Anschlag auf Weihnachtsmarkt So knapp entkam der Strassburg-Attentäter der Polizei

SDA/sob

13.12.2018 - 12:10

Nach dem schweren Terroranschlag in Strassburg macht die Polizei in Frankreich und Deutschland Jagd auf den Attentäter. Die Schweiz verstärkt die Kontrollen an der nördlichen Grenze.

Der polizeibekannte Gefährder Chérif Chekatt war am Dienstagabend auf der Flucht vor der Polizei von Soldaten verletzt worden und schliesslich spurlos verschwunden. «Der Terrorismus hat erneut unser Gebiet getroffen», sagte der Pariser Antiterror-Staatsanwalt Rémy Heitz. Zeugen hätten den Angreifer «Allahu Akbar» (Allah ist gross) rufen hören.

Dabei hätte der Anschlag verhindert werden können. Stunden vor der Tat wollte die Polizei den Attentäter verhaften. So hat sie am Dienstagmorgen die Wohnung von Chekatt aufgesucht, um ihn und drei weitere Komplizen in Gewahrsam zu nehmen. Der Attentäter befand sich zu dem Zeitpunkt in der Wohnung, konnte jedoch vor den Beamen flüchten. Das berichtet die «Bild»-Zeitung und zitiert dabei aus Sicherheitskreisen.



Der Täter entkam mit einem Taxi, liess sich vom Taxifahrer etwa zehn Minuten chauffieren und stieg dann aus. Mit einem Grossaufgebot hatten Beamten in und um die elsässische Metropole und an der nahe gelegenen Grenze zu Deutschland versucht, den Angreifer zu stoppen – ohne Erfolg. Chérif Chekatt blieb bis am Donnerstagmorgen verschwunden.

Chekatt hatte am Dienstagabend mitten in der Weihnachtssaison das Feuer in der Strassburger Innenstadt eröffnet. Zwei Menschen wurden getötet, ein Opfer ist hirntot, zwölf weitere Menschen wurden verletzt.

«Bitte nicht selbst eingreifen»

Die französische Polizei veröffentlichte ein Fahndungsfoto des Attentäters samt Täterbeschreibung. Auch die Schweizer Bundespolizei verbreitete auf Twitter den Aufruf der Police National. Die Polizei sucht Zeugen.

«Greifen Sie auf keinen Fall selber ein»: Die französische Polizei warnt vor dem mutmasslichen Attentäter von Strassburg.
«Greifen Sie auf keinen Fall selber ein»: Die französische Polizei warnt vor dem mutmasslichen Attentäter von Strassburg.
Screenshot Twitter

In dem Aufruf heisst es: «Der Mann ist gefährlich, bitte nicht selbst eingreifen.» Der Gesuchte sei 29 Jahre alt, 1.80 Meter gross, habe kurze Haare, sei vielleicht Bartträger und habe eine Narbe auf der Stirn. Der mehrfach Vorbestrafte soll sich im Gefängnis radikalisiert haben. Der gebürtige Strassburger mit nordafrikanischen Wurzeln sass in Deutschland und wegen Raub- und Einbruchsdelikten auch in Basel in Haft.

Das französische Innenministerium schloss nicht aus, dass der Täter nach Deutschland geflüchtet sein könnte. Gesucht werde auch der Bruder des Attentäters.

Schweiz verstärkt Kontrollen

Die Schweizer Bundespolizei schrieb per Twitter, die nördliche Grenze werde stärker kontrolliert. Die Grenzwacht habe die Sicherheitsvorkehrungen nach entsprechenden Informationen aus Frankreich erhöht, erklärte Cathy Maret, Mediensprecherin beim Bundesamt für Polizei (Fedpol), gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS.

Trotz seiner Delikte in der Schweiz habe es für die Schweizer Behörden keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund gegeben, sagte Maret. Der Mann habe in Basel eine mehrmonatige Gefängnisstrafe abgesessen.

Die Kantonspolizeien Zürich, Luzern und St. Gallen liessen auf Anfrage verlauten, dass sie die Lage laufend analysierten und Neubeurteilungen durchführten. Allfällige Änderungen würde aber aus polizeitaktischen Gründen nicht kommuniziert.

Mysteriöser Anruf aus Deutschland

RBB-Inforadio berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, Chekatt sei unmittelbar vor der Tat aus Deutschland angerufen worden. Er habe den Anruf jedoch nicht angenommen. Unklar sei, wer ihn angerufen habe und warum. Dieser Frage gehen deutsche Ermittler nun intensiv nach, wie der Sender weiter berichtete.

Unklar ist, ob der Angreifer sich noch in der Elsass-Metropole aufhält. Daher bleibt auch der Weihnachtsmarkt heute Donnerstag noch geschlossen. Der örtliche Präfekt habe festgestellt, dass die Sicherheitsbedingungen bisher nicht erfüllt seien, denn der Tatverdächtige sei noch nicht gefasst. Das sagte Strassburgs Bürgermeister Roland Ries im Nachrichtensender BFMTV.

Das kulturelle Leben mit Konzerten und anderen Veranstaltungen solle – soweit wie möglich – wieder anlaufen. Der Weihnachtsmarkt, eine bekannte Touristenattraktion, war bereits am Mittwoch geschlossen.

Anti-Terror-Soldaten aufgeboten

Die französische Regierung verstärkt ausserdem die Soldaten im Anti-Terror-Einsatz – rund 1300 weitere Soldaten sollen sich in den kommenden Tagen der sogenannten Operation Sentinelle (Wache) anschliessen, wie Premierminister Édouard Philippe am Mittwochabend ankündigte. Dabei handelt es sich um eine Einsatztruppe, die nach dem islamistischen Anschlag auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo» im Januar 2015 ihre Arbeit aufnahm.

«Radikalisierter Islamist»

Der Attentäter stand in Frankreich wegen des Verdachts religiöser Radikalisierung unter Beobachtung. Nach Geheimdienstangaben galt er dort als Sicherheitsrisiko. Eine auf Islamisten spezialisierte Internet-Beobachtungsgruppe in den USA erklärte, Anhänger der Miliz Islamischer Staat (IS) würden den Anschlag feiern. Bislang hat sich keine Organisation zu dem Anschlag bekannt.

Frankreichs Vize-Innenminister Laurent Nuñez erklärte, der Verdächtige sei mehrmals im Gefängnis gewesen, zuletzt Ende 2015. Nach Angaben des BKA wurde der mutmassliche Attentäter 2017 aus Deutschland nach Frankreich ausgewiesen. «Er war französischen Sicherheitsbehörden bekannt als radikalisierter Islamist», teilte die deutsche Behörde mit.

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