Zehn Jahre nach dem Beben in Haiti ist die Katastrophe noch spürbar
dpa / tmxh
11.1.2020 - 18:00
Nach dem Erdbeben von 2010 entstanden in Haiti ganze neue Stadtviertel wie Canaan, wo auch Frantz Charlestin mit seiner Familie lebt. Bis herrschen dort schlimme Lebensbedingungen.
Bild: Nick Kaiser/dpa
Die Katastrophe von 2010 hat in Haiti ganze Stadtviertel zerstört. Die Opfer von damals leben noch heute unter schlimmen Bedingungen. Und besser auf weitere Beben vorbereitet ist das Land heute nicht.
In der Bibel ist Kanaan das gelobte Land, in dem Milch und Honig fliessen. In der danach benannten Gemeinde Canaan in Haiti fliessen hingegen nicht einmal Wasser und Strom. Trotzdem leben rund 300'000 Menschen in Canaan – einem Ort am Rande der Hauptstadt Port-au-Prince, der vor zehn Jahren praktisch noch nicht existierte. Doch dann siedelten sich dort Überlebende des Erdbebens vom 12. Januar 2010 an, das mehr als 220'000 Leben forderte.
Eng und stickig
Einer von ihnen ist Frantz Charlestin. Der heute 29-jährige Mechaniker war nach dem Beben, wie Hunderttausende andere Haitianer auch, obdachlos geworden. Heute lebt er mit seiner Frau und den drei gemeinsamen Töchtern im Alter zwischen acht Monaten und acht Jahren in einem grünen Holzhaus. Es ist gerade einmal Platz für ein Bett und einen Tisch in der engen, stickigen Bude. Die wenigen persönlichen Gegenstände liegen auf schmalen Brettern an den Wänden.
Einfache Häuser und Container prägen Canaan.
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Die Hilfe durch den Staat und internationale Organisationen habe drei Jahre nach dem Erdbeben aufgehört, erzählt Charlestin. Von den vielen Problemen sei die Wasserknappheit das grösste. Auch die Schule für die Kinder zu bezahlen, sei nicht einfach. Er würde gern zurück nach Delmas, den Vorort von Port-au-Prince, aus dem er stammt, sagt Charlestin. «Hier gibt es nicht genug Arbeit.»
Wie eine Geisterstadt
Unbefestigte Strassen, klapprige Hütten, kaum Autos und bis auf die in Haiti allgegenwärtigen Lotto-Buden so gut wie keine Geschäfte: Canaan hat etwas von einer Geisterstadt. Im einzigen geöffneten Gesundheitszentrum ist der Arzt nicht da, weil er nicht bezahlt worden ist, wie eine Mitarbeiterin, Marie Denise Desormeaux, erklärt. Medikamente gebe es hier aber eh keine.
Aus einem Brunnen vor einer Schule, die aus elf Holzhütten auf einem staubigen Gelände besteht, kommt seit fünf Jahren kein Wasser mehr. In einem kargen Klassenzimmer erzählt der Grammatiklehrer Julmisse Dieufort, er habe Kollegen, die seit 2011 hier arbeiteten, ohne vom Staat bezahlt zu werden. Die Eltern müssten stattdessen 1'000 Gourdes pro Jahr geben, erklärt der 36-Jährige. Das sind umgerechnet gerade einmal neun Euro, für viele hier ist das allerdings eine Menge.
«Der Staat ist aus meiner Sicht unfähig, seine Verpflichtungen zu erfüllen», meint Francis Alphonse. Er ist der Direktor einer Behörde, die für die Entwicklung der rund 100 Kilometer entfernten Region Palme nach dem Erdbeben zuständig ist. Die politische Krise, die das Land seit rund eineinhalb Jahren immer wieder lahmlegt und mit Gewalt erschüttert, erschwere die Regierbarkeit. Es habe aber auch zuvor grobe Fehler gegeben – und Korruption. Die Erdbebenopfer würden im Stich gelassen. Es sei eine grosse Katastrophe, sagt Alphonse, dass in Canaan ein riesiger Slum entstanden sei.
