Hohe Strafen Wie mit Rasern kurzer Prozess gemacht wird

dpa/tafu

14.11.2019

In Deutschland ist ein 21-Jähriger wegen Mordes angeklagt, weil er mit einem Sportwagen einen Unfall mit zwei Toten verursacht hat. Der Fall hat die Debatte über striktere Tempolimits und schärfere Strafen im Nachbarland angeheizt.
In Deutschland ist ein 21-Jähriger wegen Mordes angeklagt, weil er mit einem Sportwagen einen Unfall mit zwei Toten verursacht hat. Der Fall hat die Debatte über striktere Tempolimits und schärfere Strafen im Nachbarland angeheizt.
Bild: Kohls/SDMG/dpa

Das Gaspedal bis zum Anschlag treten und den Kick im Rausch des Verbotenen suchen: In der Schweiz endet das oft mit Freiheitsstrafe. In Deutschland wird die Debatte um härtere Strafen für Raser gerade wieder neu angefacht.

Gebolzt wie ein Affe sei er, brüstet sich ein Raser vor Reportern. Er war 2014 in der Schweiz mit mehr als 200 Kilometern in der Stunde gestoppt worden. Auf der Autobahn gilt Tempolimit 120. In seiner Heimat Schwaben in Deutschland wähnte der Mann sich sicher vor der Schweizer Justiz, die Raser drakonisch bestraft. Eine Fehlkalkulation. Der Autofahrer wurde im Kanton Tessin zu 30 Monaten Gefängnis verurteilt, 18 davon auf Bewährung. Es wurde durchgesetzt, dass er die Haftstrafe im Herbst 2018 in Deutschland antreten musste.

Auch im baden-württembergischen Stuttgart steht gerade ein 21-Jähriger vor Gericht, weil er mit einem gemieteten Sportwagen viel zu schnell fuhr und einen Autounfall mit zwei Toten verursachte. Er ist wegen Mordes angeklagt. Das Urteil wird am 15. November erwartet. Der Fall hat die Debatte über striktere Tempolimits und schärfere Strafen in Deutschland angeheizt.

Freiheitsstrafen von bis zu vier Jahren

Die Schweiz kennt dagegen seit 2013 bei Rasern kein Pardon: Wer Tempolimits innerorts um mehr als 50 km/h oder auf Autobahnen um mehr als 80 km/h überschreitet, ist ein Raser. Als «Bubi-Bolzer» werden junge Leute in der Boulevardpresse an den Pranger gestellt, als «Rüpel-Raser» die älteren. Das Strassenverkehrsgesetz schreibt für Raser in Artikel 90 Abs. 3 zwingend eine Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren vor. Der Führerschein wird an Ort und Stelle für zwei Jahre eingezogen, das Auto in der Regel auch. Das Auto des Schwaben wurde versteigert.

Bringen die hohen Strafen etwas? Die Behörden sagten nach einer ersten Bilanz 2017 «ja». 2000 Tempobolzer wurden seit 2013 verurteilt. Die Freiheitsstrafe wird bei der ersten Verurteilung meist zur Bewährung ausgesetzt.

Seit 2013 kennt man in der Schweiz kein Pardon: Wer Tempolimits innerorts um mehr als 50 km/h oder auf Autobahnen um mehr als 80 km/h überschreitet, ist ein Raser.
Seit 2013 kennt man in der Schweiz kein Pardon: Wer Tempolimits innerorts um mehr als 50 km/h oder auf Autobahnen um mehr als 80 km/h überschreitet, ist ein Raser.
Bild: Keystone

Allein hohe Geld- oder gar Freiheitsstrafen reichen aber nicht, um Raser zu stoppen, sagt Markus Hackenfort, Sicherheits- und Unfallforscher an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zürich. «Wenn die Kontrolldichte nicht hoch ist, ist der Einfluss hoher Strafen auf das Verkehrsverhalten überschaubar.» Ohne häufige Polizeikontrollen sei es ein Kick für Raser, wenn sie nicht erwischt werden und damit geradezu ein Anreiz, weiter zu rasen.

Rasen muss richtig wehtun

So sieht es auch die Beratungsstelle für Unfallverhütung: «Aus Sicht der Unfallverhütung ist vor allem wichtig, dass die Polizei die Einhaltung der Vorschriften regelmässig kontrolliert», schreibt sie. Erfolgreich am Schweizer Modell seien neben den häufigen Kontrollen vor allem die zusätzlichen Massnahmen, Wegnahme des Führerscheins und Beschlagnahmung des Autos an Ort und Stelle. «Die Leute müssen wissen: Sie können erwischt werden und es tut sofort richtig weh.»

Wer in einem schnellen Auto sitze, werde leicht provoziert, sagt Hackenfort. Er habe selbst gemerkt, als ihm beim Automieten in Deutschland einmal ein Sportwagen ausgehändigt wurde, wie an der Ampel oder auf der Autobahn Fahrer neben ihm besonders schnell beschleunigten oder anfuhren. «Da geht es plötzlich Auto gegen Auto, Hersteller gegen Hersteller», sagt er. «Dem Reiz zu widerstehen, ist vor allem für junge Autolenker nicht einfach.»

Ein 20- und ein 22-Jähriger wurden diesen Sommer in Suhr 40 Kilometer westlich von Zürich gestoppt, mit mehr als 140 km/h auf einer Landstrasse mit Höchstgeschwindigkeit 80. Sie waren mit 210 und 450 PS-starken Autos in der Nacht unterwegs, Stossstange an Stossstange. Von Verfolgungsjagd wollten sie nichts wissen. Alles ein Missverständnis, beteuerten sie. Den Führerschein waren beide los, der 20-Jährige, der als Fahrer beschäftigt war, auch seinen Job.

Bei 300 km/h mit Handy gefilmt

Als skrupellosester Raser der Schweiz gilt ein Versicherungsmakler bislang, der mit einem 560 PS starken Bentley mit mehr als 300 km/h geblitzt wurde und die Fahrt noch auf dem Handy gefilmt hatte. Er bekam 2014 eine Haftstrafe von 36 Monaten aufgebrummt. Bei Bern erwischte es 2014 einen Geschäftsmann aus München mit 237 km/h. Im Februar 2019 heizte ein Deutscher mit Freundin auf dem Beifahrersitz und 249 km/h auf dem Tacho im Thurgau in eine Radarfalle.

Die drakonischen Raser-Gesetze sollen nun allerdings wieder etwas gemildert werden. Richter sollen mehr Spielraum haben, etwa wenn Leute zu schnell waren, weil sie ein Schild übersehen hatten.

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