Guanziroli am GerichtAusgebremst – Verkehrsrowdy gibt sich als Polizist aus
Von Silvana Guanziroli
12.6.2019
Er drängelt, überholt und provoziert beinahe einen Unfall – ein 37-jähriger Schweizer fühlt sich dennoch im Recht. So sehr, dass er sich gegenüber einer Verkehrsteilnehmerin als Polizist ausgibt. Dafür muss er am Donnerstag vor Gericht.
Diese Fahrt versetzt die Frau am 22. Dezember 2018 in Angst und Schrecken. Es ist gegen drei Uhr nachts, als sie mit ihrem Auto im Zürcher Unterland auf dem Nachhauseweg ist. Obwohl die Lenkerin mit 60 Stundenkilometern fährt, nähert sich von hinten schnell ein Fahrzeug und schliesst gefährlich auf.
Am Steuer des drängelnden Ford Focus sitzt der Zürcher Architekt Roger P.* Für den 37-Jährigen fährt die Frau vor ihm offenbar viel zu langsam. Wiederholt betätigt der Mann die Lichthupe und setzt schliesslich zum Überholen an. Es kommt es zu einem gefährlichen Manöver: Roger P. biegt nur wenige Meter vor dem Wagen der Frau wieder ein und bremst seinen Ford unvermittelt ab. So abrupt, dass die Fahrerin ebenfalls sofort auf das Bremspedal treten muss, um Schlimmeres zu verhindern. In letzter Sekunde kann sie eine Kollision abwenden.
Doch das hält Roger P. nicht von seinem nächsten Schritt ab. Er steigt aus dem Wagen und geht zum Auto. «Kantonspolizei Zürich, Ausweise bitte», sagt er zur Frau. Der Architekt gibt sich unzutreffenderweise als Polizist aus, mit der Absicht, die Lenkerin über ihre Fahrweise zu belehren.
Doch das hat nun Konsequenzen für Roger P. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland hat den Beschuldigten wegen Nötigung, Amtsanmassung, Verletzung der Verkehrsregel und wegen vorsätzlicher grober Verkehrsregelverletzung angeklagt. So schreibt die Behörde in ihrer Anklageschrift: Roger P. habe mit seinem Verhalten leicht eine Kollision verursachen können, und diese «hätte bei der gefahrenen Geschwindigkeit von ca. 50 Stundenkilometern mit hoher Wahrscheinlichkeit zu massiven Verletzungen führen oder aber den Tod von Menschen zur Folge haben können».
Drängler sind ein grosses Problem
Gemäss Anklageschrift handelt es sich beim Verhalten von Roger P. um einen extremen Fall von aggressivem Verhalten im Strassenverkehr. Doch Drängler gibt es auf Schweizer Strassen immer wieder. Tatsächlich ist der ungenügende Abstand eine der häufigsten Unfallursachen. Und das, obwohl eine ganz klare Regel gilt. So fordert das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung einen Abstand von einem halben Tachowert. Bei einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern wären das 50 Meter.
Als weiterer Richtwert kennt jeder zudem die Zwei-Sekunden-Regel, die vom nationalen Fahrlehrerverband empfohlen wird. Dafür fixiert man einen Punkt auf der Fahrbahn oder am Strassenrand. Wenn das vorausfahrende Auto daran vorbeifährt, zählt man «Einundzwanzig, Zweiundzwanzig». Erst dann sollte man selbst den angepeilten Punkt erreichen, sonst ist der Abstand zu gering. Wie nötig genügend Abstand ist, zeigt die folgende Rechnung: Ein Auto, das bei 90 Stundenkilometer abgebremst wird, braucht rund 62 Meter, bis es stillsteht.
Damit man am Steuer erst gar nicht in Stress gerät, gibt der Schweizer Touring Club diese Tipps:
Sich nicht unter Zeitdruck setzen
- Fährt man aggressiv, ist man nicht schneller am Ziel, aber wesentlich gefährlicher unterwegs.
- Wer sich wegen eines Staus verspätet, soll auf einem Rastplatz anhalten und die wartende Person informieren. Das nimmt viel Druck weg.
Nur hinters Steuer setzen, wenn man fit ist
- Müdigkeit, Durst, Hunger oder Stress können zusätzliche Ursachen für aggressives Verhalten im Strassenverkehr sein. Eine Fahrt sollte nur begonnen werden, wenn man fit ist.
- Wer lange Strecken fährt, sollte auf genügend Pausen achten und regelmässig trinken und essen.
Tolerant und geduldig sein
- Ist man anderen gegenüber tolerant, verbessert sich das Verkehrsklima und es kommt zu weniger Unfällen.
- Regelmässiges Sporttreiben führt zu mehr Ausgeglichenheit.
Geldstrafe und Busse
Roger P. muss sich heute für seine aggressive Fahrweise vor dem Bezirksgericht Bülach verantworten. Die zuständige Staatsanwaltschaft fordert eine Geldstrafe von 4'000 Franken.