seine Posts standen im Zusammenhang mit einem Artikel in der Zeitung «24 heures» über die Qatar Papers und die Muslimbruderschaft.

Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten vor, dass dieser auf seinem virtuellen Anschlagbrett Kommentare Dritter, in denen zu Hass und Gewalt gegen Personen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit aufgerufen wurde, nicht gelöscht habe. Diese Kommentare seien für die breite Öffentlichkeit lesbar gewesen.

Keine Überwachungspflicht

Die Gerichtspräsidentin Marie-Pierre de Montmollin erklärte in der Urteilsbegründung, dass Perrin nicht verpflichtet gewesen sei, sein Facebook-Konto ständig zu überwachen. Als er erfahren habe, dass umstrittene Kommentare auf seinem Profil zur Einleitung einer strafrechtlichen Untersuchung geführt hatten, habe Perrin die Beweislage nicht verändern wollen, um die Polizei bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

Das Gericht sprach ihn frei, weil sich Perrin nicht aktiv um die Aufrechterhaltung umstrittener Äusserungen bemüht hatte. Wie in der ersten Instanz hielt das Gericht eine Verurteilung wegen einer unterlassenen Löschung von Kommentaren für heikel.

Während der Anhörung sagte Perrin, dass er regelmässig Kommentare auf den Sozialen Medien lösche, um Kontroversen und Beleidigungen zu vermeiden. Auch sperre er regelmässig Follower. «Ich gebe zu, dass ich nicht alles sehen kann. Ich tue mein Bestes, aber ich wollte meinen Beitrag und alles, was darauf folgte, nicht löschen. Das ist es, was die Gegner wollen, dass ich daran gehindert werde, mich zu äussern», sagte er.

Sein Verteidiger, der Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor, sagte: «Es gibt keine formale Verpflichtung, alle Kommentare zu einem Facebook-Post zu moderieren. Dies wäre nicht realistisch.»

Ordnung schaffen

Im Juli 2020 war der Politiker bereits vom Neuenburger Polizeigericht vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen worden, doch die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Berufung ein. Sie forderte die Verurteilung des heute 54-Jährigen zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen mit einer Bewährungsfrist von zwei Jahren sowie die Übernahme der Verfahrenskosten.

Die Staatsanwaltschaft wies darauf hin, dass es nur 35 Kommentare Perrins Facebook-Post gegeben habe. «Ist es so schwierig, Ordnung zu schaffen?», fragte Staatsanwalt Pierre Aubert.

Er war der Ansicht, dass der Angeklagte eine gewisse Verantwortung einräume, da er angegeben habe, einige der Kommentare gelöscht zu haben, die strittigen jedoch nicht. Der Staatsanwalt will noch die ausführliche Urteilsbegründung abwarten, ist aber der Meinung, dass dies einer der Punkte ist, der einen Weiterzug des Urteils ans Bundesgericht rechtfertigen könnte.

Früheres SVP-Zugpferd

Perrin galt während mehreren Jahren als Hoffnungsträger der SVP in der Romandie. Er gehörte von 2003 bis 2013 dem Nationalrat an. Im Mai 2013 wurde er in den Neuenburger Staatsrat gewählt, trat aber im Juni 2014 aus gesundheitlichen Gründen zurück.

Im Herbst 2019 scheiterte er mit einem Comeback-Versuch als Nationalratskandidat. Im vergangenen Juni wurde bekannt, dass Perrin die Genfer SVP als Generalsekretär bei der Vorbereitung der Wahlen 2023 unterstützen wird.