«Absolutes Recht» Kann Trump sich wirklich selbst begnadigen?

von Anne Flaherty, AP

5.6.2018

Was dürfen US-Präsidenten eigentlich?  
Was dürfen US-Präsidenten eigentlich?  
Keystone

Donald Trump witzelte einmal im Wahlkampf, dass er «mitten auf der Fifth Avenue (in New York City) stehen und jemanden erschiessen» könnte und der Rückhalt seiner Wähler trotzdem kein bisschen bröckeln würde. Die Übertreibung sollte wohl verdeutlichen, wie loyal seine Basis zu ihm steht.

Nun behauptet US-Präsident Trump, er hätte die Macht, sich selbst vor dem Gefängnis zu bewahren, wenn er denn wolle: Er habe «das absolute Recht, sich selbst zu BEGNADIGEN», twitterte er Anfang der Woche. Und diesmal scheint er keinen Scherz zu machen.

Aber auch in der Welt präsidialer Straferlasse gibt es eine grosse Einschränkung. Eine Übersicht über die Fakten und Mythen rund um Begnadidungen:

Was dürfen US-Präsidenten eigentlich?

Gemäss der Verfassung hat der Präsident die Macht, «Strafaufschübe und Begnadigungen» für Verbrechen auf Bundesebene zu gewähren, jedoch nicht auf Ebene der US-Staaten. Das bedeutet praktisch, dass er den vorinstanzlichen Schuldspruch gegen eine Person beiseite wischen kann. Diese Macht, um es mit Trump zu sagen, ist insofern «absolut», als Begnadigungen nicht vom Kongress oder Gerichten aufgehoben werden können.

Nahezu jeder Präsident in der US-Geschichte hat von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, wenn auch in engen Grenzen - etwa um ein Machtwort zu sprechen, wenn aus ihrer Sicht ein krasses Unrecht geschehen ist. Oder wenn sie eine Begnadigung für geboten halten, um politische Spaltungen zu überwinden.

Im 19. Jahrhundert etwa gewährte Präsident Andrew Johnson pauschale Straferlasse für Soldaten, die im Amerikanischen Bürgerkrieg für die unterlegene Armee der Konföderierten kämpften, um nach Kriegsende ganz praktisch zur nationalen Einheit beizutragen. Und der damalige Präsident Gerald Ford sprach 1974 seinem Vorgänger Richard Nixon eine Begnadigung für alle Bundesverbrechen aus, die jener während dessen Präsidentschaft «begangen hat oder haben könnte oder in die er verwickelt gewesen» sein könnte. Die Begründung Fords: Die Nation sei zu «polarisiert» und müsse den Watergate-Skandal um krassen Machtmissbrauch in der Nixon-Ära hinter sich lassen.

Die grosse Ausnahme

Es gibt eine wichtige Ausnahme von der Begnadigungsbefugnis eines Präsidenten, die Trump unerwähnt liess: Fälle der Amtsenthebung. Nach dem US-System der gegenseitigen Kontrolle der Gewalten im Staat darf der Kongress Präsidenten zur Rechenschaft ziehen, indem das Parlament ein entsprechendes Verfahren einleiten kann.

Bisher wurden nur zwei Präsidenten vom Repräsentantenhaus angeklagt, nur um dann allerdings vom Senat gerettet zu werden: Der eben genannte Johnson im Jahre 1868, nachdem er mit dem Kongress in der Streitfrage um den Wiederaufbau der Südstaaten nach dem Krieg aneinandergeraten war. Und 1998 der damalige Präsident Bill Clinton nach Vorwürfen des Meineids und Streifvereitelung rund um seine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky. (Nixon kam übrigens einer Amtsenthebung zuvor, indem er seinen Rücktritt erklärte, ehe es zu einem einschlägigen Votum im Repräsentantenhaus kommen konnte.)

Unterm Strich behält Trump also seine Begnadigungsvollmachten bis zu einer möglichen Amtsenthebung. Und da solche Verfahren in aller Regel stark von parteipolitischen Interessen gesteuert werden, ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass Trump das Weisse Haus räumen muss, solange die Republikaner das Repräsentantenhaus samt Senat kontrollieren.

