Wegweiser des PortosystemsVermutlich älteste Briefmarke nicht verkauft
SDA
7.12.2021 - 18:51
Die Herzen von Philatelisten schlugen am Dienstag höher. In London sollte eine gut erhaltene Briefmarke des allerersten britischen Drucks versteigert werden. Doch das Ergebnis war für alle ernüchternd.
07.12.2021, 18:51
sda/dpa/toko
Das Profil eines gekrönten Frauenhaupts, weiss auf schwarz, dazu die Wörter «Postage» und «One Penny»: Die Briefmarke, die als Wegbereiterin des modernen Postsystems gilt, kommt recht unscheinbar daher. Der Wert gilt dennoch als enorm: Das Auktionshaus Sotheby's rief einen Schätzpreis von vier bis sechs Millionen britische Pfund (circa 4,75 bis 7,13 Millionen Euro) auf. Zu viel, wie sich am Dienstag zeigte. Denn bei einer Versteigerung in London lag das Höchstgebot für die 1840 gedruckte «Penny Black» bei 3,8 Millionen Pfund und damit unter dem Mindestpreis, den sich Sotheby's gesetzt hatte. Die Marke wurde nicht verkauft.
Dabei war die Erwartungshaltung durchaus realistisch. Als teuerstes philatelistisches Sammlerstück gilt eine sogenannte British Guiana One-Cent Magenta, die Sotheby's 2014 für 9,48 Millionen US-Dollar (damals 6,97 Mio Euro) versteigerte. Die Preise schwanken allerdings – dieselbe Marke brachte in diesem Juni noch 8,3 Millionen Dollar. Dabei boomt trotz der Pandemie der Sammlermarkt. Erst Mitte Oktober erzielte Sotheby's für «Love is in the Bin» mit insgesamt 18,5 Millionen Pfund den bisher teuersten Preis, der je für ein Werk des britischen Street-Art-Künstlers Banksy gezahlt wurde.
«Dies ist die allererste Briefmarke, der Vorläufer aller Briefmarken und zweifellos das bedeutendste Stück philatelistischer Geschichte, das es gibt», hatte Auktionschef Henry House für die «Penny Black» geworben. Die Marke mit dem Profil von Queen Victoria, die aus dem allerersten Druck stammt, habe das Portosystem, wie wir es kennen, begründet. Ausserdem ist sie ungezähnt und erstaunlich gut erhalten, auch das trägt zum Wert bei.
Es ist die britische Version des «Schwarzen Einsers». Die erste deutsche Briefmarke, 1849 im Königreich Bayern ausgegeben, ist auch Menschen, die sich nicht für Philatelie interessieren, bekannt, seitdem «Wer wird Millionär»-Kandidat Ralf Schnoor aus Hannover mit der Antwort «Schwarzer Einser» einst den Hauptgewinn absahnte.
Die Geschichte der «Penny Black» bietet einen interessanten Einblick in die Entwicklung des modernen Postwesens. Die Marke symbolisiere den Beginn der Massenkommunikation, sagte der bisherige Eigentümer, der britische Philatelist und Geschäftsmann Alan Holyoake. Vor gut zehn Jahren erwarb er die Marke mitsamt des «Wallace Document», auf dem sie klebt, für weniger als 60'000 Euro.
Bereits damals gab es Gerüchte, dass es sich um eine Marke aus dem allerersten «Penny Black»-Set handelt. Doch erst jahrelange Untersuchungen von Experten der Royal Philatelic Society und der British Philatelic Association brachten Gewissheit. Es gibt vermutlich nur noch zwei weitere ähnlich gut erhaltene Exemplare der «Penny Black» aus dem ersten Druck, beide in der Sammlung des British Poastal Museum.
Die nun angebotene Marke klebt auf dem «Wallace Document». Dabei handelt es sich um einen Eintrag in ein Album, das der britische Postreformer und Parlamentarier Robert Wallace anlegte. «Erster Nachweis einer Penny-Briefmarke, die Herrn Wallace von Schatzkanzler Francis Thornhill Baring vorgelegt wurde – 10. April 1840», lautet der handschriftliche Begleittext, der den Gebrauch der Marke vom 6. Mai des Jahres ankündigte.
Wallace spielte eine massgebliche Rolle bei der Einrichtung des modernen Postwesens. Denn bis dahin wurden Briefe noch vom Empfänger bezahlt, sobald er sie beim Postamt abholte. Die Gebühren wechselten oft, meistens wurden sie erhöht, vor allem wenn die Regierung Geld benötigte. Das änderte sich mit der «Penny Black»: Fortan zahlte der Versender die Postgebühr – Sendungen mit einem Gewicht von maximal 14 Gramm kosteten unabhängig von der Distanz einen Penny.
Schon bald wurde die schwarze Briefmarke von einer roten ersetzt, der «Penny Red». Schwarze Poststempel entpuppten sich als sicherer gegen Fälschungen, konnten aber naturgemäss auf schwarzen Marken schlechter erkannt werden. Die «Penny Black» aber blieb die Wegbereiterin. Auch mehr als anderthalb Jahrhunderte später konnten ihre Nachfolgerinnen noch immer nicht vollständig von neueren Technologien verdrängt werden, wie Sotheby's betont.