TikTok sperrt #SkinnyTok Mit einem gefährlichen Ideal verdient diese Frau viel Geld

Noemi Hüsser

10.6.2025

Influencerin Liv Schmidt verkörpert den umstrittenen Trend rund um #SkinnyTok.
Influencerin Liv Schmidt verkörpert den umstrittenen Trend rund um #SkinnyTok.
Screenshot Instagram

Anfang Juni hat TikTok den Hashtag #SkinnyTok gesperrt. Influencerinnen wie Liv Schmidt inszenierten dort eine Welt aus Disziplin, Schlankheit und Selbstoptimierung. Doch was wie Lifestyle aussieht, ist für Expert*innen ein gefährliches Spiel mit Essstörungen.

Noemi Hüsser

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Auf TikTok verbreitet sich unter dem Hashtag #SkinnyTok ein neues Dünnheitsideal, das durch Influencerinnen wie Liv Schmidt befeuert wird – mit restriktiven Diäten und Fitness-Routinen als Lifestyle.
  • Fachstellen und Studien warnen, dass solche Inhalte vor allem junge Menschen beeinflussen und das Risiko für Essstörungen deutlich erhöhen können.
  • Soziale Medien-Plattformen wie TikTok und Instagram reagieren auf politischen Druck, schränken Hashtags ein und entziehen Accounts wie dem von Liv Schmidt die Monetarisierung – doch viele Inhalte finden weiterhin Wege an die Öffentlichkeit.

Ist Body Positivity vorbei? Die Zeit, in der Menschen sich unrealistischen Schönheitsidealen widersetzten? Kommt jetzt das grosse Comeback des Schlankheitswahns?

Unter dem Hashtag #SkinnyTok lässt sich in den sozialen Medien beobachten, wie das Ideal der dünnen Körper zurückkehrt. Ganz vorne mit dabei: Die Influencerin Liv Schmidt. Sie sagt: «Es ist nichts Schlimmes daran, dünn sein zu wollen.»

Ihr Rezept zum Dünnsein: Weniger essen und viel laufen. In Schmidts Videos sieht man sie, wie sie zum Frühstück nur einen Proteinriegel isst oder ihren Matcha-Latte in der «Skinny Bitch Version» bestellt – mit Kokosnusswasser statt Milch.

«Skinny sein» sei eine bewusste Entscheidung

Ihr geht es dabei um Disziplin. «Skinny ist eine Entscheidung», sagt Schmidt in ihren Videos. Dünnsein ist für sie ein Ziel, für das man hart arbeiten muss. Die Grenze zwischen Selbstoptimierung und Selbstzerstörung verschwimmt dabei zunehmend.

Denn Studien zeigen: Soziale Medien beeinflussen das Körperbild von Frauen negativ. Und Formate wie «What I Eat in a Day», in denen Influencerinnen zeigen, was sie an einem Tag essen, fördern oft ungesundes Essverhalten. Auch die Arbeitsgemeinschaft Ess-Störungen AES kritisiert #SkinnyTok auf Anfrage von blue News deutlich. Klar ist: Schmidt propagiert ein gefährliches Schönheitsideal.

Schmidt selbst widerspricht der Darstellung, dass ihre Inhalte schädlich seien. «Ich werbe nicht für gestörtes Essverhalten», schreibt sie in ihren Posts immer wieder. Und statt klarer Diätanweisungen spricht sie von «Regulierung statt Restriktion».

Disziplin, Kontrolle – und jede Menge Geld

Bis vor kurzem machte Liv Schmidt mit ihrem Content auch Geld. Für 20 Dollar (rund 16 Franken) im Monat erhielten Nutzer:innen Zugang zu einem Instagram-Account, auf dem Schmidt Rezepte, Trainingsvideos und Essenspläne teilte. In einem Chat konnten Mitglieder Schrittzahlen, Essenspläne und Vorher-Nachher-Fotos austauschen. «Skinni Société» nannte Schmidt die Gruppe. Über 7000 Menschen seien laut ihr Teil davon gewesen. Das macht über 100'000 Dollar im Monat Umsatz.

Doch im Inneren der «Skinni Société» ging es längst nicht mehr nur um gesunde Ernährung und Sport. Das «New York Magazine» hat innerhalb der «Société» recherchiert und aufgedeckt, dass sich Mitglieder auch über Schwindel, Müdigkeit, unregelmässige Menstruation oder Haarausfall austauschten – häufige Begleiterscheinungen von Essstörungen. Die zentrale Frage im Chat: «Was hast du heute getan, um skinny zu bleiben?» Zudem seien auch Teenager in der Gruppe gewesen.

Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine Essstörung oder psychische Erkrankung? Hier findest du Hilfe:

Doch welche Verantwortung tragen die Plattformen? Wieso kann Schmidt ihre problematischen Abnehmstrategien einfach so teilen?

Instagram hat Liv Schmidt nach dem Artikel im «New York Magazine» eingeschränkt. Der Account ist seither für unter 18-Jährige nicht mehr sichtbar, und Schmidt kann ihn nicht mehr monetarisieren.

Das bedeutet konkret: Abos für die «Skinni Société» kann sie seither nicht mehr verkaufen. Auch TikTok hat Schmidt bereits mehrmals gesperrt. Und seit Anfang Juni ist auf TikTok auch der Hashtag #SkinnyTok nicht mehr einsehbar. Will man ihn aufrufen, wird ein Hinweis angezeigt. «Du bist nicht allein», steht da.

Sucht man auf TikTok nach «SkinnyTok», erhält man diesen Hinweis.
Sucht man auf TikTok nach «SkinnyTok», erhält man diesen Hinweis.
Screenshot TikTok

Schmidt hingegen sieht sich als missverstanden. In ihrer Instagram-Story schrieb sie: «Meta erlaubt Konten, die für Waffen, Rassismus, Extremismus und Verschwörungen werben. Aber sie sind besorgt über eine blonde Influencerin, die Frauen rät, langsamer zu essen?»

Diese Sperrung von #SkinnyTok geht auch auf politischen Druck zurück. Die Europäische Kommission leitete bereits im Februar 2024 eine formelle Untersuchung gegen TikTok ein – im Rahmen des neuen Digital Services Act, der Plattformen stärker zur Verantwortung zieht. Im Fokus der Ermittlungen: der Algorithmus von TikTok und wie er Minderjährigen potenziell gefährliche Inhalte ausspielt.

Clara Chappaz, Frankreichs Ministerin für digitale Technologie, schrieb nach der Sperrung von #SkinnyTok auf X: «SkinnyTok ist VORBEI!»

Also alles gut jetzt? Leider nicht. Wer heute nach #skinny oder ähnlichen Hashtags sucht, findet weiterhin junge Frauen, die in engen Tops und mit abgemagerten Körpern dünne Ideale inszenieren. Liv Schmidt ist nicht die Einzige, die zeigt, wie man schnell dünn wird.

Und auch sie ist jetzt nicht einfach weg. Schmidt postet ihre Inhalte einfach auf einem anderen, frei zugänglichen Instagram-Account. Wer will, kann sich bereits auf die Warteliste für ein neues Abo-Modell setzen lassen. Auf Reddit kursieren Spekulationen, dass es noch exklusiver und deutlich teurer werden soll. Ganze 2900 Dollar (rund 2387 Franken) im Monat soll es kosten. Und nur zugänglich für Menschen sein, die eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben.


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