Modebranche Vom Catwalk zur Online-Show

AP/toko

20.4.2021

Model Kate Moss (l.) und ihre Tochter Lila Grace Moss während der Fendi's Spring-Summer 2021 Haute Couture fashion in Paris.
Model Kate Moss (l.) und ihre Tochter Lila Grace Moss während der Fendi's Spring-Summer 2021 Haute Couture fashion in Paris.
AP Photo/Francois Mori/Keystone (Archivbild)

Corona hat die Haute Couture auf neue Wege gezwungen. Darüber, was nach der Pandemie bleibt, gehen die Einschätzungen auseinander.

AP/toko

20.4.2021

Online-Shows statt Catwalk in der Menge: In Zeiten von Corona hat auch die Modeindustrie schwer zurückstecken müssen und Verluste in Milliardenhöhe verbucht. Die Branche hat neue Wege gesucht, sich teils neu erfunden. Doch wie sieht Mode nach Corona aus? Was hat Bestand? Darüber wird heiss diskutiert.

Das Format der Fashion Week, etabliert seit den 1940er Jahren, werde radikal überdacht, meinen die einen. Statt Shows in schneller Taktung könnten Online-Kanäle der einzelnen Marken künftig den Catwalk-Vorführungen den Rang ablaufen. «Jede Marke ist ein eigenes mediales Wesen», sagt Long Nguyen, Chefkritiker des Modemagazins «The Impression». Wie die Industrie bisher vorgegangen sei, findet er «überholt».

Wandel überfällig

Ein Wandel im System sei schon längst überfällig gewesen, heisst es in der Branche. Deshalb hätten sich viele Häuser trotz der Corona-Einbussen als erstaunlich robust erwiesen. Einige seien mit dem digitalen Format deutlich besser gefahren als erwartet. Vor allem kleineren Marken sei der Ausfall von astronomisch teuren Catwalk-Shows entgegengekommen.

Die Corona-Entwicklungen hätten ihm die Frage aufgedrängt, ob Fashion-Shows überhaupt nötig seien, räumt Designer Julien Fournie ein. Die Pandemie liess Kalenderzwänge fallen: Marken wie Balenciaga, Alexander McQueen oder Bottega Veneta zeigten ihre neuen Kollektionen, wann es am besten passte – in finanzieller und kreativer Hinsicht. Saint Laurent hatte den Trend schon im vergangenen Jahr begründet und damit noch Schlagzeilen gemacht, das Unternehmen kehre der Pariser Fashion Week den Rücken, um sein eigenes Tempo zu bestimmen.

«Alle warten auf eine Rückkehr auf den Laufsteg»

«Die Marken entscheiden immer mehr, wann ihre optimale Zeit zum Vorzeigen ist», sagt Pascal Morand, der geschäftsführende Präsident des französischen Modeverbands FHCM. «Sie wollen mehr Einflussnahme in ihrem Business, und das ist ihr gutes Recht.» Ein Ende der Pariser Modewoche bedeute das aber nicht, ist Morand überzeugt. «Egal, was die Leute sagen, alle warten auf eine Rückkehr auf den Laufsteg», betont er — auf das Erlebnis und die Atmosphäre.



Seit dem Siegeszug der Sozialen Medien ist derweil auch die Abhängigkeit der Modeschöpfer von traditionellen Werbekanälen – wie Hochglanz-Magazinen – geschrumpft. Inzwischen setzen sie vielfach auf ihre eigenen Online-Auftritte. Dass auch die Kundschaft zunehmend online das neueste Outfit erwirbt, geht damit einher. Die Modemacher sind so immer weniger auf die traditionellen Verkaufswege angewiesen.

Umdenken durch Klimawandel

Änderungen zeichnen sich nach Einschätzung von Insidern und Analysten aber auch inhaltlich ab. Schon vor Corona sei die Bedeutung der jahreszeitenabhängigen Mode infrage gestellt worden, sagt die Modeschöpferin Stella McCartney. «Der Klimawandel hat traurigerweise unterstrichen, wie absurd das ist.» McCartney stellte ihre als Herbstkollektion deklarierte Mode im vergangenen Monat vor.

«Es gab da den Moment zu Beginn des Lockdowns – es waren keine Flugzeuge am Himmel, man konnte die Vögel hören», sagt McCartney. «Alle redeten darüber, dass die Natur wieder ihren rechtmässigen Platz einnimmt.» Jetzt gebe es die Wahrnehmung, dass die Unternehmen auf Nachhaltigkeit achten müssen, um zu überleben und um auch die jungen, umweltbewussteren Konsumentinnen und Konsumenten anzusprechen.



Andere sind überzeugt, dass der Modeweg nach Osten zeigt. «Als Auswirkung der Pandemie werden zweifellos die Bedeutung und der Einfluss Asiens auf die Mode gestärkt», sagt Gildas Minvielle vom Institut Français de la Mode in Paris. Die Luxusmarken in Europa könnten bereits eine Erholung verbuchen. «Aber das liegt nur an der Globalisierung, an den Käufern in Asien», erklärt der Wirtschaftsexperte. «Sie geben Geld für europäische Marken aus.»

Schon vor der Pandemie galt besonders China als Motor des Wachstums bei Luxusgütern. Die entschlossene Eindämmung des Virus bringt das Riesenland in eine noch stärkere Position. «In den nächsten 50 Jahren wird das Geld aus dem Osten kommen, so wie in den vergangenen 50 Jahren aus dem Westen», prognostiziert Long Nguyen von «The Impression». Das könnte bedeuten: Die Mode beugt sich künftig eher dem Geschmack der asiatischen Klientel.