Raubkunst in ZürichLeihvertrag mit Bührle-Stiftung soll im Januar publiziert werden
sda
7.1.2022 - 04:34
Nach der Debatte um die Bilder der Bührle-Stiftung im Kunsthaus Zürich soll der neue Leihvertrag mit der Stiftung noch im Januar veröffentlicht werden. Die Zürcher Stadtpräsidentin ist «klar der Meinung», dass dies «in dieser von Misstrauen geprägten Lage» nötig sei.
sda
07.01.2022, 04:34
07.01.2022, 06:04
SDA/sob
Die Verhandlungen zur Anpassung des Vertrags zwischen den Vertragspartnern würden derzeit laufen, sagte Corine Mauch am Freitag in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung». Die Kunstgesellschaft und die Stiftung Sammlung E.G. Bührle hätten ihr bestätigt, dass das Ganze noch im Januar über die Bühne gehen solle.
Dieser Vertrag solle veröffentlicht werden. Sie sei zudem der Ansicht, dass im Sinne der Transparenz auch der alte Vertrag veröffentlicht werden solle. Das Kunsthaus Zürich und die Bührle-Stiftung hatten bereits beschlossen zu prüfen, ob der Leihvertrag oder Teile davon offengelegt werden soll.
Glaubwürdigkeit wiederherstellen
Die Bührle-Stiftung steht in der Kritik, unter anderem weil der Direktor der Stiftung selber untersucht hatte, ob es sich bei den ausgeliehenen Werken um Raubkunst handeln könnte. Es beseht der Verdacht, dass die Bilder auch Raubkunst aus der Zeit des Nationalsozialismus zu beinhalten: Emil Georg Bührle war durch Waffengeschäfte während und nach dem Zweiten Weltkrieg zum damals reichsten Mann der Schweiz geworden.
Diese stiftungseigene Herkunftsforschung brachte aber zu Tage, dass es bei keinem der Bilder hinreichend begründete Hinweise gibt auf eine problematische Herkunft. Das Kunsthaus Zürich hat nach Aufkommen einer heftigen Debatte darüber und nach einer Forderung der Stadt Zürich beschlossen, dass ein unabhängiges Expertengremium abklären soll, ob die Stiftung ihre Provenienzforschung richtig betrieben und die Ergebnisse korrekt präsentiert hat.
Die unabhängige Überprüfung sei nötig, weil in der öffentlichen Debatte so starke Zweifel im Raum stünden, sagte Mauch im Interview vom Freitag. Die Glaubwürdigkeit müsse wiederhergestellt werden. In die Untersuchung sollen auch auch Kritikerinnen involviert werden, etwa die jüdische Seite. «Idealerweise» soll bis Ende Februar ein Entscheid gefällt, «wie die Evaluation angepackt werden soll», sagte Mauch.
Umgang mit Vergangenheit «gestalten»
Die Stadt habe sich eine Diskussion über die Bilder gewünscht, damit habe man gerechnet, sagte Mauch weiter. Allerdings sei sie überrascht, mit welcher Heftigkeit und Emotionalität sie nun geführt werde. Dass das Kunsthaus die Sammlung aufgenommen habe, hält Mauch aber für richtig. «Es braucht eine Konfrontation mit der Sammlung im Kunsthaus, um uns ernsthaft mit unserer eigenen Verstrickung mit Bührle und Nazideutschland auseinanderzusetzen.» Letztlich könne man die Vergangenheit nicht ungeschehen machen, aber man könne und müsse den Umgang damit gestalten.
Ein Thema ist derzeit die Schenkung der Bildersammlung von der Bührle-Stiftung an die Stadt, damit die Freiheit bei der Auswahl der Bilder grösser ist. Die Alternativen Liste (AL) der Stadt Zürich hat einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Der Stadtrat sei bereit, den Vorstoss entgegenzunehmen, sagte Mauch, «und es soll nun vertieft geprüft werden, was aufgrund der rechtlichen Grundlagen überhaupt zulässig wäre». Und falls eine Schenkung möglich, stelle sich die Frage, die Familie Bührle überhaupt bereit dazu sei.
Mauch will zudem, dass der Vorstand der Kunstgesellschaft – des Trägervereins des Kunsthauses – über den Zeitpunkt der Übergabe des Bührle-Dossiers von Christoph Becker an Ann Demeester «ernsthaft diskutiert». Geplant ist, dass Ann Demeester ab Januar 2023 die Leitung von Christoph Becker übernimmt, bereits jetzt arbeitet sich sich ein.