Nach Tod am FilmsetDie Polizei ermittelt, und Hollywood will etwas ändern
SDA/lmy
7.11.2021 - 00:00
Zwei Wochen nach dem Todesschuss auf dem Set des Western «Rust» gibt es immer noch keine klaren Antworten, die Ermittlungen der Polizei könnten sich hinziehen. Stars sprechen sich derweil dafür aus, keine echten Waffen mehr an Sets zu verwenden.
Keystone-SDA, SDA/lmy
07.11.2021, 00:00
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Wie gelangte scharfe Munition in die Waffe? Wer wird für den Tod der Kamerafrau Halyna Hutchins zur Verantwortung gezogen? War Sabotage im Spiel? Gut zwei Wochen nach dem Todesschuss auf dem Set des Western «Rust» gibt es mehr Fragen und Mutmassungen als klare Antworten. Die Polizei hüllt sich seit Tagen über den Stand ihrer Ermittlungen in Schweigen, dafür melden sich Anwälte, Kameraleute und Schauspieler in Nachrichtenshows zu Wort.
Das tödliche Drama auf der Bonanza Creek Ranch, einem beliebten Western-Drehort in New Mexico, hat Hollywood aufgerüttelt. Am 21. Oktober zückte Hauptdarsteller Alec Baldwin in Westernkluft bei Proben einen Revolver. Doch statt harmloser Patronen löste sich scharfe Munition.
Die Kugel durchbohrte die Chef-Kamerafrau Hutchins (42) und traf dann den hinter ihr stehenden Regisseur Joel Souza (48) an der Schulter. Einem Augenzeugen zufolge sagte Hutchins, als sie blutend auf dem Boden lag: «Das war nicht gut. Das war überhaupt nicht gut.» Die Mutter eines neunjährigen Sohnes starb kurz danach.
Ermittlungen könnten sich hinziehen
Knapp eine Woche später traten der zuständige Sheriff und die Bezirksstaatsanwältin vor die Presse. Unter den Hunderten Schuss harmloser Munition am Set des Low-Budget-Films vermuteten sie scharfe Munition. Weitere Labortests und Befragungen stünden an. Für eine mögliche Anklage, etwa wegen fahrlässiger Tötung, sei es noch zu früh. Die Ermittlungen könnten sich noch Monate hinziehen, hiess es.
Doch das bremst nicht die Flut von Vorwürfen und Spekulationen, was sich am Set abgespielt haben könnte. Im Fokus stehen eine junge Waffenmeisterin und der Regieassistent, der Baldwin den Revolver mit dem Hinweis, die Waffe sei «kalt» – also ohne scharfe Munition – angereicht hatte.
Die Anwälte der 24-jährigen, relativ unerfahrenen Waffenmeisterin gingen jetzt mit einer schlagzeilenträchtigen Behauptung in die Offensive. Jemand könnte eine Kugel mit scharfer Munition in eine Schachtel mit harmlosen Patronen gelegt haben, um den Dreh zu sabotieren, sagte der Anwalt Jason Bowles in der «Today Show».
Es habe unzufriedene Mitarbeiter am Set gegeben, die sich über die Arbeitsbedingungen beschwert hätten. Vorwürfe von Nachlässigkeit am Set hatte die Waffenmeisterin zuvor zurückgewiesen. Sie habe «keine Ahnung», wo die scharfe Munition hergekommen sei.
Chaotische Arbeitsbedingungen
Der Kamera-Assistent Lane Luper, der anfangs bei «Rust» mitwirkte, beschrieb die Arbeitsbedingungen als völlig unsicher und chaotisch. Es habe nie Zeit für Proben und Sicherheitsabsprachen gegeben, sagte Luper am Freitag dem «Hollywood Reporter». Die Waffenmeisterin sei ihm «unglaublich überarbeitet und unerfahren» vorgekommen.
Schon früher bei dem Dreh sei versehentlich ein Schuss losgegangen. Luper und sechs Kollegen hatten aus Protest die Arbeit niedergelegt und das Set verlassen, wenige Stunden, bevor Hutchins tödlich getroffen wurde. Die Behauptung, verärgerte Mitarbeiter könnten absichtlich eine echte Kugel platziert haben, wies er kategorisch zurück.
Der Jurist Naema Rahmani, ein früherer Bundesanwalt, rechnet mit einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Es gäbe so viele Anzeichen dafür, dass die Waffenmeisterin und der Regieassistent grob fahrlässig gehandelt hätten, sagte er dem Filmportal «The Wrap».
«Keine Worte für Schock und Trauer»
Der tragische Vorfall könnte auch Zivilklagen nach sich ziehen. Der Ehemann der getöteten Kamerafrau, Matthew Hutchins, hat sich in Los Angeles einen Anwalt genommen. Aus Rücksicht auf die trauernde Familie würde man zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Angaben machen, teilte die Kanzlei kürzlich der Deutschen Presse-Agentur mit.
Baldwin, der nach Angaben des Sheriff-Büros mit den Behörden voll kooperiert, hatte sich einen Tag nach dem tödlichen Schuss auf Twitter und Instagram geäussert: «Es gibt keine Worte, um den Schock und die Trauer auszudrücken angesichts des tragischen Unfalls, der das Leben von Halyna Hutchins beendet hat.»
Sichtlich mitgenommen, ging er Ende Oktober im US-Bundesstaat Vermont auf Fragen einer Gruppe von Paparazzi ein. Er kritisierte sie dafür, ihm und seiner Familie zu folgen. Zu den Ermittlungen dürfe er sich nicht äussern, so der Schauspieler. Er sei aber «sehr interessiert» an der laufenden Kampagne für eine Beschränkung von Waffen an Filmsets in den USA.
Stars wollen auf echte Waffen verzichten
Diese Debatte kocht nun in Hollywood hoch. Dutzende Regisseure und Kameraleute setzen sich für striktere Sicherheitsprüfungen und ein Umdenken beim Umgang mit Schusswaffen ein. Auch Action-Star Dwayne Johnson (49) stellte sich hinter die Aktion. Er wolle künftig bei all seinen Produktionen auf echte Waffen verzichten und nur noch Gummipistolen verwenden, sagte der Star vor wenigen Tagen am Rand der Premiere seines neuen Films «Red Notice» in Los Angeles.
In der Nachbearbeitung könnte man mit Effekten technisch nachhelfen. Hutchins' Tod habe ihn sehr erschüttert, betonte Johnson im Interview mit dem Filmblatt «Variety». Die Branche sollte innehalten und ernsthaft prüfen, wie man gemeinsam weitermachen könne.
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