Fensterlose Zimmer Schweizer Stararchitekten sind wegen Luxusbau in Beirut unter Kritik

tgab

27.7.2022

Das Wohnhochhaus Beirut Terraces sorgt auf Twitter für Empörung.
Das Wohnhochhaus Beirut Terraces sorgt auf Twitter für Empörung.
Bild: Herzog & de Meuron

Weil sie Luxusapartments in Beirut mit fensterlosen «Sklaven-Zimmern» für Bedienstete ausgestattet haben, werden die Architekten Herzog & de Meuron in den sozialen Medien mit Kritik überschüttet.

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Bis zu 1'000 Quadratmeter Wohnfläche stehen den Mietenden im Luxushochhaus «Beirut Terraces» pro Apartment in der libanesischen Hauptstadt zur Verfügung. Für deren Hausangestellte werden davon gerade einmal 3,9 Quadratmeter pro Zimmer abgezwackt, fensterlos eingeklemmt zwischen Küche und Waschküche und vom Rest der Wohnung abgeschirmt.

Das Gebäude aus dem Jahr 2017 wurde in der Vergangenheit mehrfach für Architektur-Auszeichnungen nominiert. Gebaut haben es die Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron.

Im Luxusturm der Beirut Terraces verteilen sich 130 Wohnungen mit bis zu 1'000 Quadratmetern Wohnfläche. Die Bediensteten müssen sich mit knapp vier Quadratmetern begnügen.
Im Luxusturm der Beirut Terraces verteilen sich 130 Wohnungen mit bis zu 1'000 Quadratmetern Wohnfläche. Die Bediensteten müssen sich mit knapp vier Quadratmetern begnügen.
Bild: beirutterraces.com

Nun hat eine ehemalige Angestellte von Herzog & de Meuron Baupläne des Projekts auf Twitter veröffentlicht und dadurch einen Shitstorm ausgelöst. Direkt beteiligt war sie an dem Projekt nicht, hatte zu dem Zeitpunkt ihrer Anstellung auch keine Einsicht in die Pläne. Aber das Projekt macht sie nachträglich wütend.

«Ich halte diesen Grundriss für unerträglich. Es sind menschenunwürdige Zellen. So sollte niemand leben müssen. Solche Zimmer wären in der Schweiz niemals erlaubt», macht sie ihrem Ärger gegenüber «Watson» Luft.

Die Mindestgrösse für ein Zimmer beträgt in der Schweiz laut Bauvorschriften mindestens acht Quadratmeter. In Deutschland sind es neun. Auf Twitter sorgen die veröffentlichten Grundrisse für eine Welle der Entrüstung. Dem Architekturbüro wird vorgeworfen, mit dem Bau das berüchtigte Kafala-System zu unterstützen.

Maids stehen in einem sklavengleichen Arbeitsverhältnis

Der Begriff bezeichnet ein System der Bürgschaft: Der Bürge – in der Regel handelt es sich dabei um den Arbeitgeber – ist dazu verpflichtet, die Einreiseformalitäten und die staatliche Registrierung zu organisieren. In der Praxis wird dazu häufig der Pass der ausländischen Arbeitskraft eingezogen und erst nach Vertragsende wieder ausgehändigt.

Laut einer Schätzung von Amnesty International lebten 2019 über 250‘000 Personen mit afrikanischem und asiatischem Migrationshintergrund als sogenannte «Maids» in Privathaushalten im Libanon. Durch das Kafala-System sind diese Hausangestellten in einem sklavengleichen missbräuchlichen Abhängigkeitsverhältnis ohne Arbeitsschutz gefangen, wie der Amnesty-Bericht «Their house is my prison» darlegt.

Die Betroffenen stehen ihren Arbeitgebern meist rund um die Uhr zur Verfügung und dürfen die Stelle nicht ohne deren Zustimmung wechseln oder künden.

«Man muss nicht alles bauen»

«Man muss nicht alles bauen und jeden Auftrag annehmen, auch wenn es dann ein anderer macht», schreibt die Architektin, die die Pläne veröffentlichte, auf Twitter. Die Kommentierenden pflichten ihr bei. «Wer, wenn nicht sie (Anm. d. Red.: Herzog & de Meuron), könnten fordern und ändern? Ich verstehe es nicht», schreibt eine Nutzerin.

Eine andere: «Als Enkelin einer solchen ‹Maid› mit einer mehr als hässlichen Familiengeschichte kommt es mir echt fast hoch.»

Herzog & de Meuron geben sich auf Anfrage von blue News wortkarg: «Beim Projekt Beirut Terraces hatten wir dem Kunden andere Konzepte projektiert und empfohlen. Was hier jedoch realisiert wurde, war der ausdrückliche Wunsch der Bauherrschaft und wurde auf dessen Anordnung ausgeführt», teilen sie lediglich mit.