Gleis-Attacke von Frankfurt Tatverdächtiger schweigt weiter zum Motiv

dpa

31.7.2019

Nach der tödlichen Attacke in Frankfurt fragen sich viele: Was treibt den Täter an? Der Verdächtige hüllt sich dazu in Schweigen. Derweil wertet die Polizei Zeugenhinweise aus.

Nach der tödlichen Attacke auf einen Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof hat der Tatverdächtige zu Hintergründen geschwiegen. «Er hat nichts zu einem möglichen Motiv gesagt oder dazu, warum er nach Frankfurt gekommen ist», sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Derweil sind nach Angaben der Polizei 34 Hinweise von Zeugen bei den Ermittlern eingegangen, wie beispielsweise Videomaterial. Die Hinweise müssten nun ausgewertet werden.

Der 40-Jährige, ein dreifacher Familienvater, sitzt seit Dienstag wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Der aus Eritrea stammende Mann soll am Montag eine ihm unbekannte Frau aus dem Hochtaunuskreis und ihren Sohn vor einen einfahrenden ICE gestossen haben. Die 40-Jährige konnte sich retten, ihr Sohn wurde vom Zug überrollt und getötet. Die Leiche des Jungen muss laut Staatsanwaltschaft obduziert werden. Es wird demnach noch etwas dauern, bis der Leichnam freigegeben wird. Der Achtjährige und seine Mutter wollten vom Frankfurter Hauptbahnhof aus in den Urlaub fahren.

Der mutmassliche Täter lebte seit 2006 in der Schweiz – und wurde dort seit dem vergangenen Donnerstag von der Polizei gesucht. In einer Vernehmung hatte er angegeben, vor wenigen Tagen mit dem Zug von Basel nach Frankfurt gefahren zu sein.

Eine rote Rose im Gleisbett von Gleis 7 des Frankfurter Hauptbahnhofs, wo ein Achtjähriger vor einen einfahrenden ICE gestossen worden war.
Eine rote Rose im Gleisbett von Gleis 7 des Frankfurter Hauptbahnhofs, wo ein Achtjähriger vor einen einfahrenden ICE gestossen worden war.
Bild: Arne Dedert/dpa

Der verheiratete Mann habe seine Nachbarin mit einem Messer bedroht, eingesperrt und sei dann geflohen. Daraufhin sei er in der Schweiz zur Festnahme ausgeschrieben gewesen, hatte der deutsche Bundespolizeipräsident Dieter Romann am Dienstag in Berlin gesagt. «Er war auch im Vorfeld mit entsprechenden Delikten bereits in der Schweiz auffällig.» Wie die Kantonspolizei Zürich am Dienstag mitteilte, war der mutmassliche Täter in diesem Jahr in psychiatrischer Behandlung.

Die Familie des 40-Jährigen sieht sich Hetzkommentaren im Netz ausgesetzt. Medienberichte, wonach die Frau und die drei Kinder ihre Wohnung verlassen haben sollen, um sich in Sicherheit zu bringen, wollten die Schweizer Polizeibehörden nicht kommentieren. «Das ist ein Problem und es ist noch etwas unklar, ob die Kommentare aus Deutschland oder der Schweiz kommen. Wenn die Verfasser in der Schweiz sind, nehmen wir natürlich bei Bedarf Ermittlungen auf», hiess lediglich.

Ermittlungen wegen Mordes und zweifachen Mordversuchs

Gegen den Tatverdächtigen wird wegen Mordes und zweifachen Mordversuchs ermittelt. Am Montag soll er in Frankfurt auch versucht haben, eine 78-Jährige ins Gleisbett zu stossen. Die Frau habe sich aber retten können. Die Mutter des getöteten Jungen erlitt bei ihrem Sturz Verletzungen und wurde ins Krankenhaus gebracht.

Ein derartiges Schicksal sei «enorm schwer zu verarbeiten», sagte Amelie Thobaben, Mitglied des Bundesvorstandes der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung, der Deutschen Presse-Agentur. Die Ereignisse seien «ganz besonders unfassbar», weil sie von Menschenhand ausgelöst wurden und nicht etwa durch eine Naturkatastrophe oder einen Unfall.

Aus Sicht des Kriminologen Christian Pfeiffer lassen sich derartige Gewaltverbrechen nicht generell verhindern. «Solche Taten können an jeder U-Bahn-Station oder Strassenbahnhaltestelle und jeder Ampel begangen werden. Da hilft auch noch so viel Einsatz von Polizei nicht viel», sagte der frühere Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen der «Passauer Neuen Presse» (Mittwoch). «Wer eine solche Tat begehen will, den stoppt auch die Polizei nicht.»

Pfeiffer wies darauf hin, dass die Zahl tödlicher Gewalttaten in Deutschland nicht steige. Das Gegenteil sei der Fall. «Die vollendeten Tötungsdelikte haben seit der Wiedervereinigung um 63 Prozent abgenommen.»


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