Kirschen, Erdbeeren und Co. Grössenwahn im Obstregal

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28.8.2019

Sind Kirschen so gross wie Baumnüsse bald Standard?
Sind Kirschen so gross wie Baumnüsse bald Standard?
Keystone

Ob Kirschen, Aprikosen oder Kiwi: In Supermarktregalen landen immer grössere Früchte. Was ist der Grund für dieses «Wettrüsten», dessen Ende noch lange nicht in Sicht ist?

Ist das noch eine Clementine? Oder doch schon eine Orange? Immer häufiger lässt sich das nur noch durch den Blick auf das Schild im Supermarkt feststellen. Denn Clementinen werden immer grösser – und nicht nur die: Ob Aprikosen, Erdbeeren, Äpfel oder Kirschen, in den Regalen scheinen immer mehr grosskalibrige Früchte zu landen. Ein subjektiver Eindruck?

Nein, erklärt Jimmy Mariéthoz, Direktor des Obstbauernverbandes, im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» am Beispiel von Kirschen: Vor fast 20 Jahren führten Obstbauern und Detailhandel die «Extra»-Klasse ein, für Kirschen ab einer Grösse von 24 Millimetern. «Die Entwicklung ist auch noch weitergegangen, ein paar Jahre später wurden die ‹Premium›-Sorten eingeführt. Das sind Kirschen ab 28 Millimeter.»

Kleine Früchte taugen bald nur noch für den Kompost

Mittlerweile haben «Extra»- und «Premium»-Kirschen die normalen vom Markt verdrängt: Kirschen, die unter 24 Millimeter gross sind, können Obstbauern ab 2020 wohl nur noch zum Kompostieren nehmen: Vom Handel jedenfalls bekommen sie dafür nichts mehr. «Bei Aprikosen und Zwetschgen haben wir diese Entwicklung auch erlebt, ebenso bei Himbeeren und Erdbeeren», sagt Mariéthoz.

Und wer trägt Schuld daran? Die Konsumenten, sagt Migros-Sprecherin Cristina Maurer: «Wir sehen das, dass bei gewissen Früchten die grosse Form besonders beliebt ist, bei Kiwi, Aprikosen, Avocado zum Beispiel». Jimmy Mariéthoz kann das bestätigen: «Wir sehen das sowohl in den Läden als auch beim Direktvermarkter, dass die Leute etwa bei Kirschen zuerst die mit grösseren Kaliber kaufen.» Selbst verbilligt blieben kleine Früchte in den Läden liegen.

Grösser ist nicht immer besser

Dabei sind grössere Früchte nicht automatisch die besseren, weiss Cristina Maurer: «Bei gewissen Früchten ist Grösse negativ. Bei Trauben, Tomaten oder Citrus-Früchten. Und je grösser Orangen oder Clementinen sind, desto weniger saftig sind sie auch.»

Für viele Obstbauern heisst es nun, ihre alten Hochstammbäume zu fällen und auf die neueren Sorten umzuschwenken, die an kleineren Bäumen gezogen werden. Dabei sind sich Forscher mittlerweile recht einig, dass etwa alte Apfelsorten für Allergiker viel besser verträglich sind als neue.

Dennoch: Jimmy Mariéthoz ist davon überzeugt, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft 3,5 Zentimeter grosse Kirschen kaufen werden. Die Grenze sei erst dann erreicht, wenn die Konsumenten die Grösse einer Frucht unnatürlich finden.

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