Die internationalen Organisationen nimmt er aber auch nicht aus der Verantwortung für die Probleme beim Wiederaufbau. «Sie sagen, 80 Prozent der zugesagten zwölf Milliarden Dollar seien ausgegeben worden. Davon sieht man aber nichts», betont Alphonse. Das ausgegebene Geld sei grösstenteils zurück in die Ursprungsländer gewandert – in Form etwa der Gehälter der ausländischen Experten.
40 Prozent benötigen dringende Hilfe
Nach Angaben der UNO herrscht in Haiti die am schlimmsten unterfinanzierte humanitäre Krise der Welt. Im Jahr 2018 seien nur 13 Prozent der benötigten Mittel bereitgestellt worden. Fast vier Millionen Menschen litten unter Nahrungsknappheit. In diesem Jahr würden voraussichtlich 4,6 Millionen Haitianer – rund 40 Prozent der Bevölkerung – dringende Hilfe benötigen.
Die mit Abstand meisten Erdbebenopfer gab es in der dicht besiedelten Hauptstadt. Die Spuren sind noch allgegenwärtig – etwa durch das Fehlen des eingestürzten Nationalpalastes. Die Katastrophe hat aber auch ländliche Gegenden des Karibikstaates hart getroffen.
Auch etwa im südhaitianischen Ort Bainet gibt es heute noch Gebäude, von denen nur Trümmer übrig sind. Nach Angaben des Bürgermeisters Clive McCalla hat die finanzielle Not vieler Familien hier seit dem Beben junge Mädchen in die Prostitution getrieben. Die Abholzung, die das Land für schlimme Sturmschäden noch anfälliger macht als ohnehin schon, hat ihm zufolge zugenommen – die Leute machen aus den Bäumen Holzkohle, die sie verkaufen.
«Das Leben ist nicht einfach» steht über einem Brunnen in haitianischem Kreol geschrieben. Der Ort Bainet wurde vom Erdbeben schwer getroffen.
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Die deutsche Organisation Diakonie Katastrophenhilfe hat in Bainet und der Umgebung mit Mitteln des Roten Kreuzes Hunderte Häuser für Erdbebenopfer gebaut. Eines davon ging an Marie Marielle René. Zwei der sieben Kinder der heute 58-Jährigen gingen vor zehn Jahren in Port-au-Prince zur Schule. Sie war bei ihnen, als die Erde bebte, wie René erzählt. Zum Glück hätten sie alle überlebt, aber in die etwa drei Autostunden entfernte Hauptstadt traue sie sich seitdem nicht mehr. Zu viel Tod habe sie dort gesehen. «Wenn man über Leichen gehen muss, will man nicht mehr zurück», sagt sie.
Von einer Katastrophe in die Nächste
Haiti – das ärmste Land der westlichen Hemisphäre und eines der ärmsten der Welt – scheint immer wieder von einer Katastrophe in die Nächste zu schlittern. Das Erdbeben von 2010 hat aber tiefe Spuren hinterlassen - wenn auch nicht unbedingt die richtigen Lehren.
«Die Haitianer haben nichts daraus gelernt, was vor zehn Jahren passiert ist», meint Richard Widmaier, der Chef des Senders Radio Métropole. «Häuser werden weiter auf praktisch dieselbe Weise gebaut.» Die arme Bevölkerung könne sich bessere Standards nicht leisten, und der Staat sei korrupt und reguliere nicht.
«So oft bin ich schon an einem Haus vorbeigefahren, das total schief gebaut wird und an dem auf einem Schild ‹abzureissen› steht», erzählt der deutschstämmige Widmaier. «Die Bauarbeiten stoppen für eine Woche, und dann geht es einfach weiter. Offensichtlich ist man mit dem Büro des Bürgermeisters zu einer Einigung gekommen, und wahrscheinlich ist Geld geflossen.»
Menschen stehen am Samstag in der Warteschlange vor einem Geschäft an der Bahnhofstrasse in Zürich. Es war der letzte Shopping-Tag vor dem neuerlichem Lockdown am Montag (16.01.2021).
