Solothurner Literaturtage Online-Literaturtage: über den Erwartungen

SDA

24.5.2020 - 16:42

Geschäftsführerin Reina Gehrig (links) an der Eröffnung der 42. Solothurner Literaturtage, mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (Mitte) und der Autorin Simone Lappert (rechts): Am Sonntag nun ist diese Ausgabe zu Ende gegangen – und Gehrig verabschiedet sich. Sie wechselt zu Pro Helvetia.
Geschäftsführerin Reina Gehrig (links) an der Eröffnung der 42. Solothurner Literaturtage, mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (Mitte) und der Autorin Simone Lappert (rechts): Am Sonntag nun ist diese Ausgabe zu Ende gegangen – und Gehrig verabschiedet sich. Sie wechselt zu Pro Helvetia.
Source: Keystone/ADRIAN REUSSER

Die 42. Ausgabe der Solothurner Literaturtage ist am Sonntag zu Ende gegangen. Die scheidende Geschäftsführerin Reina Gehrig zieht eine positive Bilanz – nicht nur was die Zahlen anbetrifft. Ein Gespräch.

Die 42. Solothurner Literaturtage waren ein Experiment. Das Coronavirus hat die Werkschau für schweizerisches Literaturschaffen ins Netz gedrängt. Und: Statt der üblichen drei Tage über das Auffahrtswochenende hat die aktuelle Ausgabe zehn Tage gedauert.

Während der zwei Tage des Auffahrtswochenendes habe es über 10'000 Zugriffe auf die Live-Veranstaltungen und die Beiträge der Autorinnen und Autoren gegeben; von jeweils rund 150 bis 250 Geräten seien die Veranstaltungen gleichzeitig verfolgt worden, teilten die Solothurner Literaturtage am Sonntag mit. In den gesamten zehn Tagen hätten 21'000 unterschiedliche Besucherinnen und Besucher «den Weg zur Onlineplattform literatur-online.ch gefunden», heisst es in der Mitteilung weiter.

«Technisch hat es funktioniert»

Die Veranstalter wollen aber den Erfolg nicht in erster Linie von Zahlen und der Form der diesjährigen Ausgabe abhängig machen. Geschäftsführerin Gehrig nennt gegenüber Keystone-SDA drei Faktoren: «Wir haben das Publikum erreicht, es ist konstant dabei geblieben – das heisst: wir waren attraktiv.» Zudem seien die Rückmeldungen der Autorinnen und Autoren durchwegs positiv gewesen; Gehrig verweist beispielsweise auf Zsuzsanna Gahse, Christoph Höhtker, Tom Kummer oder Dragica Rajcic Holzner. Und: «Technisch hat es funktioniert – mit ganz kleinen Ausnahmen.»

Gehrig räumt aber ein: «Natürlich war dieses Jahr die Form das Aufregende, die Frage 'wie schaffen die das?'. Aber für die Teilnehmenden stand der Inhalt im Fokus.» Sie verweist vorab auf das Logbuch, jenen Teil der Literaturtage, der den eigentlichen Life-Veranstaltungen vorangegangen ist. Seit 14. Mai haben Autorinnen und Autoren dort ihre Bücher präsentiert in sehr unterschiedlichen Text-, Bild- oder Videobeiträgen.

Die Aufenthalte auf der Website seien lang gewesen, die Besucherinnen hätten sich treiben lassen von einem zum anderen Beitrag, so Gehrig. Hier mag sich zeigen, dass das Publikum der Solothurner Literaturtage zum grössten Teil aus ausgesprochenen Literatur-Aficionados besteht und aus Profis.

Auch aus der Perspektive der Veranstalter steht die Werkschau nicht für die Quotenrenner, jene Autorinnen und Autoren, die am häufigsten in den Medien auftauchen. Der Anspruch ist vielmehr, den Literatur-Jahrgang 2019/20 abzubilden und dabei vor allem jene, die unterzugehen drohen. «Im letzten Jahr wurden 350 Bücher geschrieben; ihnen allen geben wir die gleiche Chance, wir lesen alle und wählen die Interessantesten aus, die wir dann einladen», sagt Gehrig. «So verstehen wir das Label 'Werkschau'.»

Kein «Corona-Festival»

Dabei ist bemerkenswert, dass die aktuelle Ausgabe «kein Corona-Festival» gewesen sei. Im Rahmen des Logbuchs haben die Veranstalter die Autorinnen und Autoren neben den Buchpräsentationen um Zusatztexte gebeten. «Bei diesen Texten hat die Covid 19-Pandemie nur am Rande eine Rolle gespielt», sagt Gehrig. Und sie verweist auf das Podium «Literatur und Moral» vom Freitagabend. Lukas Bärfuss, Nora Gomringer und Sandra Künzi haben dort über Ethos, Ästhetik und Haltung in der Literatur diskutiert. «Corona war nur ein Thema unter mehreren – etwa unter dem Aspekt, was von Literatinnen und Literaten erwartet wird.»

Für Reina Gehrig geht mit diesen 42. Solothurner Literaturtagen nun ein Lebensabschnitt zu Ende. Die 37-Jährige hat im Herbst 2013 die Co-Leitung der Solothurner Literaturtage übernommen und war in einem Dreiergremium verantwortlich für die Durchführung und Organisation. 2015 wurde sie alleinige Geschäftsführerin. Ihre Spuren hinterlässt sie, weil sie erfolgreich die Bereiche «Spoken Word» und «Übersetzung» in die Literaturtage integriert und dem Nachwuchs mit neuen Formaten wie dem «Skriptor» eine innovative Plattform geboten hat. Im kommenden August wird sie zur Kulturstiftung Pro Helvetia wechseln und auch dort die Literatur vertreten.

Im Gespräch mit Keystone-SDA am Sonntag zeigt sie sich traurig – trotz oder gerade wegen des Erfolgs der zu Ende gegangenen Werkschau: «Es war eine aufregende und emotionale Ausgabe – die letzte mit einem guten Team», sagt sie. Und: Das Echo auf diese aussergewöhnlichen Literaturtage habe gezeigt, «wie wichtig die Werkschau für die Szene ist». Zuversichtlich fügt sie an: «Das werde ich in meine neue Aufgabe mitnehmen.»

Die nächsten Solothurner Literaturtage werden vom 14. bis 16. Mai 2021 stattfinden – dann unter der Geschäftsleitung von Gehrigs Nachfolger Dani Landolf.

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