ProzessNoch kein Urteil im Tötungsdelikt mit Regenschirm in Mels SG
masn, sda
2.2.2024 - 14:24
Das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland in Mels SG hat am Freitag noch kein Urteil gesprochen im Fall um ein Tötungsdelikt an der Fasnacht 2022. Nach Ansicht der Richter muss ein erneutes Gutachten die Schuldfähigkeit des jungen Mannes und offene Fragen klären.
02.02.2024, 14:24
02.02.2024, 16:23
SDA
Ein neues Gutachten muss drei zentrale Punkte klären, wie der vorsitzende Richter am Freitag erklärte. Im bisherigen Gutachten stehe etwa, dass sich der Beschuldigte Alkohol nicht gewohnt gewesen sei.
Daran zweifeln die Richter unter anderem wegen eines Videos. In diesem sei zu sehen, wie der Beschuldigte eine Flasche Wein auf einmal leer getrunken habe. Auch habe er selber in Befragungen angegeben, regelmässig betrunken gewesen zu sein.
Ebenfalls hinterfragte das Gericht, inwiefern das Verhalten des Beschuldigten vor und nach der Tat als «ungewöhnlich» einzustufen sei.
Mit Regenschirm tödlich verletzt
Bei dieser Tat soll ein damals 19-Jähriger einen 45-jährigen Italiener durch Stiche mit einem Regenschirm tödlich verletzt haben. Zuvor war es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen.
Der vorsitzende Richter verwies auf einen Zeugen, der das Verhalten des Beschuldigten in der besagten Nacht als «normal» beschrieben hatte. Auch war er gemäss Zeuge nicht sonderlich berauscht. Zudem habe der junge Mann nach der Tat zwei Mal den Notruf gewählt. «Auch das spricht für eine adäquate Reaktion auf die Tat», so der vorsitzende Richter.
Gutachter ist gestorben
Die dritte Frage, die der Richter ausführte: «Inwiefern kann die alkoholbedingte Wahrnehmungsstörung die Tötungshandlung erklären?» Der Beschuldigte sagte am ersten Prozesstag am Donnerstag vor Gericht, dass er sich bedroht gefühlt habe. Nach Ansicht der Richter mag dieses subjektive Empfinden zwar erklären, dass sich der junge Mann gewehrt hatte. Nicht aber, warum er auf den bereits wehrlosen 45-Jährigen nochmals eingeschlagen habe.
«Ein Gutachten, das besagt, dass die Steuerungsfähigkeit komplett aufgehoben war, muss vollständig nachvollziehbar sein», erklärte der vorsitzende Richter. Weil dies nach Ansicht des Gerichts nicht der Fall ist, brauche es ein neues Gutachten. Der Psychiater, der das aktuelle Gutachten angefertigt hatte, könne nicht mehr befragt werden, um die offenen Fragen allenfalls noch zu klären. Er ist gestorben.
«Wir sind uns bewusst, dass das Warten auf das neue Gutachten eine grosse Belastung ist», so der Richter weiter. Unter anderem den Angehörigen des Opfers sei man ein neues Gutachten aber schuldig.
Die Frage nach den K.O-Tropfen
Auch sei zu klären, ob allenfalls noch weitere Substanzen abgesehen von Alkohol bei der Tat eine Rolle gespielt haben. Diesen Punkt brachte die Verteidigerin an der Verhandlung am Donnerstag auf. Die Anwältin vermutete eine andere Substanz, etwa K.O-Tropfen.
«Fakt ist, der Beschuldigte befand sich in einem völlig abnormalen Zustand, den er vorher noch nie erlebt hatte», sagte die Anwältin am Donnerstag. In seiner Wahrnehmung habe der Beschuldigte um sein Leben gekämpft. Alkohol habe er auch bei früheren Gelegenheiten konsumiert. Noch nie sei er aber aggressiv geworden.
Der Beschuldigte selbst, der mittlerweile Rechtswissenschaften studiert, hatte am Donnerstag von Erinnerungslücken gesprochen. «Nein, ich habe keine Erklärung für meine Handlungen», antwortete der junge Mann damals auf eine Frage eines Richters. Noch nie zuvor habe er einen solchen «Blackout» gehabt. «Ich muss damit umgehen. Es ist extrem schlimm, es tut mir leid und es belastet mich sehr.»
Der Opferanwalt zweifelt
Am ersten Prozesstag sprach der Jus-Student zudem von einer «panischen Angst», die er gehabt habe. Dies, weil das Opfer ihm gegenüber aggressiv geworden sei. Der 45-Jährige habe ihn ans Geschlechtsteil gefasst und am Verlassen eines Zimmers oberhalb eines Restaurants gehindert. In diesem Zimmer waren die beiden während der Fasnacht aufeinandergetroffen. Zudem habe ihm der Italiener ins Gesicht geschlagen.
Der Opferanwalt hatte die Aussagen des Verurteilten und seiner Anwältin am Donnerstag ebenfalls bezweifelt. Unter anderem wegen einer Aussage einer Zeugin, die den jungen Mann vor der Tat als «ruhig» beschrieb. Die Zeugin will auch beobachtet haben, dass er für eine gewisse Zeit keine alkoholische Getränke zu sich genommen hat.
Die Staatsanwaltschaft geht von 1,2 bis maximal 2,1 Promille Alkohol beim Beschuldigten aus. Wegen des hohen Alkoholgehalts im Blut sei er nicht schuldfähig, so die Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte sei zur Tatzeit wegen seines Alkoholkonsums nicht zurechnungsfähig gewesen. Dass es soweit gekommen sei, habe er selber verschuldet, sagte der Staatsanwalt weiter. Er forderte am Donnerstag eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
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