Die in Wien lebende Ukrainerin Tanja Maljartschuk ist am Sonntag in Klagenfurt mit dem 42. Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet worden. Der Preis ist mit 25'000 Euro dotiert. Die Schweizerin Anna Stern erhielt den vierten, den 3sat-Preis, in Höhe von 7500 Euro.
Der zweite, der mit 12'500 Euro dotierte Deutschlandfunk-Preis, ging an den deutschen Autor Bov Bjerg, der dritte, der Kelag-Preis (10'000 Euro) an die in Deutschland geborene und aufgewachsene Türkin Özlem Özgül Dündar. Das Publikum schenkte seine Gunst der Österreicherin Raphaela Edelbauer; sie erhält 7000 Euro.
Der Hauptpreis für Maljartschuk kam nicht überraschend. Sie hatte nach ihrer Lesung des Texts "Frösche im Meer" minutenlangen Applaus geerntet. "Endlich Literatur!", seufzte die schweizerisch-deutsche Jurorin Nora Gomringer. Maljartschuk erzählt von einem illegalen Immigranten, der in einer dementen alten Frau eine Art Ersatzmutter findet - und das wohl mit seiner Freiheit bezahlt. Eine einfache Geschichte, einfach erzählt, war man sich einig.
Die Schweizer Überraschung
Dass Anna Stern mit "Warten auf Ava" überhaupt auf die Shortlist der besten Sieben kam, war schon eine Überraschung, denn unmittelbar nach ihrer Lesung am Donnerstag hatte die Jury fast einhellig Unverständnis und Ratlosigkeit bekundet. Die Rorschacherin erzählt in ihrem Beitrag von einer schwangeren Schweizerin, die in Schottland nach einem Bergunfall im Koma liegt und Besuch von Stimmen aus der Gegenwart und der Vergangenheit erhält.
Bei den Diskussionen hinter den Kulissen vermochten die Juroren wohl einiges zu klären. Denn mit ihrem vierten Rang schlug Stern - bürgerlich Bischofberger - einige Favoriten: so die Österreicherin Raphaela Edelbauer mit ihrer tief in die Geschichte reichenden Bergbau-Geschichte "Das Loch" und den Deutschen Joshua Gross mit seiner Story "Flexen in Miami" über einen modernen Hippie, der dank der Kiss Cam im Basketball-Stadion eine Gefährtin findet.
Mal einfach, mal artifiziell
Mit Maljartschuk und Gross teilte der zweitplatzierte Bov Bjerg den ungekünstelten Stil. Sein Text "Serpentinen" erzählt von einem Vater und seinem kleinen Sohn, die in die Berge fahren und Kindheitsschauplätze des Vaters besuchen. Über all dem schwebt die unheilvolle Genealogie der beiden: Die Männer der Familie begehen seit Generationen Suizid.
Dem Text "und ich brenne" der in Solingen geborenen Özdem Özgül Dündar liegt der rechtsextreme Brandanschlag von Solingen auf eine Asylunterkunft zugrunde. Dündar löst sich dabei von der historischen Faktizität, indem sie die Gedankenstränge von vier Müttern zöpfelt - zwei davon Opfer des Attentats, eine die Mutter eines Opfers und als vierte die Mutter eines Täters. Der Text ist in durchgehender Kleinschrift und ohne Punkt und Komma verfasst.
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