Prozess Freispruch für Innerrhoder Ex-Staatsanwalt

SDA

11.8.2020 - 15:52

Der Prozess gegen den ehemaligen leitenden Staatsanwalt von Appenzell Innerrhoden findet im Grossratssaal statt. (Archivbild)
Der Prozess gegen den ehemaligen leitenden Staatsanwalt von Appenzell Innerrhoden findet im Grossratssaal statt. (Archivbild)
Source: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Der ehemalige Staatsanwalt von Appenzell Innerrhoden ist am Dienstag vom Bezirksgericht Appenzell vom Vorwurf der mehrfachen Begünstigung freigesprochen worden. Die Anklage hatte eine bedingte Freiheitsstrafe gefordert.

Im September 2010 hatte sich ein Lehrling in seinem Lehrbetrieb in Appenzell in einem Warenlift eingeklemmt und kam dabei ums Leben. Der Lift war ungenügend gegen Unfälle gesichert, was schon 2001 vom Arbeitsinspektorat bemängelt worden war.

Noch am Tag des Unfalls leitete der damalige Innerrhoder Staatsanwalt Herbert Brogli eine Strafuntersuchung ein. Über sechseinhalb Jahre dauerte es schliesslich, bis eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegen den Lehrbetriebsleiter, den Lehrmeister und den Hersteller des Warenlifts zustande kam.

Gemäss Anklage blieb für das Bezirksgericht zu wenig Zeit, das Verfahren «rechtsstaatlich einwandfrei» führen zu können, weshalb es den Fall im September 2017 wegen Verjährung einstellte. Die Standeskommission (Regierung) leitete eine unabhängige Expertenuntersuchung durch den Zuger alt Regierungsrat Hanspeter Uster ein, der zum Schluss kam, der Staatsanwalt habe das Verfahren verschleppt. Der Staatsanwalt wurde daraufhin freigestellt.

Keine Verzögerungstaktik

Vor Gericht räumte der Beschuldigte Herbert Brogli ein, er sei von seinen zeitlichen Ressourcen her schon seit längerem überfordert gewesen. Er habe im Jahr etwa 200 Überstunden geleistet. Darauf habe er den damaligen Landesfähnrich (Justiz- und Polizeidirektor), den mittlerweile verstorbenen Martin Bürki, und die gesamte Standeskommission immer wieder aufmerksam gemacht. Man habe ihm aber immer wieder signalisiert, dass keine zusätzlichen Stellen geschaffen würden.

«Es tut mir leid, dass es passiert ist», sagte Brogli vor Gericht. Er sei aber der Letzte gewesen, der gewollt habe, dass dieser traurige Fall verjähre. Er habe gegen Ende des Verfahren den gefestigten Eindruck, der Lehrbetriebsleiter und der Lehrmeister würden einen Strafbefehl akzeptieren. Es habe immer wieder Zeichen gegeben, dass die beiden Beschuldigten froh wären, wenn die Sache endlich erledigt werden könne.

Als dann Einsprachen gegen die Strafbefehle eintrafen, habe er so rasch wie möglich Anklageschriften aufgesetzt und ans Bezirksgericht überwiesen. Eine mögliche Verzögerungstaktik seitens der Angeklagten sei aber auch zu diesem Zeitpunkt nicht feststellbar gewesen.

Fall zu spät überwiesen

Der ausserrodentliche Staatsanwalt aus St. Gallen, der in diesem Fall die Anklage übernahm, vertrat eine andere Sicht. Bei diesem einfachen Verfahren habe es sich nicht um einen grossen Fall, sondern um einen «wichtigen» Fall gehandelt, wie es die folgende öffentliche Wahrnehmung gezeigt habe. Es habe sich beim Unfall des Lehrling um einen isolierten, relativ einfachen Sachverhalt gehandelt.

Zu Beginn habe Brogli gute Arbeit geleistet. Bereits wenige Wochen nach dem Unfall habe vom Lehrmeister ein Geständnis vorgelegen, er habe um die Mängel des Warenlifts gewusst. Das hätte zur Anklage gereicht.

Und der Lehrbetriebsleiter habe zwar keine direkte Schuld, aber wörtlich eine «100-prozentige Verantwortung» als Verwaltungsratspräsident des Betriebs eingeräumt. Auch dies hätte zu einer zeitnahen Anklage führen müssen.

Allerdings habe Brogli das Verfahren dann unnötig verschleppt und den Hersteller des Warenlifts mit in die Untersuchungen einbezogen. Dies hätte man, wenn schon, verfahrensmässig auftrennen sollen. Der Lifthersteller habe den Lift nie selber betrieben. Diesen «Nebenschauplatz» hätte Brogli nicht zwingend in das Verfahren einbeziehen müssen.

Zudem habe der verfahrensführende Staatsanwalt Einvernahmen an die Polizei delegiert, dann aber trotzdem daran teilgenommen. «Der Staatsanwalt ist Leiter, nicht Begleiter seiner Verfahren», sagte die Anklage.

Dass Brogli direkt vorsätzlich gehandelt und das Verfahren verjähren lassen habe, sei nicht erwiesen, sagte der Staatsanwalt am Dienstag. Aber er habe es durch die äusserst lange dauernden Untersuchungen zumindest in Kauf genommen.

Mangelhafte Beweisführung

Man könne dem ehemaligen Staatsanwalt eine ungeschickte und unorganisierte Arbeitsweise vorwerfen. Aber von einer eventualvorsätzlichen Verschleppung des Falls könne keine Rede sein.

Solange nicht klar bewiesen sei, dass Brogli eine Verjährung bewusst in Kauf genommen habe, sei er nicht zu verurteilen. Gerade bei den subjektiven Tatbeständen weise die Anklageschrift aber erhebliche Mängel auf. Es sei alles andere als erwiesen, dass Herbert Brogli dem Fall habe verjähren lassen wollen.

Gericht sieht keinen Eventualvorsatz

Das Appenzeller Bezirksgericht folgte der Argumentation der Verteidigung. Es sprach Herbert Brogli vom Vorwurf der mehrfachen Begünstigung frei. Es gebe keinerlei Hinweise, dass Brogli den Fall bewusst habe verjähren lassen. Es lägen keinerlei Beweise für einen Eventualvorsatz vor, sagte der Richter.

Allerdings betonte das Gericht auch, dass man in diesem Fall nur die Straftatbestände beurteilt habe. Dass im Verfahren um den Unfalltod Fehler gemacht wurden, sei erwiesen. Der Bericht Uster gehe darauf detailliert ein, und die enstprechenden Konsequenzen seien bereits gezogen worden.

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