Beschattungsaffäre Finma wirft Credit Suisse schwere Aufsichtsrechtsverletzungen vor

SDA

19.10.2021 - 23:40

Musste wegen der Beschattungsaffäre bereits seinen Posten räumen: Tidjane Thiam, ehemaliger CEO der  Credit Suisse.
Musste wegen der Beschattungsaffäre bereits seinen Posten räumen: Tidjane Thiam, ehemaliger CEO der  Credit Suisse.
KEYSTONE

Die Finma weist die Credit Suisse im Fall der Beschattungen von Iqbal Khan scharf zurecht: Die Bank habe schwere Aufsichtsrechtsverletzungen begangen. Zudem muss die CS bei einem Vergleich im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal in Mosambik Strafzahlungen von fast einer halben Milliarde Dollar akzeptieren.

19.10.2021 - 23:40

Eine Untersuchung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma listet schwere Versäumnisse der Bank im Zusammenhang mit der Beschattung eines einstigen Top-Managers durch Privatdetektive auf. Bei der CS habe es gravierende organisatorische Mängel gegeben, teilte die Finma am Dienstagabend mit. Die Behörde hat deshalb Massnahmen gegen die Bank verfügt, zwei Personen gerügt und Verfahren zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts (Enforcementverfahren) gegen drei weitere Personen eröffnet.

«Die Finma-Untersuchung zeigte, dass die Credit Suisse im Zeitraum zwischen 2016 und 2019 sieben Observationen plante und grösstenteils durchführte. Observiert wurden in zwei Fällen Mitglieder der Geschäftsleitung in der Schweiz und daneben weitere damalige Mitarbeitende und Drittpersonen im Ausland», schreibt die Finma.

Die CS hatte ihren früheren Star-Manager Iqbal Khan vor seinem Wechsel zur UBS durch Detektive überwachen lassen. Zudem wurde der ehemalige Personalchef Peter Goerke observiert. Die Beschattung flog auf und führte dazu, dass verschiedene Führungskräfte die Bank verlassen mussten – auch Konzernchef Tidjane Thiam.



Erhebliche Mängel

Die Art und Weise der Planung und Durchführung der Observationen zeigte erhebliche Mängel in der Corporate Governance der Bank auf, stellte die Finma fest: «So waren Observationen in den Weisungen der Credit Suisse zwar nicht verboten, aber auch nicht spezifisch geregelt. Entsprechende Risikomanagementprozesse und damit die Einbettung in das interne Kontrollsystem fehlten. In den meisten Fällen wurde formlos und ohne nachvollziehbare Begründung über die Observationen entschieden.»

Es seien keine dokumentierten Abwägungen der mit der Observation zusammenhängenden Risiken vorgenommen worden. Die Reputationsrisiken seien für die Credit Suisse schliesslich eingetreten, als die Affäre aufgeflogen sei und im In- und Ausland zu grossen Schlagzeilen und einer Welle von Kritik geführt habe.

«Schliesslich wurden die Observationen oder deren Hintergründe verschleiert. Entgegen den bankinternen Weisungen wurden etwa externe Kommunikationsmittel (Text-Messaging-Dienste) eingesetzt», schrieb die Finma. Sodann seien Drittanbieter dazwischengeschaltet oder rudimentär gehaltene Rechnungen für angefallene Kosten gestellt und beglichen worden. «In einem Fall wurde eine Rechnung nachträglich abgeändert, um die Kosten für eine Observation zu kaschieren», erklärte die Finanzmarktaufsicht.

Keine angemessene Organisation

«Im Ergebnis verfügte die Credit Suisse damit im betroffenen Sicherheitsbereich über keine angemessene Organisation im Sinne des Schweizer Bankengesetzes. Sie bot hier im massgeblichen Zeitraum auch keine Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit», urteilte die Finma.

