Prozess Totes Kind im Keller – Eltern bestreiten Vernachlässigung

gn, sda

19.2.2021 - 21:18

Anfang August 2015 fand die St. Galler Polizei in einem Haus in Staad die Leiche eine Mädchens. Die Eltern des Kleinkindes wurden wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Am Freitag fand die Berufungsverhandlung vor Kantonsgericht statt. (Archivbild).
Anfang August 2015 fand die St. Galler Polizei in einem Haus in Staad die Leiche eine Mädchens. Die Eltern des Kleinkindes wurden wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Am Freitag fand die Berufungsverhandlung vor Kantonsgericht statt. (Archivbild).
Keystone

Der Tod eines Kleinkindes hat am Freitag das Kantonsgericht St. Gallen beschäftigt. Das Gericht muss beurteilen, ob die Eltern für den Tod ihrer Tochter verantwortlich sind. Die Urteile stehen noch aus.

Im August 2015 entdeckte die Polizei im Keller eines Hauses in Staad SG ein totes Mädchen. Die Eltern des Kindes – eine heute 37-jährige Deutsche und ein 57-jähriger Schweizer – stehen in Verdacht, ihre elterlichen Sorgfaltspflichten verletzt und die gemeinsame Tochter vernachlässigt zu haben.

Das Kreisgericht Rorschach sprach die Eltern im Dezember 2018 wegen fahrlässiger Tötung, qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht schuldig. Der Vater soll für fünf Jahre ins Gefängnis. Die Mutter wurde zudem wegen Störung des Totenfriedens und falscher Anschuldigung schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Freisprüche beantragt

Die Eltern gingen in Berufung. Vor Kantonsgericht St. Gallen forderte die Verteidigerin am Freitag für den Vater Freisprüche. Es gebe keine Beweise, dass der Beschuldigte die treibende Kraft beim Kokainkonsum gewesen sei. Die Aussagen der Zeugen seien spekulativ und widersprüchlich. Die Beschuldigte habe schon vor der Beziehung mit dem 57-Jährigen Kokain konsumiert.

Die Eltern hätten ein klassisches Rollenmodell gelebt. Das Kind sei nicht in seinem Zimmer abgeschottet worden. Es sei auch regelmässig an der frischen Luft gewesen und gut ernährt worden.

«Wir haben unsere Tochter nie alleine gelassen, im ganzen Leben nicht», sagte der Vater, der nicht mehr weiss, wann er sein Kind zum letzten Mal lebendig gesehen hat.

«Sie war eiskalt»

«Es sollte das letzte Kind für mich sein», sagte die vierfache Mutter. Sie habe ihre Tochter weder vernachlässigt noch umgebracht.

Sie könne sich nicht mehr an das Todesdatum erinnern. «Es ist ein Trauma. Es ist einfach weg.» Sie schilderte den Morgen, an welchem sie ihr Kind tot gefunden habe. «Sie lag in ihrem Bettchen. Sie war eiskalt.» Sie habe sie in ihre Lieblingsdecke eingekuschelt, sagte die Frau unter Tränen. «Für mich ist sie nicht tot.» Deswegen habe sie niemandem etwas gesagt.

Die Verteidigerin der Mutter beantragte mehrheitlich Freisprüche. Einzig der Vorwurf der falschen Anschuldigung sei erwiesen und mit einer bedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 10 Franken zu bestrafen.

Das Kind müsse schon Ende Juni gestorben sein. «Ist der Todeszeitpunkt nicht der 3. Juli, fällt das ganze Konstrukt der Anklage in sich zusammen», so die Verteidigerin. Sie forderte eine erneute psychiatrische Begutachtung der Beschuldigten.

Kind abgeschottet

Die Staatsanwältin hielt an ihren Anträgen fest. Für die Mutter beantragte sie wegen vorsätzlicher Tötung eine Freiheitsstrafe von 10,5 Jahren, für den Vater eine Freiheitsstrafe von acht Jahren.

Sie wirft den Beschuldigten vor, die Tochter nicht altersgerecht ernährt und ihr keine ausreichende Bewegung ermöglicht zu haben. Ebenfalls sollen sie die medizinische Versorgung, die körperliche Hygiene und die sozialen Kontakte des knapp zweijährigen Mädchens vernachlässigt haben.

Das Kind sei abgeschottet worden und es sei im Kinderzimmer isoliert worden, sagte die Staatsanwältin. «Das Kind ist eigentlich den ganzen Tag nur im Bett gelegen», so die Staatsanwältin.

Das Mädchen sei mehrfach sich selbst überlassen worden, so auch am 3. Juli 2015 – einem Hitzetag. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das geschwächte Kind an Überhitzung gestorben sei.

«Das Mädchen war ihnen gleichgültig», sagte die Staatsanwältin. Die Mutter habe Lügen über den Aufenthaltsort der Tochter verbreitet. «Sie hat die Leiche des Kindes lieblos in einem Koffer im feuchten Keller entsorgt.»

Dem Mann wird zudem vorgeworfen, zwischen Oktober 2012 und August 2015 rund drei Kilogramm Kokain bei einem Dealer gekauft zu haben. Zwei Kilogramm soll er selber konsumiert haben, ein Kilogramm seine Partnerin. Bei beiden waren Rückstände von Kokain festgestellt worden. Auch bei der toten Tochter war Kokain in den Haaren nachgewiesen worden.

Das Gericht wird die Urteile in einer Woche mündlich eröffnen.

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