Verkehrte Welt Kalifornisches Nest führt Schutzzone für Waffenbesitzer ein

AP/phi

5.7.2019

Es klingt wie eine verrückte Idee von Waffennarren. Doch der Widerstand der Menschen in Needles gegen schärfere Gesetze hat auch einige ganz praktische Gründe.

Gerade mal 5'000 Menschen leben in Needles. Und trotzdem erregt das Städtchen in Kalifornien immer wieder Aufmerksamkeit. In John Steinbecks literarischem Epos «Früchte des Zorns» überquerte dort die Farmerfamilie Joad den Colorado. Der Vater der legendären Comic-Serie «Peanuts», Charles Schulz, verbrachte dort seine Kindheit.

Und jetzt hat sich Needles zum Zufluchtsort für Menschen erklärt, die sich von den strengen Waffengesetzen Kaliforniens zu sehr in ihren Grundrechten eingeschränkt sehen. Der Stadtrat des an den Grenzen zu Arizona und Nevada liegenden Ortes beschloss vergangenen Monat einstimmig, den Ort als «Schutzzone für den 2. Zusatzartikel» zu erklären.

Dieser Passus in der Verfassung der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 1791 verbietet der Regierung, das Recht auf Besitz und Tragen von Waffen einzuschränken. Praktische Auswirkungen, wie Waffen in der Stadt behandelt werden, hat der Entschluss zunächst nicht. Allerdings wurde der Rechtsanwalt der Stadt beauftragt, eine Resolution an die kalifornischen Gesetzgeber aufzusetzen, nach der registrierte Waffenbesitzer aus anderen US-Staaten ihre Schusswaffen auch in Needles tragen dürfen.

Schutzzone als Provokation

Die Bemühungen in Needles sind Teil eines nationalen Trends in konservativen Gegenden der USA, die sich gegen strengere Waffengesetze stellen – etwa in Teilen von New Mexico oder Washington.

Das Kaff Needles in Kalifornien will sich abheben vom Rest des Bundesstaates.
Das Kaff Needles in Kalifornien will sich abheben vom Rest des Bundesstaates.
Bild: WikiCommons/Stan Shebs

Der Stadtvorsitzende Tim Terral hat die Entscheidung in Needles vorangetrieben. Er ist sich bewusst, dass das Ausrufen einer Schutzzone für Waffenbesitzer eine Provokation in dem überwiegend liberalen Kalifornien ist, wo sich Städte wie Los Angeles und San Francisco sowie der Staat selbst zu «Schutzzonen» für Menschen erklärt haben, die illegal in dem Land leben.

«Die picken sich die Dinge heraus, denen sie folgen wollen», sagt er. Da würden die einen Personen geschützt und die anderen verfolgt. «Unserer Meinung nach haben sie den 2. Zusatzartikel der Verfassung in vielerlei Hinsicht verletzt.»

«Wir sind ja nicht verrückt»

Die Initiatoren von Needles wollen jedoch nicht, dass ihr Ort an der historischen Route 66 zu einer Pilgerstätte für Waffennarren wird. «Wir sind ja nicht verrückt», sagt Stadtdirektor Rick Daniels lachend. «Wir schlagen nicht vor, dass jeder eine Waffe im Gürtel haben oder so etwas offen herumtragen soll.»

Früher lag Needles verkehrstechnisch gut, doch heute hat der Ort den Anschluss verloren.
Früher lag Needles verkehrstechnisch gut, doch heute hat der Ort den Anschluss verloren.
Bild: WickiCommons/Ken Lund

In erster Linie gehe es der Stadt darum, mehr Besucher zu einem Halt zu bewegen, die auf dem Weg nach Las Vegas und Los Angeles sind. Die sollen keine Angst haben müssen, ins Gefängnis zu wandern, wenn sie mit einer geladenen, aber außerhalb von Kalifornien registrierten Waffe gestoppt würden. Das komme immer wieder vor, sagt Daniels.

Die Stadt Needles will zudem, dass der Staat ein Gesetz nachbessert, das Montag in Kraft getreten ist. Es sieht eine gründlichere Überprüfung der Käufer von Munition vor und verbietet es, Munition aus anderen Staaten nach Kalifornien zu bringen. Gouverneur Gavin Newsom und andere demokratische Spitzenvertreter sagen, das Gesetz rette Leben, weil so nicht registrierte Waffen alias «Geisterpistolen» entdeckt würden.

Grillier-Absage brachte Fass zum Überlaufen

Die meisten Bewohner von Needles kaufen ihre Munition im Nachbarstaat Arizona. Denn der nächste Laden in Kalifornien ist mehr als 150 Kilometer entfernt. Nach dem neuen Gesetz würden sie sich mit einem Kauf in Arizona strafbar machen. Eine weitere Resolution, die am 9. Juli im Stadtrat verabschiedet werden soll, sieht vor, dass der Kauf von Waffen in Nachbarstaaten und die Anerkennung von Waffenscheinen aus anderen Staaten ermöglicht werden soll.

Der Amerikaner liebt Waffen – und Mel Bernstein ganz besonders.

Der Stadtvorsitzende Terral ist nach eigener Aussage seit vielen Jahren Waffenbesitzer. Er schwärmt von der Jagd, auf die er schon mit seinem Großvater gegangen ist. Als Motivation für sein Engagement nennt er die Aussagen von Freunden aus Arizona, die gesagt hätten, sie würden einen Bogen um Needles machen.

«Ich habe sie gefragt: Warum kommt ihr nicht zum Grillieren zu mir? Oder wieso kauft ihr hier nicht das oder das, weil das hier billiger ist?», berichtet er. Die Antwort sei gewesen, dass seine Freunde sich nicht hätten entwaffnen wollen und Kalifornien ihre Waffenscheine nicht anerkenne.

Abgehängt – Needles braucht Schlagzeilen

Needles wurde 1883 gegründet. Einst war es ein boomender Eisenbahnknoten und der Zugang zu Kalifornien. Denn es lag direkt an der Route 66, der Hauptverbindungsader zwischen dem Osten und Westen der USA. Doch dann ließ der Eisenbahnverkehr nach und die neuen Interstate-Schnellstraßen lösten die Route 66 ab. Jetzt ist der Ort, in dem die Temperaturen im Sommer regelmäßig über 40 Grad steigen, auf jeden Dollar angewiesen, den ein Besucher dort lässt.

Waffenrecht im Video erklärt (auf Englisch).

Terry sagt, jeder mit dem er gesprochen habe, unterstütze die Resolution. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur «AP» unter mehr als einem Dutzend örtlicher Geschäftsleute ergab ebenfalls kein einziges Wort des Widerstands gegen die Sache. Nur eine verwies darauf, dass die Formulierung mit der «Schutzzone» etwas irritiere. Doch daran will Daniels ohnehin nicht um jeden Preis festhalten.

«Die Menschen haben gedacht, Terral will jetzt eine Menge illegal Eingewanderter in die Stadt bringen und ihnen Waffenscheine geben», sagt Cheryl Luell. Sie betreibt «The Healing Center», wo man legal Marihuana erwerben kann. Es ist eines der größten Geschäfte in Needles. «Mindestens sieben Menschen habe ich das dann erklärt», sagt sie. «Und wenn man es ihnen erklärt und sie verstehen es, dann sind sie alle dafür.»

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