BestsellerOb Enthüllung oder Huldigung – Trump sells
Von Philipp Dahm
13.9.2020
Seit Donald Trumps Amtsantritt vor 188 Wochen ist täglich ein Buch über den Präsidenten und seine Administration erschienen. Nach seinem Fixer Cohen ist nun Watergate-Journalist Bob Woodward dran.
Wenn man die Zahlen liest, denkt mancher bestimmt, dass da ein Fehler passiert seinen muss.
Sicher, dieser Tage werden gefühlt andauernd irgendwelche neuen Bücher über Donald Trump vorgestellt – aber dass seit seinem Amtsantritt am 20. Januar 2017 jeden Tag quasi ein neuer Schmöker über den Präsidenten und seine Administration erschienen ist, scheint unmöglich. Wir sprechen immerhin von 188 Wochen.
Aber wenn das honore Magazin «Time» die Quelle ist, die von mehr als 1'200 entsprechenden Werken berichtet, die seitdem 20. Januar 2017 publiziert worden sind, darf man davon ausgehen, dass die Angaben stimmen. Und je näher der Wahltermin am 3. November kommt, desto mehr verdichten sich die Neuerscheinungen, weil die Autoren die Aufmerksamkeit nutzen wollen, um Kasse zu machen.
Das gilt übrigens nicht nur für die zahlreichen Enthüllungsbücher, sondern auch für jene Schreiber, die dem US-Präsidenten wohl gesonnen sind. So hat es auch Donald Trump Jr. gerade mit «Liberal Privilege: Joe Biden And The Democrats' Defense Of The Indefensible» kurzzeitig in die Amazon-Verkaufscharts geschafft, weiss «Forbes».
Vorbild Wladimir
Ganz oben steht dort derzeit jedoch «Disloyal: A Memoir: The True Story of the Former Personal Attorney to President Donald J. Trump» – die Abrechnung von Michael Cohen, dem früheren Fixers des Präsidenten. Trump habe Putin verehrt, weil er den Kremlchef fälschlich für den reichsten Mann der Welt gehalten habe, berichtete die «Washington Post».
Auch habe Trump laut Cohen imponiert, wie Putin als Alleinherrscher das Land führe. Dessen Fähigkeit, von der Presse bis hin zu den Geldinstituten alles zu kontrollieren, habe ihn beeindruckt. Der 74-Jährige habe zudem gehofft, einen Trump Tower auf dem Roten Platz in Moskau errichten zu können.
«Nennen Sie mir ein einziges Land, das von einer schwarzen Person regiert wird, und das kein Scheissland ist. Sie sind alle völlig fürs Klo», soll Trump laut Cohen mit Blick auf Barack Obama, aber auch Südafrikas Ex-Präsidenten gesagt haben: Nelson Mandela sei «kein guter Führer» gewesen, sondern habe das Land nach Ende der weissen Diktatur 1994 heruntergewirtschaftet. Der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) reagierte empört.
«Wann wurde die denn so heiss?»
Während das Weisse Haus den Autor – wie bei allen Enthüllungsbüchern – als Lügner darstellt, der abkassieren wolle, bezeichnet Cohen Trum als einstige Vaterfigur, für die er selbst heute noch Zuneigung empfinde. Das ist schwer verständlich, wenn man bedenkt, was der Präsident 2012 gesagt haben soll, als er im Golfclub in New Jersey Cohens 15-jährige Tochter erspähte: «Wann wurde die denn so heiss?»
Den vielleicht grössten Wirbel um den Mann im Weissen Haus hat in jüngster Zeit die Familiensaga seiner Nichte gemacht: Obwohl Mary Trumps «Too Much and Never Enough» bereits Mitte Juli erschienen ist, hält es sich immer noch in den Top 20 von Amazon. Rang elf belegt «Melania and Me: The Rise and Fall of My Friendship with the First Lady» von Stephanie Wolkoff.
Doch auch die Unterstützer des Republikaners surfen auf der Welle mit: Trumps Ex-Sprecherin Sarah Huckabee Sanders rangiert mit «Speaking for Myself: Faith, Freedom, and the Fight of Our Lives Inside the Trump White House» auf Rang 13, während es «Fox»-Star Sean Hannity mit «Live Free Or Die: America (and the World) on the Brink» sogar auf Platz fünf schafft.
Bestseller schon vor der Auslieferung
Auf Rang acht liegt ein Buch, das noch gar nicht ausgeliefert wird: Am 15. September kommt «Rage» von Bob Woodward in die Läden. Der Watergate-Journalist und zweifacher Träger des Pulitzer-Preises soll kein gutes Haar an Trump lassen – vorerst wurden 1,3 Millionen Exemplare seiner Abrechnung gedruckt.
«Rage» kommt gerade noch rechtzeitig, um möglicherweise noch Einfluss auf jene Wähler zu nehmen, die per Briefwahl abstimmen: In den ersten US-Bundesstaaten ist das jetzt bereits möglich. Doch andererseits haben sich durch die permanente Polarisierung in der US-Politik viele ihr Urteil schon gebildet: Dass drei Autoren diesen Urnengang tatsächlich mitentscheiden könnten, wie «CNN» gerade postuliert, scheint fraglich.
Fest steht nur: Trump sells. Sowohl die Bücher über ihn verkaufen sich gut, als auch jene, die von der Familie geschrieben werden. Donald Trump Jr. hat sein Erstlingswerk» erst im November rausgebracht – und trotz vernichtender Kritik ging «Triggered: How the Left Thrives on Hate and Wants to Silence Us» seither rund 290'000-mal über den (virtuellen) Ladentisch.
Man muss kein Hellseher sein, um vorherzusagen, dass auch nach dem 3. November wieder viele Bücher über Trump in Anlauf genommen werden. Egal, wer die Wahl gewinnt.