Genf Staatsanwaltschaft fordert 18 Monate Haft für Tariq Ramadan

mf, sda

17.5.2023 - 05:23

Tariq Ramadan (r.) und seine Anwälte am Dienstag vor dem Genfer Gericht. 
Tariq Ramadan (r.) und seine Anwälte am Dienstag vor dem Genfer Gericht. 
Bild: Keystone/Pierre Albouy

Die Genfer Staatsanwaltschaft hat am Dienstagabend eine dreijährige Haftstrafe, davon 18 Monate unbedingt, für den Islamwissenschaftler Tariq Ramadan gefordert. Dieser ist vor dem Genfer Strafgericht wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagt.

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Die Schuld von Tariq Ramadan wiege schwer. Er habe seine Aura ausgenutzt, um sein Opfer zu missbrauchen und habe die Klägerin wie ein Objekt behandelt, sagte der Vertreter der Staatsanwaltschaft.

In der Anklageschrift betonte die Staatsanwaltschaft, dass die Aussagen der Klägerin, einer 57-jährigen Frau, die zum Islam konvertiert war, während des gesamten Verfahrens beständig waren. Die Staatsanwaltschaft unterstrich die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Frau.

Laut der Staatsanwaltschaft hatte die Klägerin immer gesagt, dass ihre Beziehung zu Tariq Ramadan intellektueller Natur sei und dass sie keine sexuellen Beziehungen mit ihm anstrebe. Der Staatsanwalt führte insbesondere Nachrichten an, die zwischen ihr und dem Islamwissenschaftler ausgetauscht wurden, um seine Behauptungen zu untermauern.

Mutmasslich Schläge und Ohrfeigen

Einige der Nachrichten, die die Klägerin an den Islamwissenschaftler geschickt hatte, seien anzüglich gewesen. Aber die Justiz sei dazu da, alle Vergewaltigungsopfer zu schützen, auch diejenigen, die sich «anbiedern».

Vor dem Genfer Strafgericht hat die Klägerin zuvor ihre Vergewaltigungsvorwürfe gegen Tariq Ramadan wiederholt. Der französische Komiker Dieudonné sagte hingegen, die Frau habe von einem «One-Night-Stand» gesprochen, als sie ein Treffen mit dem Genfer Islamwissenschaftler erwähnte.

Die Klägerin sagte aus, Ramadan habe sie in einer Nacht im Oktober 2008 in einem Genfer Hotelzimmer vergewaltigt. Er habe ihr geholfen, ein Bügeleisen und ein Bügelbrett in ihr Zimmer zu bringen. «Einmal im Zimmer, bemerkte ich, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte», sagte sie. Ramadan habe sie dann auf das Bett gedrückt, sich auf sie gesetzt, ihr ins Gesicht geschlagen und sie vergewaltigt, während sie ihre Tage gehabt habe.

Sie habe sich den Angriffen von Ramadan zunächst widersetzt und dann versucht, mit ihm zu verhandeln, sagte sie weiter. Die Klägerin gab zudem an, dass sie nicht mit sichtbaren Wunden oder Spuren aus dem Hotelzimmer gekommen sei. «Ich hatte ein brennendes Gesicht und eine Gehirnerschütterung». Die rund 50-Jährige gab an, dass sie in dieser Nacht wegen der Anzahl der Schläge und Ohrfeigen, die Ramadan ihr ausgeteilt hatte, und nicht wegen derer Stärke Todesangst gehabt habe.

Sie habe über soziale Netzwerke Bekanntschaft mit Ramadan gemacht. «Es erfüllte mich, mich mit ihm schriftlich auszutauschen», fuhr die Klägerin fort. Heute hoffe sie, durch diesen Prozess als Opfer «anerkannt» zu werden und einen Schlussstrich unter diese Affäre ziehen zu können, wegen welcher sie ihre Freunde verloren habe.

Der Falschaussage bezichtigt

Die Aussagen des Komikers Dieudonné, der am Dienstagmorgen vor Gericht erschienen war, bezeichnete sie als unwahr. Dieser hatte erzählt, dass die Klägerin in seiner Gegenwart von «einem One-Night-Stand» gesprochen habe, als sie ihre Beziehung zu Ramadan erwähnte.

Die Frau habe sich nach einem seiner Auftritte in der Schweiz über Ramadan geäussert, sagte der Komiker am Dienstag vor dem Genfer Strafgericht. Zwischen der Frau, dem Komiker, seinem Schweizer Produzenten und einigen Technikern sei eine Diskussion über Afrika entbrannt. Dabei sei der Name des Islamwissenschaftlers gefallen, «weil er eine wichtige Person» für den Kontinent sei.

«Wir erfuhren zur allgemeinen Verblüffung», dass die Frau Ramadan kannte, sagte Dieudonné. Von einem Techniker ausgefragt, habe die Frau dann von einem «coup du soir» gesprochen, fuhr der Komiker fort. «Es war nie die Rede von Gewalt», bekräftigte er.

Mit Verlegenheit über Beziehung gesprochen

Die Klägerin habe sich nicht lange mit dem Thema beschäftigen wollen, vielleicht aus Scham, mutmasste Dieudonné. Sie habe mit etwas Verlegenheit über ihre Beziehung zu Ramadan gesprochen.

Dieudonné war von den Anwälten Ramadans in den Zeugenstand gerufen worden. Sie hatten einen anonymen Brief erhalten. Darin hiess es, dass die Klägerin dem Komiker erzählt habe, dass sie eine einvernehmliche Beziehung mit dem Islamwissenschaftler gehabt habe.

Der 60-jährige Ramadan musste sich seit Montag in Genf vor Gericht verantworten. Er bestreitet die Vorwürfe. Zum Prozessauftakt sagte der Angeklagte, er sei in diesem Fall «das Opfer einer Belästigung» und nicht das böse Raubtier, als das er dargestellt werde. Er habe von der Klägerin bereits vor ihrem ersten Treffen Dutzende von Nachrichten erhalten, in denen sie ihm geschrieben habe, dass sie ihn attraktiv und sexy finde.

Ramadan muss sich möglicherweise auch in Frankreich vor einem Gericht verantworten. Im Sommer 2022 hatte die Pariser Staatsanwaltschaft einen Prozess gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung von vier Frauen zwischen 2009 und 2016 beantragt.