Kanton Zürich Wenn ein «Sorry» nicht ausreicht – Opfer von Zahnarzt-Pfusch packt aus

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13.9.2019

Die Staatsanwaltschaft Zürich verschleppte mehrere Untersuchungen von möglichen Ärztefehlern – teilweise bis zum Ablauf der Verjährungsfrist.
Die Staatsanwaltschaft Zürich verschleppte mehrere Untersuchungen von möglichen Ärztefehlern – teilweise bis zum Ablauf der Verjährungsfrist.
Keystone/Archiv

Die Zürcher Staatsanwaltschaft liess Opfer von möglichen Ärztefehlern im Kanton warten. Nun entschuldigte sich die Justizdirektorin zwar, doch das hilft den Betroffenen kaum, wie das Beispiel von Teddy A. zeigt.

Die öffentliche Entschuldigung fiel Jacqueline Fehr (SP) wohl nicht leicht. Immerhin musste die Zürcher Justizdirektorin am Donnerstag einräumen, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft mehrere Strafuntersuchungen bei möglichen Ärztefehlern über Jahre verschleppt hatte.

«Organisatorische Mängel» seien daran schuld gewesen, dass Betroffene vor allem zwischen 2011 und 2016 «zu lange auf eine strafrechtliche Beurteilung der aufwühlenden Vorgänge hätten warten müssen», erklärte Fehr nach Abschluss einer Administrativuntersuchung.

Doch einige der Betroffenen warteten nicht nur «zu lange», sondern vergeblich: Manche Fälle blieben so lange in der auf Medizinalfälle spezialisierten Stelle der Staatsanwaltschaft liegen, dass die Verjährungsfristen verstrichen – etwa im Fall von Teddy A., den der «Tagesanzeiger» beleuchtet.

Erst verstümmelt, ...

Dem Schmerzgeplagten entfernte ein Zahnarzt Anfang 2009 sämtliche Zähne im Oberkiefer, um sie durch eine Sofortprothese zu ersetzen – ohne seinen Patienten zuvor auch nur zu röntgen oder eine klare Diagnose zu stellen.

Ein anderer Zahnarzt ersetzte die Prothese einige Monate darauf durch Implantate, die sich jedoch entzündeten und wieder entfernt werden mussten. Die Implantate, die derselbe Zahnarzt anschliessend einsetzte, perforierten die Kieferhöhlen und die Nasenhöhle des Patienten.

Ein dritter Zahnarzt versuchte das Problem zu beheben, indem er begann, auch im Unterkiefer von Teddy A. mit Implantaten zu arbeiten.

Die stetigen Entzündungen führten zu Knochenabbau, nach jahrelanger schmerzvoller Tortur ist der Kiefer nun zerstört: «Wenn bei einem vormals stark entzündeten Kiefer zum dritten Mal ein invasiver Eingriff gemacht wird, ist das höchst gefährlich, komplikationsgefährdend und höchst risikobehaftet», erklärte die hinzugezogene Kantonszahnärztin Monika Laass 2016. «Dies entspricht meines Erachtens einer schweren Körperverletzung.»

Teddy A. wurde darüber depressiv und arbeitslos, lebt inzwischen von einer IV-Rente – und kann sich kaum noch Hoffnung machen, dass die verantwortlichen Zahnärzte zur Rechenschaft gezogen werden.

... dann verjährt

Denn trotz der eindeutigen Einschätzung der Kantonszahnärztin verweigerten sich die verantwortlichen Zahnmediziner der Aufforderung, den Fall von Teddy A. ihrer Haftpflichtversicherung mitzuteilen. As. Anwalt Christian Christen reichte Strafanzeige ein – und die blieb in der Staatsanwaltschaft trotz Nachfragen liegen, bis der Straftatbestand der fahrlässigen schweren Körperverletzung 2016 schliesslich verjährt war.

Nur der erste Zahnarzt, der Teddy A. sämtliche Oberkieferzähne entfernt hatte, könnte noch belangt werden. Denn vorsätzliche oder eventualvorsätzliche schwere Körperverletzung, die ihm vorgeworfen wird, verjährt erst nach 15 Jahren. Jener Zahnarzt ist jedoch mittlerweile nach Frankreich ausgewandert und angeblich dement, weshalb nun die Einstellung des Verfahrens droht.

Enttäuschung nach Untersuchungsabschluss

Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr entschuldigte sich bei den Betroffenen.
Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr entschuldigte sich bei den Betroffenen.
Keystone

Dass Teddy A. keine Genugtuung aus der Entschuldigung ziehen kann, die Jacqueline Fehr gestern vorbrachte, ist angesichts seiner Leidensgeschichte verständlich: «Die Entschuldigung hilft mir nicht», zitiert ihn der «Tagesanzeiger». Auch sein Anwalt ist enttäuscht: «Nur zu sagen, es sei alles zu langsam gegangen, genügt nicht. Man hätte die Fälle auch inhaltlich anschauen müssen.»

Die auf Medizinalfälle spezialisierte Abteilung der Staatsanwaltschaft wurde bereits 2017 aufgelöst. Von den 82 Verfahren, die die Abteilung bis dahin abarbeitete, wurden 80 eingestellt und nur zwei durch einen Strafbefehl abgeschlossen.

Bilder aus der Schweiz

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