Im März 2019 hat eine Seniorin in Basel einen siebenjährigen Schüler ermordet. Am 10. August muss sich die 76-jährige, mutmasslich psychisch kranke Täterin für den minuziös geplanten Mord vor dem Basler Strafgericht verantworten.
Die Bluttat sorgte landesweit für Bestürzung und Fassungslosigkeit: Am 21. März 2019, kurz vor 12.40 Uhr, wurde am St. Galler-Ring im Gotthelf-Quartier in Basel ein siebenjähriger Schüler auf dem Heimweg niedergestochen. Der Bub erlag seinen schweren Verletzungen.
Die mutmassliche Täterin ist eine heute 76-jährige Schweizerin. Heimtückisch und in direkter Tötungsabsicht hat sich die Seniorin dem ihr unbekannten Kind von hinten genähert, wie aus der Anklageschrift zum Fall hervorgeht, der am 10. August am Basler Strafgericht zur Verhandlung kommt.
Als der völlig ahnungslose Bub weniger als einen Meter vor ihr gestanden sei, habe sie ihm ohne jegliche Skrupel von hinten ein Küchenmesser in den rechten Halsbereich gestossen. Der Junge drehte sich gemäss Staatsanwaltschaft zu ihr um, worauf sie ihm auch noch von vorne einen wuchtigen Messerstich in die linke Halsseite versetzte.
Der Bub schrie laut auf und ging zu Boden, wie es in der Anklageschrift weiter heisst. Nachdem sich die Seniorin vergewissert habe, dass sie dem Schüler tödliche Verletzungen zugefügt und er mit dem Tod gerungen habe, sei sie vom Tatort weggegangen.
Jahrzehntelanger Streit mit Behörden
Die Ermordung des Schülers hat die mutmassliche Täterin, die seit dem Tötungsdelikt im Untersuchungsgefängnis Waaghof sitzt, gemäss der Anklageschrift von langer Hand akribisch geplant. Die Beschuldigte leide an einer chronifizierten, schwerwiegend wahnhaften Störung, namentlich einem Querulantenwahn. Dieser habe sich seit 1977 fortschreitend entwickelt und sei in drei psychiatrischen Gutachten diagnostiziert worden, schreibt die Basler Staatsanwaltschaft.
Auslöser der Störung waren zivilrechtliche Streitigkeiten ihres 1999 verstorbenen Lebenspartners, in welche sie involviert gewesen war – und insbesondere der Umstand, dass die gemeinsame Wohnung des Paares in Allschwil BL 1992 zwangsgeräumt worden war. Die beiden wurden vorübergehend obdachlos, ihr Eigentum wurde eingelagert und 1995 liquidiert.
Über 42 Jahre lang habe die Beschuldigte wahnhafte Briefe an verschiedene Behörden geschrieben, heisst es. Dabei hätten die Schreiben über die Jahre an Frequenz und Intensität zugenommen. Mehr als zehn Bananenkisten voller Briefe hätten sich im Verlaufe der Zeit angehäuft. Ab 2002 war in den Briefen der Frau häufig von Mord die Rede.
Drohungen häuften sich ab 2016
Aufgewachsen ist die 76-jährige Angeklagte im Kanton Luzern. Nach ihrer Ausbildung zur Postgehilfin und Sachbearbeiterin hatte sie von 1974 bis 1986 als KV-Angestellte in Basel gearbeitet. Danach war sie arbeitslos und lebte bis zur Tat in einem Basler Hotel.
2003 und 2005 wurde die Angeklagte im Rahmen von fürsorgerischen Freiheitsentzügen jeweils für einige Wochen stationär psychiatrisch behandelt. Auch war mehrmals gegen sie wegen Gewalt und Drohung gegenüber Behörden und Beamten ermittelt worden.
Ab 2016 häuften sich die Drohungen der Angeklagten, zunehmend äusserte sie unspezifische Drohungen hinsichtlich einer jederzeit zu erwartenden Gewalttat, falls ihre Forderungen nicht erfüllt würden und man ihr ihr Eigentum nicht zurückgeben würde.
Das letzte Schreiben der mutmasslichen Täterin ans Bundesgericht datiert vom 15. März 2019 – sechs Tage vor der Tat. Darin hielt sie fest, dass das Bundesgericht wolle, dass die abverlangte Gewalttat eingehalten und bewiesen werde.
Geständnis per SMS vorbereitet
Drei Tage vor der Tat begann die Angeklagte mit der detaillierten Planung, «tigerte» gemäss eigenen Angaben durch das Gotthelf-Quartier und spielte ihre Tötungsideen im Kopf durch. Tags darauf verfasste sie einen Entwurf für eine SMS, die sie nach der Tat versenden wollte. Darin schrieb sie, dass sie getötet habe, um ihr Eigentum zurückzuerhalten.
Mehrfach änderte sie in den folgenden zwei Tagen den Text. In der endgültigen Version war konkret von der Tötung eines Kindes die Rede. Zudem wolle sie sich der Polizei stellen und Verantwortung übernehmen, sofern sie nicht umgebracht werde.
Am 21. März setzte die Angeklagte ihren brutalen Plan um und ermordete den siebenjährigen Schüler, der als letzter das Schulhaus verlassen hatte. Als die Rettungskräfte am Tatort eintrafen, war der Bub bereits klinisch tot.
Nach der Tat verschickte die Frau das vorbereitete SMS an mehrere Personen. Um 13.30 Uhr – eine Stunde nach der Tat – stellte sie sich «ruhig und gefasst» der Staatsanwaltschaft. Ohne jegliche Reue zu zeigen, habe sie mitgeteilt, dass sie ein ihr unbekanntes Kind mit einem Messer getötet habe und dem Ermittler die Tatwaffe ausgehändigt.
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Verwahrung der 76-Jährigen, weil sie wegen ihrer psychischen Verfassung schuldunfähig sei.
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