Die Credit Suisse habe bereits diverse organisatorische und operationelle Massnahmen in den Bereichen der Sicherheit und der Kommunikationsmittel getroffen. «Die Finma betrachtet diese Massnahmen grundsätzlich als geeignet, viele der festgestellten Mängel zu beheben, hat aber zusätzliche Massnahmen angeordnet. So verpflichtet sie die Bank, ein neues internes Reporting aufzubauen, mit dem die Geschäftsleitung den Verwaltungsrat oder einen seiner Ausschüsse kontinuierlich über wichtige Governance-Themen informiert.»

Zudem müssten allfällige Observationen von der obersten Führungsebene (CEO und VR-Präsidium) genehmigt werden, womit künftig die Verantwortung klar, schnell und dokumentiert zugeordnet werden könne. Weiter müsse die Bank Massnahmen ergreifen, um geschäftsrelevante Kommunikation nachvollziehbar zu dokumentieren. «Die Finma wird überprüfen lassen, ob die Massnahmen umgesetzt und die Mängel so behoben werden», hiess es.

Bei den gegen drei Personen eröffneten Verfahren zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts schrieb die Finma, dass sie «in diesen Verfahren den Wissensstand, das Verhalten, inklusive Auskunftsverhalten gegenüber der Finma, sowie die individuelle Verantwortlichkeit dieser Personen im Zusammenhang mit den festgestellten Gesetzesverletzungen der Bank vertieft untersuchen» werde.

Fortschritt im Fall Mosambik

Am Dienstag wurden zudem Fortschritte in einem anderen Skandal, in den die CS verwickelt ist, bekannt gegeben: Die Grossbank hat eine aussergerichtliche Einigung mit den amerikanischen, britischen und Schweizer Aufsichtsbehörden im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre in Mosambik getroffen. Dies teilte das US-Justizministerium am Dienstagabend mit. Dafür wird die Strafverfolgung für drei Jahre ausgesetzt. Diese angeblichen Gesetzesverstösse kommen die CS teuer zu stehen. Sie habe einem Vergleich in Höhe von 475 Millionen Dollar zugestimmt.

Die CS hat Strafzahlungen in Höhe von 475 Millionen Dollar akzeptiert, wie die US-Börsenaufsicht SEC ihrerseits mitteilte. Davon gingen rund 275 Millionen an das US-Justizministerium (Department of Justice) und die SEC «unter Berücksichtigung verschiedener Erleichterungen infolge von Überschneidungen bei den Strafzahlungen», erklärte die Credit Suisse in einer Stellungnahme.

Zudem bezahlt die Grossbank eine Busse von 200 Millionen Dollar an die britische Finanzmarktaufsicht Financial Conduct Authority (FCA). Darüber hinaus hat die Bank mit der FCA vereinbart, Mosambik Schulden in Höhe von 200 Millionen Dollar zu erlassen.



Milliardenkredite zweckentfremdet

Bei der Korruptionsaffäre ging es um zwei vom Staat Mosambik garantierte Kredite aus dem Jahre 2013 von insgesamt einer Milliarde Dollar an zwei mosambikanische Staatsgesellschaften, die ProIndicus S.A. (ProIndicus) und die Empresa Moçambicana de Atum S.A. (EMATUM). Mit diesen Krediten, die fast sechs Prozent des Bruttoinlandproduktes von Mosambik ausmachten, sollten vor allem Küstenwachschiffe sowie eine Thunfischfangflotte finanziert werden.

Dabei habe die Grossbank Hinweise auf Zweckentfremdung der Kreditgelder gehabt und schwer gegen die Meldepflicht von Geldwäscherei verstossen, stellte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma fest. Zudem habe die Credit Suisse schwer gegen das Organisationserfordernis verstossen.

Die CS bekannte sich im Vergleich mit dem US-Justizministerium der Verschwörung zum Überweisungsbetrug schuldig. Zwei ehemalige CS-Manager hatten sich bereits 2019 der Geldwäscherei für schuldig bekannt.

SDA