Feuer in Brasilien Tierärzte behandeln Jaguare mit Stammzellen

AP/toko

1.10.2020

Ein Tier liegt verletzt auf einem Behandlungstisch. Das Tier namens Ousado erlitt Verbrennungen zweiten Grades bei den Waldbränden im Feuchtgebiet Pantanal und wird in der Tierrettung Nex Felinos, einer NGO zur Verteidigung gefährdeter Wildkatzen, versorgt. Insgesamt konnten zwei Tiere gerettet werden.
Ein Tier liegt verletzt auf einem Behandlungstisch. Das Tier namens Ousado erlitt Verbrennungen zweiten Grades bei den Waldbränden im Feuchtgebiet Pantanal und wird in der Tierrettung Nex Felinos, einer NGO zur Verteidigung gefährdeter Wildkatzen, versorgt. Insgesamt konnten zwei Tiere gerettet werden.
Eraldo Peres/AP/Keystone

Die Feuer in den brasilianischen Pantanal-Sümpfen haben den Lebensraum von Hunderten Jaguaren zerstört. Tierärzte suchen nach verletzten Wildkatzen und behandeln sie mit Stammzellen. Doch ob die Jaguare in die Natur zurückkehren können, ist unklar.

Tierärztin Cristina Gianni hat in den vergangenen 20 Jahren keinen Jaguar gesehen, der so schwer verbrannt war wie Amanaci. Das Weibchen wurde bei den Feuern in den riesigen zentralbrasilianischen Pantanal-Sümpfen verletzt. Nach 13 Stunden Transport auf dem Landweg kam Amanaci am 21. August im NEX-Institut an. Die Tierschutzorganisation im Staat Goias kümmert sich seither um das Jaguarweibchen.

Amanaci hatte Verbrennungen dritten Grades an den Ballen ihrer Pfoten und am Bauch, abgestorbene Sehnen und freiliegende Knochen. Ihre Zitzen waren geschwollen und voller Milch — laut Gianni ein klarer Hinweis auf die Ursache ihrer schweren Verletzungen: «Jaguare können rennen und sich verstecken, sie können sich vor Feuer schützen. Aber dieses Tier hier lief lange Zeit auf Glut, wahrscheinlich um eins oder mehrere seiner Jungen zu retten», sagt die Tierärztin. Amanaci war schließlich allein und verängstigt in einem verlassenen Hühnerhaus entdeckt worden, von ihren Jungen keine Spur.

In den Pantanal-Sümpfen wimmelt es von Tieren, bei Ökotouristen ist die Gegend beliebt. Wildtierfans kommen in der Trockenzeit, um die normalerweise verborgenen Raubkatzen an Flussufern zu erspähen sowie riesige Flussotter, Kaimane und Wasserschweine. Doch in diesem Jahr sind die größten tropischen Feuchtgebiete der Welt komplett ausgetrocknet und werden von mehr Feuern heimgesucht, als jemals seit 1998 gezählt worden sind. Die Vegetation in den Pantanal-Sümpfen erholt sich zwar schnell, sobald wieder Regen fällt, doch viele Tiere sind umgekommen oder wurden zur Flucht gezwungen oder sind verletzt.

Ein verletzter Jaguar im Hauptquartier des NEX-Instituts. 
Ein verletzter Jaguar im Hauptquartier des NEX-Instituts. 
Keystone/AP/Eraldo Peres

Gianni ist die Koordinatorin am NEX-Institut, das sich dem Schutz von Wildkatzen verschrieben hat und verwundete Jaguare experimentell mit Stammzellen behandelt. Die erste derartige Behandlung kam vor neun Jahren einem Tier mit gebrochener Vorderpfote zugute, weitere zwei Raubkatzen waren Opfer der jüngsten Feuer in den Sümpfen. Die ersten drei Behandlungen, die Amanaci erhielt, waren Stammzellen des Jaguars von vor neun Jahren. Inzwischen hat das Jaguarweibchen 13 Injektionen erhalten, die alle aus ihrem eigenen genetischen Material gewonnen wurden. «Das beschleunigt die Heilung sehr», sagt Gianni.

Stammzellen gelten als potenzielles Heilmittel sowohl für Menschen als auch für Tiere. Doch sei noch mehr Forschung nötig, um die Auswirkungen einer solchen Behandlung zu erfassen, sagt Jamie Peyton, Leiterin des Integrativen Medizinischen Dienstes am Tierärztlichen Lehrkrankenhaus der Universität von Kalifornien. Peyton heilte 2018 die bei Waldbränden entstandenen Wunden zweier Schwarzbären und eines Berglöwen mithilfe der Haut von Buntbarschen, nachdem sie davon gehört hatte, dass in Brasilien auf diese Weise auch menschliche Brandopfer behandelt werden.

«An Stammzellen ist definitiv etwas dran, aber sie sind noch keine Standardbehandlung für Verwundungen, einfach weil wir noch mehr darüber wissen müssen», sagt Peyton am Telefon. Die Tierärztin kümmert sich momentan um Tiere, die während der aktuellen Brände in Kalifornien verletzt wurden. «Es ist immer spannend, wenn Menschen unkonventionell denken, besonders in der Wildtierwelt», sagt sie.



Die Feuer in den Pantanal-Sümpfen haben in diesem Jahr 22 Prozent der Biomasse verschlungen, teilt die Universität von Rio de Janeiro auf Grundlage von Satellitenaufnahmen mit. Das ist ein grösseres Gebiet als Belgien und doppelt so viel wie die rund 14'569 Quadratkilometer, die dieses Jahr laut offiziellen Angaben in Kalifornien abgebrannt sind. Die Dürre in Pantanal ist die schlimmste seit fast einem halben Jahrhundert. Die Temperaturen liegen bei mehr als 40 Grad Celsius.

Das Jaguarweibchen Amanaci trägt seinen Namen nach der Wassergöttin in der Sprache des einstigen indigenen Tupi-Volkes. Neben Amanaci wurden weitere drei Jaguare aus den Pantanal-Sümpfen gerettet, von denen einer starb, heisst es von der internationalen Wildkatzenschutz-Organisation Panthera. Demnach verbrannte 2020 der Lebensraum von bis zu 600 Jaguaren.

Amanaci scheint die Behandlung zu helfen, doch wird sie wahrscheinlich nie mehr in die Wildnis zurückkehren können, sagt Tierärztin Gianni.

Amanaci kann sich weder selbst verteidigen, noch kann sie rennen oder auf Bäume klettern. Das Weibchen wird wohl mit den 23 anderen Jaguaren im Schutzzentrum bleiben. «Sie würde da draussen wahrscheinlich nicht überleben», sagt Gianni. «Aber wir hoffen noch auf ein Wunder.»

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