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Tausende Migranten gehen entlang einer Autobahn in El Florido, Guatemala. Die Menschen hatten sich am Donnerstag von Honduras aus auf den Weg gemacht und hoffen, die US-Grenze zu erreichen. (16.01.2021)
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Ein Feuerwehrmann bekämpft im Süden von Perth einen Buschbrand. Heisses und extrem trockenes Wetter sowie starke Winde gestalten die Löscharbeiten sehr schwierig. (16.01.2021)
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Die Kathedrale von Salisbury in Südengland wird vorbereitet, um Menschen dort gegen das Coronavirus zu impfen. (16.1.2021)
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Anwohner beobachten im chilenischen Quilpué die Rauchwolken am Himmel, die durch einen großen Waldbrand entstanden sind. Der Katastrophendienst Onemi rief für die Region in Zentralchile die höchste Warnstufe aus. (16.1.2021)
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Proteste in Haiti: Die Polizei versucht, eine brennende Barrikade zu löschen. Demonstraten fordern in der Hauptstadt Port-Au-Prince den Rücktritt von Präsident Jovenel Moise. (16.1.2021)
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Ein Langläufer überquert den schneebedeckten Paradeplatz in Zürich, nach heftigen Schneefällen in der Zentralschweiz. (15.1.2021)
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In New York ist ein Gelenkbus vom Weg abgekommen, hat die Brüstung durchbrochen und ist mit der vorderen Hälfte senkrecht in die Tiefe gestürzt, während der hintere Teil des Fahrzeugs auf der Fahrbahn verblieb. An Bord befanden sich acht Personen, die in Spitälern behandelt werden mussten. (15.1.2021)
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Selbsterkenntnis? Ein wilder Südlicher Brillenlangur streckt seinem Spiegelbild in einer öffentlichen Toilette in Singapur die Zunge raus. (15.1.2021)
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Bild: Rudy Akdyaksyah/AP/dpa
Gestrandet: Zahlreiche Lastwagen sind auf der deutschen Bundesstrasse 31 am Bodensee in der Nacht auf Freitag wegen starken Schneefalls liegen geblieben. Dutzende Fahrer mussten dort die Nacht verbringen. (15.1.2021)
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In der schwer zu erreichenden Leang-Tedongnge-Höhle in Indonesien wurde bereits im Jahr 2017 das lebensgrosse Bild eines Sulawesi-Warzenschweins an der Wand entdeckt. Wie Archäologen nun in der Fachzeitschrift «Science Advances» berichten, entstand das Bild vor mindestens 45‘500 Jahren, was es zur ältesten Höhlenmalerei der Welt macht. (14.1.2021)
Bild: AA Oktaviana
Sie liegen auf der faulen Haut: In Käselow, Deutschland, haben ausgediente Autoreifen eine neue Bestimmung gefunden. Sie beschweren eine Plane, die ein Futtersilo abdeckt. (14.1.20219
Bild: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Auch durch Corona nicht zu verhindern: Im Rahmen des traditionellen indischen Magh Bihu Erntefestes versammeln sich Menschen im Dorf Panbari, um gemeinsam zu fischen. (14.1.2021)
Bild: Anupam Nath/AP/dpa
Hart im Nehmen: Auch im Winter geht diese Surferin ihrer Leidenschaft nach und nimmt am Strand von Bournemouth an der Südküste Englands ein paar Wellen. (14.1.2021)
Bild: Andrew Matthews/PA Wire/dpa
Tückischer Blutschnee: Wenn sich der Schnee in den Polarregionen blutrot oder grün färbt, sind hierfür Algenblüten im Schnee verantwortlich. Wie Forscher nun im Fachmagzin «The Cryosphere» berichten, tauchen die Algen im Zuge der Erderwärmung immer häufiger auf und werden selbst zum Teil des Problems: Sie reflektieren das Licht um bis zu 20 Prozent weniger und sorgen so für eine weitere Aufheizung. (13.1.2021)
