Vor 100 Jahren geborenIhre letzte Ruhestätte hat Krimimeisterin Patricia Highsmith im Tessin
tmxh/dpa
19.1.2021 - 10:52
Patricia Highsmith begeisterte mit Werken wie «Der talentierte Mr. Ripley» Millionen Menschen weltweit. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte die US-Schriftstellerin in der Schweiz – auch bestattet wurde sie im Tessin. Nun wäre sie 100 geworden.
Eine der grössten Krimiautorinnen der Welt liegt in einem kleinen Schweizer Alpendorf begraben. Über 25 Jahre ist Patricia Highsmith bereits tot, 1995 fand sie ihre letzte Ruhestätte im Tessiner Örtchen Tegna nahe Locarno. Jetzt wäre die US-Schriftstellerin, die ihre 14 letzten Lebensjahre in der Schweiz verbrachte, 100 Jahre alt geworden. Noch immer lesen Millionen Fans ihre Romane – und noch immer erscheint posthum Neues.
Etwa drei Dutzend Romane und Erzählungen hat die vielfach preisgekrönte Autorin geschrieben, darunter die Tom-Ripley-Bücher und die lesbische Liebesgeschichte «Carol». Viele davon wurden verfilmt, auch von Star-Regisseuren wie Alfred Hitchcock («Der Fremde im Zug», 1951) und Wim Wenders («Der amerikanische Freund», 1977). Hollywooderfolge wie «Der talentierte Mr. Ripley» (1999) verschafften den Werken der Texanerin Aufmerksamkeit über den Literaturbetrieb hinaus.
Eigensinnig und öffentlichkeitsscheu
Als Highsmith vor 40 Jahren in die Schweiz zog, galt sie bereits weithin als eigensinnig und öffentlichkeitsscheu. Aufbewahrt sind die Zeugnisse ihrer Biografie – Manuskripte, Tagebücher, Notizen – ebenfalls hierzulande: Highsmith' Nachlass, bestehend aus 50 Regalmetern, findet sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern. Ihre Tagebücher, die diesen Herbst erstmals veröffentlicht werden sollen, könnten möglicherweise bald neue Einblicke in das Leben der Meisterin des subtilen Horrors bieten.
Herausgegeben werden die Notiz- und Tagebücher vom Zürcher Diogenes Verlag, der die Weltrechte an ihrem Werk besitzt. Beleuchten sollen sie das Leben der Autorin von ihren Jahren als Studentin in New York bis zu ihrem Tod 1995 in der Schweiz. Die 56 Notizbücher, die insgesamt 8000 Seiten umfassen, seien laut Verlag von ihrer Lektorin Anna von Planta und dem damaligen Verleger Daniel Keel hinter Bettwäsche und Handtüchern versteckt in ihrem Haus im Tessin gefunden worden.
Schnecken in der Handtasche
Geboren wurde Highsmith 1921 als Mary Patricia Plangman in Forth Worth im US-Bundesstaat Texas. Ihre Kindheit sei eine «kleine Hölle» gewesen, sagte die Autorin später. Die Eltern liessen sich früh scheiden, einige Jahre lebte Highsmith bei einer Grossmutter, dann bei Mutter und Stiefvater in New York.
Nach der Schule studierte sie unter anderem Zoologie und Englisch und begann mit dem Schreiben von Kurzgeschichten. 1950 gelang ihr mit «Zwei Fremde im Zug», der Geschichte vom fast perfekten Verbrechen, bereits der Durchbruch – und die erste Filmvorlage, die Krimispezialist Alfred Hitchcock schon ein Jahr später umsetzte.
Mit dem Geld für die ersten Filmrechte ging sie nach Europa. Highsmith lebte in Grossbritannien und Frankreich, bis sie sich schliesslich in das Alpendorf Tegna bei Locarno im Tessin zurückzog. Sie mied die Öffentlichkeit, arbeitete in Haus und Garten, zimmerte Möbel, zeichnete, malte. Gesellschaft leisteten ihr Katzen – und Schnecken. Kurios: Letztere soll sie dutzendfach auf einem Salatkopf in ihrer Handtasche spazieren getragen haben. Berichten zufolge habe Highsmith die Schnecken bei Partys menschlicher Begleitung vorgezogen.
«Gerechtigkeit und Moral langweilen mich»
Vor allem aber verbrachte die Autorin täglich mehrere Stunden an der Schreibmaschine. So entstanden viele Romane, Kurzgeschichten und Erzählungen abseits der gängigen Krimiklischees. Protagonist Tom Ripley etwa wurde als gewissenloser und doch sympathischer Mörder und Lebenskünstler zu einer der grossen Figuren der modernen Weltliteratur. «Gerechtigkeit und Moral langweilen mich», sagte Highsmith einmal.
Die Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft, bis heute werden immer neue Verfilmungen geplant. Wenige Wochen nach der Vollendung ihres letzten Romans «Small g – eine Sommeridylle» starb Highsmith am 4. Februar 1995 an den Folgen einer Leukämie-Erkrankung und wurde in ihrem kleinen Alpendorf beigesetzt.
«Beim Lesen ihrer Bücher, so verzweifelt und ohne Hoffnung sie auch sein mögen», sagte Autorenkollege Peter Handke einmal, «hat man das Gefühl, im Schutz einer grossen Schriftstellerin zu sein.»