Prostituierte, Obdachlose, Drogensüchtige Zürichs Ärmste leiden unter der Krise – Schwester Ariane hilft

SDA/tsha

18.5.2020

Auch im reichen Zürich stürzt die Corona-Pandemie Menschen in eine existentielle Krise. 900 Menschen stehen für Lebensmittel an – Schwester Ariane versucht zu helfen.

Es werden immer mehr: Schwester Ariane verteilt mit ihrem Verein «incontro» an der Zürcher Langstrasse warme Mahlzeiten, Lebensmittel und Hygieneartikel. Zu Beginn der Corona-Krise waren es 70 Lebensmittelpakete pro Woche. Am vergangenen Samstag waren es 900.

Die 47-jährige Theologin hat ihren Verein 2001 gegründet und zunächst Kinder- und Jugendarbeit gemacht. Seit zweieinhalb Jahren widmet sie sich der Gassenarbeit. Sie kümmert sich um Prostituierte, Obdachlose, Drogensüchtige, Sans-Papiers und andere Bedürftige. Die «Broken-Bread»-Aktionen in der Corona-Krise werden von ihr gemeinsam mit Pfarrer Karl Wolf aus Küsnacht, Freunden von Sant'Egidio und vor allem von vielen Freiwilligen getragen.

Schwester Ariane lebt auf Augenhöhe mit den Menschen am Rande der Gesellschaft, besucht sie, sorgt für eine warme Mahlzeit, hat ein offenes Ohr, spendet Trost und leistet Seelsorgearbeit. «Was man für seine Freunde tut», sagt sie gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Das ist auch in normalen Zeiten eine Herausforderung, in der Corona-Krise ist es eine Mammutaufgabe. Seit neun Wochen ist sie jeden Tag auf der Gasse, nur einen einzigen freien Tag hat sie sich gegönnt.

Kein Geld fürs Zimmer, kein Geld für Essen

«Prostituierte können ihr Zimmer nicht mehr bezahlen und werden obdachlos», erzählt sie. Auch vor der Corona-Krise sei es den Frauen, von denen die meisten aus dem Ausland kommen, schon schlecht gegangen. Nun fehle sogar das Geld für Essen und natürlich das Geld, das sie normalerweise an ihre Familien im Heimatland schicken.

Mit dem Lockdown wussten viele nicht mehr weiter und Schwester Ariane war klar, dass sie etwas unternehmen musste. Jetzt verteilt sie mit ihren Helferinnen und Helfern jeden Abend rund 250 warme Mahlzeiten entlang der Langstrasse – natürlich mit dem nötigen Abstand.



Samstags erhalten Bedürftige ein Lebensmittelpaket mit Grundnahrungsmitteln und frischen Produkten sowie verschiedene Hygieneartikel wie Duschgel, Zahnbürsten, Desinfektionsmittel, Binden aber auch Vitamine und Schlafsäcke.

Die Lebensmittelpakete werden in vielen Pfarreien in der Stadt und im Kanton gesammelt. Die warmen Mahlzeiten sind teils Spenden, teils kann der Verein sie zum Selbstkostenpreis von Gastronomiebetrieben beziehen. Unterstützt wird «Broken-Bread» von Service Clubs, von Einzelpersonen, von der Stadt Zürich und von den Kirchen. Finanziell getragen werden die Aktionen ausschliesslich von Spenden.

«Die Krise ist nicht vorbei»

Und die Nachfrage wächst. Die Menschen warten geduldig bis zu einer Stunde im Freien, auch wenn es regnet. Zuletzt war die Schlange mehrere hundert Meter lang. «Viele Menschen schämen sich», sagt Schwester Ariane. Daher schickten Eltern manchmal auch ihre Kinder vor.

Einige der Hilfesuchenden wollen jedoch auch selbst etwas tun. So nähen Prostituierte seit fünf Wochen Mundschutzmasken. Diese werden gratis oder gegen eine Spende verteilt. Ausserdem gibt es seit kurzem einen Deutschkurs für Prostituierte, um die Integration zu fördern und ihnen neue Perspektiven zu eröffnen.

Sie wolle den Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, eine Stimme geben, sagt Schwester Ariane und warnt: «Die Krise ist nicht vorbei!»

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