Fakten vs. Bauchgefühl Kriminalität geht zurück – und die Schweizer haben trotzdem Angst

SDA/uri

20.9.2019 - 09:16

Obwohl nur wenige Opfer von Verbrechen werden, findet die Hälfte der Schweizer, es gebe immer mehr Kriminalität. (Symbolbild)
Obwohl nur wenige Opfer von Verbrechen werden, findet die Hälfte der Schweizer, es gebe immer mehr Kriminalität. (Symbolbild)
Source: Keystone

Seit 2012 ist die Kriminalität in der Schweiz de facto rückläufig. Einem Grossteil der Bevölkerung sagt das Bauchgefühl aber etwas anderes.

An unmittelbaren eigenen Erfahrungen kann es nicht liegen, dass die Angst, Opfer eines Verbrechen zu werden, zunimmt. Nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz der Befragten ist in den zwölf Monaten vor der Umfrage mit Verbrechen in Berührung gekommen: 6 Prozent wurden bestohlen, 2,1 Prozent körperlich verletzt, 0,4 Prozent beraubt, 0,2 Prozent vergewaltigt. Über ein Zehntel war von Sachbeschädigung betroffen, 11,5 Prozent von Cyberkriminalität, dem Spitzenreiter bei den Auskunftspersonen.

Das geht aus einer Befragung über Kriminalitätsopfererfahrungen und Kriminalitätswahrnehmung hervor, die die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) durchgeführt hat. Im Frühjahr 2018 verschickten die Forscher um Studienleiter Dirk Baier 10'000 Fragebögen an zufällig ausgewählte erwachsene Frauen und Männer in der Schweiz. 2'111 Leute füllten das Dokument aus – laut Mitteilung der ZHAW vom Freitag eine übliche Rücklaufquote.

Je weiter rechts, desto ängstlicher

Warum verkennen über 50 Prozent der Bevölkerung die Tatsache, dass die Schweiz sicherer geworden ist? Die wichtigsten Einflussfaktoren sind gemäss den Studienautoren Medienkonsum und politische Einstellung.



Häufiger Konsum privater Fernsehsender verstärkt die Furcht, der Konsum von überregionalen Tageszeitungen reduziert sie, haben die Forscher herausgefunden. Geschürt werden Ängste vor Verbrechen auch von rechten Parteien: «Je weiter rechts sich Befragte verorten, umso eher sind sie der Meinung, dass Kriminalität ein Problem ist und umso eher werden höhere Strafen gefordert», lässt sich Baier im Communiqué zitieren.

Misstrauen gegenüber Ausländern

Die Abwehrhaltung geht dabei häufig über das übliche Mass an Misstrauen hinaus: Unter den Bevölkerungsgruppen, denen am ehesten Böses unterstellt wird, stehen Ausländer an erster Stelle. 51,9 Prozent der Befragten finden, in der Schweiz lebten zu viele Menschen aus anderen Herkunftsländern. 27,9 Prozent der Auskunftspersonen sind sogar der Meinung, Musliminnen und Muslimen sollte die Zuwanderung in die Schweiz untersagt werden. Und 12 Prozent bekennen sich sogar offen zur Homophobie.



Eigenwillig ist zum Teil auch die Differenzierung der Befragten zwischen illegalen und legalen Handlungen: Acht von zehn Schweizern finden, erzwungener Geschlechtsverkehr in der Ehe, schnelles Autofahren, Betrug bei der Steuererklärung, Ladendiebstahl, Fahren unter Alkoholeinfluss und Schwarzfahren seien zurecht verboten. Schwangerschaftsabbruch und Alkoholmissbrauch halten sie dagegen für tolerierbar.

Ein erstaunlich hoher Prozentsatz der Befragten sprach sich für die Legalisierung von Rauschmitteln aus: 54,1 Prozent fanden, Kiffen solle legal sein, 23,8 Prozent waren der Meinung, auch Kokainkonsum sollte erlaubt sein.

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