Bundesgericht Mord-Geständnis wegen Drucks durch verdeckte Ermittler unverwertbar

zs, sda

20.4.2022 - 12:22

Der Druck der Ermittler war zu hoch: Zu diesem Schluss kommt das Bundesgericht. (Archivaufnahme)
Der Druck der Ermittler war zu hoch: Zu diesem Schluss kommt das Bundesgericht. (Archivaufnahme)
KEYSTONE/LAURENT GILLIERON

Ein Geständnis, das durch Druck von verdeckten Ermittler erwirkt worden ist, ist laut Zürcher Obergericht nicht verwertbar. Nun stützt das Bundesgericht dieses Urteil. Der Mann wird trotz Mordgeständnis freigesprochen.

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Ein Mann soll 2009 seine Ehefrau vor der gemeinsamen Wohnung erschossen haben. Gestanden hat er dies jedoch erst, als verdeckte Ermittler in die Untersuchungen involviert wurden. Diese hätten zu grossen Druck ausgeübt, urteilt das Bundesgericht und stützt damit den Entscheid des Zürcher Obergerichts. 

Der Druck der verdeckten Ermittler war zu gross, um das Geständnis im Strafverfahren als Beweis verwerten zu dürfen. Zu diesem Schluss kam nach dem Zürcher Obergericht auch das Bundesgericht. Die Argumente der beschwerdeführenden Zürcher Oberstaatsanwaltschaft verfingen vor dem Bundesgericht nicht – soweit deren Begründungen überhaupt den gesetzlichen, inhaltlichen Anforderungen entsprachen. Die Staatsanwaltschaft stellte sich auf den Standpunkt, dass die beiden verdeckten Ermittler den Bogen nicht überspannt und das Fairnessgebot nicht verletzt hätten.

Und selbst wenn dies geschehen sein sollte, wäre das Geständnis des Beschuldigten trotzdem verwertbar, so die Staatsanwaltschaft. Allerdings wäre die Grenzüberschreitung in einem solchen Fall bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Dies geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervor.

Im konkreten Fall wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, seine Ehefrau 2009 vor der gemeinsamen Wohnung erschossen zu haben. Er beteuerte konstant, nicht der Täter zu sein. Als Tatmotiv nannte die Staatsanwaltschaft die jahrelange aussereheliche Beziehung, die die Ehefrau führte.

Ermittlerin als «Wahrsagerin»

Weil die Indizien gegen den Ehemann nicht ausreichten, baute ein verdeckter Ermittler eine «Freundschaft» mit dem Verdächtigen auf. Später wurde eine «Wahrsagerin» – ebenfalls eine verdeckte Ermittlerin – in den Fall involviert. Zusammen mit ihrem Kollegen machte sie sich den Aberglauben und die Angst des Verdächtigen vor bösen Geistern zu Nutze.

Der Verdächtigte fürchtete sich vor dem bösen Geist des Opfers und suchte Schutz für seine beiden Kinder und sich. Die Ermittler boten ihm diesen Schutz. Dafür sollte er jedoch reinen Tisch machen und sein Herz öffnen. Zermürbt vom laufenden Strafverfahren und der Angst, legte der Mann gegenüber seinem «Freund» schliesslich ein Geständnis ab.

Das Bundesgericht hält fest, dass der Einsatz von Ermittlern in einem Fall wie dem vorliegenden grundsätzlich zulässig sei. Ein gewisses Mass an Täuschung sei Teil solcher Operationen und rechtmässig. Auch dürften Aussagen von einer Person erlangt werden, mit denen sie sich selbst belaste.

Eine verdeckte Ermittlung darf laut Bundesgericht jedoch nicht dazu führen, das Recht eines Beschuldigten auf Aussageverweigerung und die Bestreitung von Vorwürfen auszuhebeln, indem die Person zu Aussagen genötigt werde.

«Bösen Geist» bannen

Wie die Zürcher Vorinstanz ist die Strafkammer des Bundesgerichts der Auffassung, dass ein unzulässiger Druck auf den Verdächtigen ausgeübt worden sei. Die Ermittler hätten auf eine Situation hingearbeitet, in der der Verdächtigte ein Geständnis als einzig möglichen Ausweg gesehen habe, um die Gefahr durch den bösen Geist abzuwenden.

Der Mann habe das Geständnis nicht aus eigener Initiative und freien Stücken gemacht, sondern unter grossem psychischen Druck. Der Beweiswert von solchen Geständnissen sei fraglich, schreibt das Bundesgericht. Je nach Mass des ausgeübten Drucks könnten selbst Unschuldige dazu gebracht werden, sich strafrechtlich zu belasten oder gar ein falsches Geständnis abzulegen.