Bild: Bob Gilmore
Auch das ist Soldatenalltag: Mitglieder der US Army ruhen sich im Besucherzentrum des US-Kapitols aus. Nach der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger von US-Präsident Trump sind sie hier für die Sicherheit des Gebäudes abgestellt. (13.1.2021)
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Fisch sucht seinen Besitzer: Vor einer Entsorgungsstelle in Urtenen-Schönbühl ist ein Aquarium inklusive lebender Zierfischen abgestellt worden. Die Kantonspolizei bittet nun um Mithilfe aus der Bevölkerung, um den wenig tierlieben Besitzer ausfindig zu machen. (13.1.2021)
Bild: Kapo Bern
Heisser Ritt übers Eis: Ein Kind lässt sich auf einem zugefrorenen See in Chinas Hauptstadt Peking auch durch Corona und Gesichtsmaske die Stimmung nicht verderben. (13.1.2021)
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Kalte Schönheit: Im nordspanischen Roncal-Tal befreit ein Arbeiter die Strasse vom Eis, während hinter ihm beeindruckende Eiszapfen von der Felswand hängen. Nach extremen Schneefällen hat das Land nun eine Kältewelle erfasst. (12.2.2021)
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Auch hier gelten jetzt striktere Massnahmen: Vor der Amtseinführung von Joe Biden geht das US-Kapitol auf Nummer sicher. Ein Polizist patrouilliert im Repräsentantenhaus, nachdem die Sicherheitsmassnahmen verschärft wurden. (12.2.2021)
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Pompeji des 21. Jahrhunderts? Eine Drohnenaufnahme zeigt die Überreste von Häusern auf der philippinischen Insel Luzon. Vor einem Jahr hatte der Ausbruch des Vulkans Taal hier zur Evakuierung von rund 308`000 Menschen geführt. (12.1.2021)
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Suchauftrag: Eine Maschine der indonesischen Marine forscht über der Javasee nach Opfern und Wrackteilen der abgestürzten Maschine von Sriwijaya Air. (12.1.2021)
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Verwaschen: Spaziergänger gehen in vom starken Wind aufgewirbelten Schnee in Ochsenwang, Deutschland. (12.1.2021)
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Schnell noch rüber: Tagelange Regen- und Schneefälle haben im Kosovo und in Albanien zu schweren Überschwemmungen geführt. Mehrere Dörfer wurden dabei komplett von der Aussenwelt abgeschnitten. Im Dorf Dobroshec nutzt dieser Einwohner womöglich einer der letzten Gelegenheiten, um über die bereits schwer beschädigte Brücke zu gelangen. (11.1.2021)
Bild: Keystone
Gegen die Langeweile beim Laufen: Norbert Asprion hält in Ludwigshafen sein Mobiltelefon mit Bildern der von ihm gelaufenen Wegstrecken in Form eines Nilpferds (oben, l-r), Erdferkels und Flamingos, sowie eines Steinbocks (unten, l-r), Maulwurfs und Walross in den Händen. (11.1.2021)
Bild: Uwe Anspach/dpa
Aus und vorbei: Mitarbeiter der Berliner Stadtreinigung sammeln ausgediente Weihnachtsbäume ein. Ein Teil der Bäume wird traditionell immerhin an die Tiere des Zoos verfüttert. (11.1.2021)
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Eigentlich wollte er an Bord: Ein Buslenker hat in Mombasa, Kenia, spektakulär die Auffahrt auf eine Fähre verpasst und dabei sein Gefährt im Hafenbecken versenkt. Laut den Erklärungen des Chauffeurs konnte er wegen regennasser Strasse nicht rechtzeitig bremsen. Er und sein Beifahrer wurden beide gerettet. (10.1.2021)
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Naturschauspiel am Ätna
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'Ndrangheta-Monsterprozess in Italien
In Italien steht die wohl mächtigste Mafia-Organisation der Welt vor Gericht, die 'Ndrangheta. 355 Angeklagte müssen sich verantworten. Voraussichtlich wird der Monsterprozess zwei Jahre dauern.