Ölpest vor Kalifornien Hat ein deutscher Frachter die Pipeline aufgerissen?

Von Barbara Munker, dpa/uri

7.10.2021 - 14:30

Das unter deutscher Flagge fahrende Frachtschiff «Rotterdam Express» steht im Verdacht, eine Pipeline beschädigt zu haben. Die Hamburger Reederei weist die Vorwürfe zurück.

Von Barbara Munker, dpa/uri

Helfer in Schutzanzügen säubern ölverschmierte Strände, Ermittler gehen auf Spurensuche – die Ölpest in Südkalifornien gibt viele Rätsel auf. Wie kam der Riss in der Pipeline zustande? 

Entlang der malerischen Strände in Südkalifornien haben sich Surfer und Spaziergänger an diesen Anblick gewöhnen müssen: Mehrere Kilometer vor der Küste ragen Dutzende Bohrinseln aus dem Pazifik. Viele dieser unansehnlichen Öl-Plattformen sind über 40 Jahre alt. Immer wieder wird der Ruf nach einem Stopp der Ölgewinnung in dem Westküstenstaat laut. Die jüngste Umweltkatastrophe vor den Surf-Paradiesen von Laguna und Huntington Beach hat Anwohner, Umweltschützer und Politiker aufgeschreckt. Sie wirft ausserdem viele Fragen auf.

550'000 Liter Öl ausgelaufen

Aus einer leckgeschlagenen Pipeline auf dem Meeresgrund sind seit Samstag nach Schätzungen der Behörden bis zu 550'000 Liter Öl ausgelaufen. Die Folgen sind überall sichtbar: schwarze Schlieren durchziehen das blaue Meer, an den Stränden werden klebrig-glänzende Klumpen angespült. Einsatzteams in weisser Schutzkleidung schaufeln den von Öl getränkten Sand in Plastiksäcke. Bis zum Wochenende soll die Zahl der Helfer auf 1500 aufgestockt werden, wie die Küstenwache am Mittwoch bekannt gab. Über eine Strecke von vier Kilometern hat sie schwimmende Barrieren ausgelegt, um den Ölfilm von der Küste fernzuhalten.

Helfer reinigen am 6. Oktober 2021 den von Öl verschmutzten Strand von Newport Beach. 
Helfer reinigen am 6. Oktober 2021 den von Öl verschmutzten Strand von Newport Beach. 
Bild: Keystone

Der Fischfang ist verboten, Surfer und Schwimmer dürfen nicht ins Wasser. Wie lange die Sperrung andauern wird, ist unklar. Vier Tage nachdem die ersten Spuren des Ölfilms entdeckt wurden, sind viele Fragen offen.

Taucher hatten in einer Pipeline, die mit einer Förderplattform verbunden ist, einen gut 30 Zentimeter langen Riss entdeckt. Zudem sei ein rund 1,2 Kilometer langes Teilstück der insgesamt etwa 28 Kilometer langen, betonummantelten Rohrleitung verbogen, teilte die US-Küstenwache am Dienstag mit. Sie könnte vom Anker eines Schiffs getroffen worden sein, schrieb eine zuständige Abteilung des US-Verkehrsministeriums auf Basis vorläufiger Berichte.

Die Ölpest vor Kalifornien. 
Die Ölpest vor Kalifornien. 
Grafik: dpa

Doch die Küstenwache legt sich noch nicht fest. Sie untersuche eine «Vielzahl von Faktoren», darunter «Korrosion, zu hoher Druck in der Pipeline oder eine Beschädigung durch einen Anker», teilte Coast-Guard-Offizier Steve Strohmaier am Mittwochabend (Ortszeit) der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit. Man prüfe, welche Schiffe sich in dem Zeitraum in dem Gebiet aufgehalten hätten. Namen wollte die Küstenwache zu diesem Zeitpunkt nicht nennen.

Reederei will mit Ermittlern voll kooperieren

Die «Los Angeles Times» hatte am Mittwoch unter Berufung auf nicht genannte Quellen berichtet, dass sich der deutsche Frachter «Rotterdam Express» in der Unglücksregion befunden habe, kurz bevor die Ölverschmutzung bekannt wurde. Inzwischen liegt das Containerschiff der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd im Hafen von Oakland in Nordkalifornien.

Die «Rotterdam Express» liegt im Hafen von Oakland, Kalifornien. Das Frachtschiff vollzog offenbar eine Reihe ungewöhnlicher Bewegungen, während es in unmittelbarer Nähe der Ölpipeline in Südkalifornien ankerte.
Die «Rotterdam Express» liegt im Hafen von Oakland, Kalifornien. Das Frachtschiff vollzog offenbar eine Reihe ungewöhnlicher Bewegungen, während es in unmittelbarer Nähe der Ölpipeline in Südkalifornien ankerte.
Bild: Keystone

Ein Sprecher von Hapag-Lloyd teilte der Zeitung mit, dass die Reederei mit den Ermittlern voll kooperiere. Sprecher Nils Haupt sagte laut der «Los Angeles Times», dass der Frachter zwar in der Nähe des Katastrophenorts vor Anker gelegen habe, aber «recht weit entfernt von der Pipeline» gewesen sei. Eine Anfrage der dpa bei Hapag-Lloyd blieb zunächst ohne Antwort.

Es wurden Vorwürfe laut, Behörden und Pipeline-Betreiber hätten zu spät auf den Notfall reagiert. Auch die politische Debatte um ein Ende der Ölförderung in Kalifornien schlägt wieder hohe Wellen. Diese müsse der Vergangenheit angehören, sagte der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom bei einer Ortsbesichtigung in Huntington Beach. Im vorigen April hatte Newsom das Ziel vorgegeben, bis spätestens 2045 die gesamte Erdölförderung in Kalifornien schrittweise einzustellen.

Kalifornien profitiert stark von der Ölförderung

Kalifornien ist für sich gesehen die fünftgrösste Volkswirtschaft der Welt und gilt in den USA als Vorreiter beim Umwelt- und Klimaschutz. Gleichzeitig profitiert der Staat aber auch stark von der Ölgewinnung – auch wenn die Auflagen in den letzten Jahrzehnten strikter geworden sind. Auslöser dafür war eine verheerende Ölpest im Jahr 1969 in der Küstenstadt Santa Barbara. Damals waren aus einer Bohrquelle im Meer 12 Millionen Liter Öl ausgelaufen.

Seither hat der Staat keine neuen Offshore-Pachtverträge vergeben und es wurden seit 1994 keine neuen Ölbohrtürme gebaut. Allerdings gehen die Förderungen in den alten Pachtgebieten weiter.

Verglichen mit der Ölpest von 1969, bei der über 3000 Seevögel und andere Tiere starben, hoffen Umweltschützer, dass die Schäden diesmal weniger schlimm ausfallen. An den betroffenen Stränden um Huntington Beach wurden bis Mittwochabend 24 verölte Vögel aufgegriffen, teilte die Organisation Oiled Wildlife Care Network mit. Die meisten seien erfolgreich behandelt worden – nur fünf Tiere seien verendet.