Schreibt Kami Rita Geschichte? Dieser Sherpa steht vor einem neuen Weltrekord am Mount Everest

AP

12.4.2018

Am Mount Everest startet in diesen Tagen die Saison für Expeditionen. Hunderte Bergsteiger versuchen jedes Jahr, den höchsten Berg der Welt zu bezwingen. Ein 48-jähriger Sherpa will die gefährliche Tour zum 22. Mal wagen.

Drei Männer haben 21 Mal in ihrem Leben das Dach der Welt erklommen – sie alle sind Sherpas, die im Schatten des Mount Everest aufgewachsen sind. Zwei dieser berühmten Bergführer sind inzwischen im Ruhestand, doch der dritte, Kami Rita, bricht in diesen Tagen zu seiner 22. Mount-Everest-Expedition auf. «Mein Ziel ist es, den Gipfel des Everest mindestens 25 Mal zu besteigen», sagt der 48-Jährige in Nepals Hauptstadt Kathmandu. «Ich will einen neuen Rekord aufstellen, nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie, die Sherpas und mein Land, Nepal.»

Für Rita ist das Klettern Familientradition. Sein Vater war einer der ersten professionellen Sherpas, nachdem sich Nepal 1950 für ausländische Trekker und Bergsteiger geöffnet hatte. Sein Bruder hat den Everest 17 Mal bezwungen, die meisten seiner männlichen Verwandten mindestens einmal.

Schon als Kind stand sein Entschluss, Bergführer zu werden. «Als Kind im Dorf beneidete ich die Leute um die guten Kleider und Sachen, die sie nach den Expeditionen zurückbrachten», sagt er. Mit 24 Jahren bestieg er den etwa 8850 Meter hohen Everest zum ersten Mal, seither machte er die Tour fast jedes Jahr. Er bezwang auch viele der anderen Achttausender der Region, darunter den K2, den Cho Oyu, Manaslu and Lhotse. Im Herbst führt er Kunden auf die kleineren Gipfel Nepals.

«Es gibt viele Risiken beim Klettern»

Als erfahrener Bergführer bekommt Rita umgerechnet etwa 8078 Euro für jede Everest-Tour - ein enormes Einkommen in einem Land, in dem die meisten Menschen nur rund 565 Euro jährlich verdienen.

Auch die anderen zwei Rekordhalter sind Sherpas. Für viele ihrer Familien hat sich seit 1950 viel verändert. Als Yak-Hirten und Händler, die im Vorgebirge des Himalaya lebten, waren sie durch ihr Wissen über die Berge und ihre Ausdauer in grossen Höhen ideale Bergführer. Der 58-jährige Apa - er hat nur einen Namen - ging 2011 in Pension und zog nach Utah. Der 47-jährige Phurba Tashi zog sich 2013 aus dem Hochgebirgsklettern zurück, hilft aber immer noch im Basislager bei der Organisation von Everest-Expeditionen mit.

Bergführer zu sein ist kein leichter Beruf. «Es gibt viele Risiken beim Klettern, was immer unberechenbar und gefährlich ist. Aber ich musste es immer wieder machen, weil ich nichts anderes kenne», sagt Rita. Das Schlimmste war, als Freunde bei Unfällen am Berg den Tod fanden. Als 2014 eine Lawine 16 Sherpas tötete, darunter fünf von seinem Team, war Rita gerade im Basislager. Im nächsten Jahr löste ein Erdbeben eine weitere Lawine aus, die durch das Basislager rauschte und 19 Menschen tötete. Er selbst kam nur davon, weil seine Zelte in jenem Jahr an einer weiter entfernten Stelle aufgeschlagen waren.

Kinder sollen nicht auf den Berg

Inzwischen sind Sherpa-Führer besser versichert und die Regierung von Nepal begann, auch den Sherpas Zertifikate für erfolgreiche Expeditionen auszustellen. «Jetzt haben wir den Beweis für absolvierte Touren, den wir unseren Kunden zeigen können», sagt er. Das Bergsteigen sei in vielerlei Hinsicht in den drei vergangenen Jahrzehnten sicherer geworden, mit besserer Ausrüstung und komplexeren Wetterberichten, die vor den tödlichen Stürmen des Berges warnen.

«Doch die Gefahren gibt es immer noch: Die Spalten sind tief und die Hänge unberechenbar. Aber wir klettern nicht blind wie früher. Wir sind besser informiert über das Wetter und andere Bedingungen auf dem Berg», betont er. «Selbst unsere Kunden sind sich der Gefahren bewusster und trainieren mindestens ein Jahr, bevor sie die Besteigung des Everest wagen.»

Dennoch will er die Anzahl der Expeditionen begrenzen. Für eine Everest-Tour gibt es nur ein kurzes Zeitfenster, in dem das Wetter für den Aufstieg bis zum Gipfel gut genug ist, normalerweise Mitte Mai, so dass sich die Expeditionen am Berg dann regelmässig stauen: «In diesen Tagen hängen Hunderte Bergsteiger an Seilen, um den Gipfel zu erreichen.»

Ritas Frau Lakpa Jangmu hat jedes Mal Angst, wenn ihr Mann zu Expeditionen aufbricht: «Ich sage immer wieder, wir könnten uns andere Jobs suchen, ein kleines Unternehmen gründen», erzählt sie. «Aber er hört mir überhaupt nicht zu.» Nun wollen sie dafür sorgen, dass zumindest ihre Kinder einen weniger gefährlichen Beruf ergreifen: Beide besuchen eine Privatschule in Kathmandu und geniessen eine Ausbildung, die sich ihre Eltern damals in ihren Dörfern nicht einmal vorstellen konnten.

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