Das sagt ein Experte dazu Horror-Crash in Zürich: Ist Rasen reine Männersache?

Von Fabienne Rüetschi, Bluewin

23.3.2018

Ein Autorennen zweier Teenies nahm am Eschwer-Wyss-Platz in Zürich ein abruptes Ende. Warum drücken so viele Jugendliche aufs Gas? Jugendpsychologe Allan Guggenbühl klärt auf.

In Zürich-West ist es am Freitag vor einer Woche zu einem schweren Crash gekommen («Bluewin» berichete). Am Unfall waren zwei Autos beteiligt: Ein 19-Jähriger verlor plötzlich die Kontrolle über seinen weissen BMW. Der andere Fahrer (18) hatte keine Chance und knallte mit seinem schwarzen Mercedes in die Betonmauer der Hardbrücke. Drei Autoinsassen mussten teils schwer verletzt ins Spital gebracht werden. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die beiden Unfall-Lenker. Ihnen drohen mindestens ein, höchstens vier Jahre Haft.

Raser und ihre Geschwindkeitsübertretungen führen auf Schweizer Strassen immer wieder zu schweren Zusammenstössen. Das zeigt die Unfall-Statistik deutlich: 33 Menschen verloren 2017 wegen «nicht angepasster Geschwindigkeit» ihr Leben, 426 Personen verletzten sich schwer – das sind rund ein Viertel mehr als wegen Alkohol am Steuer.

Häufig werden junge Lenker zu Rasern. Warum drücken Jugendliche scheinbar kopflos aufs Gaspedal? Jugendpsychologe Allan Guggenbühl nennt Gründe.

Herr Guggenbühl, warum rasen Jugendliche?

Das Motiv ist simpel. Jugendliche sind in einer Lebensphase, in der sie gerne experimentieren und ihre Grenzen ausloten. Das Grundproblem ist unsere überreglementierte Gesellschaft. Jugendliche sehen sich überall mit Regeln konfrontiert, auf der Arbeit, in der Schule. Deshalb suchen sie nach Möglichkeiten und Aktivitäten, wo sie sich selber 'rauskitzeln' können - nicht selten finden sie diesen Nervenkitzel auf der Strasse.

Beim besagten Unfall waren nur Jungs involviert. Ist Rasen Männersache?

Eindeutig. Generell faszinieren Autos Jungs viel stärker als Mädchen, dazu gehören auch schnelle Bolliden. Dabei geht es nicht zwingend um Fahrkenntnis. Vielmehr sind Autos für sie ein Symbol für Bewegung, Dynamik und Potenz.

Warum ist das so?

Das sind gesellschaftliche Gründe. Bereits zwei Tage nach der Geburt interessieren sich Jungs stärker für technische Gegenstände als Mädchen. Sie fixieren beispielsweise surrende Lampen oder Fernsehmonitore von kleinauf stärker als Mädchen.

Jugendpsychologe Allan Guggenbühl
Jugendpsychologe Allan Guggenbühl
Keystone

Denken Jugendliche darüber nach, ob sie andere in Gefahr bringen?

Sicher nicht. Sie haben das Gefühl, die Situation im Griff zu haben. Es hat beim ersten Mal geklappt, beim zweiten Mal, also rasen sie weiter. Risiko ist nicht bewusst erfahrbar, sondern man kann es sich nur vorstellen. Aber das ist nicht nur ein Problem bei Jugendlichen. Viele Menschen überschätzen sich. Deshalb braucht es auch Regeln und Verbote, sonst würde auf Schweizer Strassen noch mehr gerast.

Kann man dieses Bewusstsein stärken?

Das ist sinnlos. Da braucht es vor allem gesellschaftliche Einschränkungen.

Also fordern Sie strengere Strafen für Temposünder?

Nein, dafür bin ich nicht. Denn damit könnte man Raser nicht komplett ausrotten. Es braucht eine gewisse Strenge. Aber egal, wie drastisch Strafen ausfallen würden, es gibt immer einen kleinen Prozentsatz, der sich davon nicht abschrecken liesse.

Bilder aus der Schweiz
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