Wegen sexueller Belästigung Muss er hinter Gitter? Cosby-Prozess geht in die zweite Runde

Von Christina Horsten, dpa

1.4.2018

Einst war Bill Cosby Amerikas liebster Fernseh-Papa, inzwischen ist seine Comedy-Karriere längst von dutzenden Vorwürfen sexueller Belästigung überschattet. Ein Prozess platzte, jetzt steht die Neuauflage an - erstmals in Zeiten von #MeToo.

Derselbe Gerichtssaal, derselbe Angeklagte, derselbe Richter - auf den ersten Blick geht der Prozess gegen den US-Entertainer Bill Cosby wegen sexueller Nötigung völlig unverändert in eine zweite Runde. Ein erstes Verfahren war im Juni 2017 abgebrochen worden, nachdem sich die zwölfköpfige Jury auch nach mehr als 60 Stunden Beratung nicht hatte einigen können. Mit der Auswahl einer neuen Jury startet am Montag (2. April) in Norristown im US-Bundesstaat Pennsylvania die Neuauflage. Eine Woche später, am 9. April, ist dann offizieller Prozessbeginn.

Derselbe Gerichtssaal, derselbe Angeklagte, derselbe Richter - tatsächlich werde der zweite Cosby-Prozess sich in einem «völlig anderen Amerika» abspielen, wie es die «New York Times» jüngst formulierte. Einem Amerika, das gerade von der #MeToo-Debatte über sexuelle Belästigung von Frauen durchgeschüttelt wird. Ins Rollen gebracht wurde die Debatte von Vorwürfen gegen Hollywood-Mogul Harvey Weinstein, dessen Karriere dann jäh beendet war.

«Bitte steck' mich nicht in die #MeToo-Schublade»

Cosby weist die Vorwürfe gegen ihn zurück, sagt immer wieder, dass er noch an seine Karriere glaube und hatte jüngst sogar erstmals seit Aufflammen der Vorwürfe gegen ihn einen Auftritt vor Publikum in einem Club in Philadelphia. «Bitte steck' mich nicht in die #MeToo-Schublade», sagte er vor einigen Wochen zu einem Journalisten. Kritiker aber sehen in dem 80-jährigen Comedian einen Lehrbuch-#MeToo-Fall und wollen auch seine Karriere beendet wissen.

Die Neuauflage des Prozesses spiele sich «in einer anderen Ära» ab, sagte Deborah Tuerkheimer, Juristin an der Northwestern University, der «New York Times». «Wie wir Glaubhaftigkeit bewerten, könnte sich kulturell verändert haben. Wir realisieren jetzt, dass Frauen nicht grundsätzlich lügen, wenn sie über sexuelle Gewalt sprechen.» Wie genau sich die #MeToo-Debatte jedoch auf das Verhalten von Richter, Staatsanwaltschaft, Angeklagtem, Jury und Klägerin auswirken wird, wird erst der Prozess zeigen. Nach wie vor geht es um die Frage, ob Cosby die Klägerin Andrea Constand an einem Abend im Jahr 2004 sexuell missbrauchte.

Unabhängig vom Ergebnis des Prozesses dürfte Cosbys Image dauerhaft angekratzt bleiben. Der einst gefeierte Entertainer, der mit der «Bill Cosby Show» weltweit berühmt geworden war, gilt schon lange nicht mehr als Amerikas liebster Fernseh-Papa. Auch die Gesundheit des 80-Jährigen lässt nach, er gilt als so gut wie blind und bewegt sich mit einem Gehstock. Der Entertainer hat nur noch wenige öffentliche Unterstützer, allein seine Familie steht geschlossen hinter ihm. Mit Frau Camille ist er seit mehr als 50 Jahren verheiratet, das Paar hat vier Töchter, von denen eine im Februar im Alter von nur 44 Jahren an einem Nierenleiden starb, und einen Sohn, der 1997 in Los Angeles bei einem Raubüberfall erschossen wurde.

Wie auch immer das Verfahren ende, eines sei sicher, sagt die frühere Richterin Lynne Abraham: «Das ist jetzt der #MeToo-Moment des Cosby-Prozesses.»

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