Begnadigung als politische Waffe

Eine Person muss nicht für schuldig erklärt worden sein, ehe eine Begnadigung ergeht. So war es zumindest in der Iran-Contra-Affäre während Ronald Reagans Amtszeit um geheime Waffenverkäufe an Teheran, deren Einnahmen in der Folge an anti-kommunistische Contra-Rebellen in Nicaragua umgeleitet wurden. Als Sondermittler Lawrence Walsh sich in dem Fall anschickte, Beweise für eine Vertuschung der dubiosen Transfers in höchsten US-Kreisen vorzulegen, blockierte der damalige Präsident George Bush eine Strafverfolgung etlicher Akteure im Skandal per Begnadigungen. Bushs Vorgehen empörte Walsh. Am Ende kosteten dessen jahrelanger Ermittlungen zur Iran-Contra-Affäre 47 Millionen Dollar - und nur eine einzige Person kam ins Gefängnis.

Bush verteidigte die Begnadidungen mit dem Argument, dass «im Zentrum der Ermittlungen ein politischer Streit zwischen der Exekutive und der Legislative über Aussenpolitik» gestanden habe. «Wir müssen Acht geben, solchen verfassungsgemäßen Dispute nicht zu kriminalisieren.» Damit nahm Bush wohl auf den Umstand Bezug, dass der Kongress dem Pentagon und der CIA im Vorfeld der Iran-Contra-Affäre tunlichst verboten hatte, den anti-kommunistischen Rebellen in Nicaragua Hilfe zu leisten.

In diesem Geiste könnte auch Trump versuchen, die Ermittlungen zu möglichen Absprachen zwischen seinem Wahlkampfteam und Russland zu untergraben, indem er einfach jeden begnadigt, den Sonderermittler Robert Mueller anklagt. Insgesamt wurde bereits gegen 19 Personen ein Strafverfahren in der Russland-Affäre angestrengt.

Doch könnten solche Begnadigungen ein Amtsenthebungsverfahren im Kongress lostreten - mit der Begründung, dass Trump versucht habe, die Justiz zu behindern. Doch auch in diesem Fall dürfte ein solches Unterfangen im Kongress zumindest derzeit an Parteigrenzen scheitern.

Könnte der Präsident sich selbst begnadigen?

Bisher hat Trump keine Hemmungen gezeigt, Personen zu begnadigen, die er für unschuldige Opfer von Parteilichkeit hält. Straferlass bekam etwa Joe Arpaio, ein für seine knallharte Hand gegen Häftlinge und Migranten bekannter Ex-Sheriff in Arizona. Der Polizist hatte laut Schuldspruch bewusst Anordnungen zur Gleichbehandlung von Latinos ignoriert. In den Genuss von Trumps Amnestierecht kam zudem Irving Lewis Libby, ein hoher Mitarbeiter in der Regierung von Expräsident George W. Bush, der wegen Meineids und Justizbehinderung in einer Affäre um die als Undercover-CIA-Agentin enttarnte Valerie Plame verurteilt worden war.

Doch könnte sich Trump selbst begnadigen? Es ist nicht sonderlich überraschend, dass sich die US-Gerichte bisher mit einem solchen Szenario nicht beschäftigen mussten. Trumps Rechtsberater Rudy Giuliani sagt, dass es ohnehin nicht dazukommen würde. «Sich selbst zu begnadigen, wäre undenkbar und würde wahrscheinlich zu einer sofortigen Amtsenthebung führen», sagte er in der Sendung «Meet the Press» von NBC. «Und er braucht das nicht tun, er hat ja nichts Falsches getan.»

Laut der Webseite Huffington Post sagte Giuliani zudem, der Präsident sei total immun gegen Strafverfolgung, aber: «Wenn er James Comey erschiesst, wird er am nächsten Tag des Amtes enthoben. Enthebt ihn des Amtes, und dann könnt ihr mit ihm anstellen, was ihr wollt», ergänzte Giuliani. Comey verantwortete als FBI-Direktor die Russland-Untersuchung - bis Trump ihn feuerte.

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