Zuger Obergericht Staatsanwalt spricht von Mordversuch, Ex-Paar von einem Spiel

SDA

13.9.2018 - 15:49

Der Fall wird vor dem Zuger Obergericht verhandelt. (Archiv) 
Der Fall wird vor dem Zuger Obergericht verhandelt. (Archiv) 
Keystone

War es ein ausgeklügelter Mordplan oder nur ein Spiel, als ein Ex-Paar in einem Chat beschrieb, wie es den Mann der Frau aus dem Weg räumen könnte? Mit dieser Frage hat sich - nach dem Zuger Strafgericht - am Donnerstag das Obergericht befasst. Ankläger und Verteidiger hielten an ihren Varianten fest.

Die Chats, die seien doch nur fiktiv gewesen, sagte der Verteidiger des Beschuldigten an der Berufungsverhandlung. "Zugegeben", fügte er an, "liest man die Nachrichten losgelöst vom Kontext, vermitteln sie ein merkwürdiges Bild." Man könnte tatsächlich meinen, sein Mandant hätte den Mann der Beschuldigten töten wollen. "Aber so war es nicht."

Ähnliche Aussagen machte der Verteidiger der Frau, deren Ehemann die beiden Beschuldigten laut Anklage aus dem Weg räumen wollten. Dazu soll die Rumänin dem Alkoholkranken monatelang Schmerzmittel in seine Drinks gemischt haben. Beschafft haben soll die Medikamente der damalige Liebhaber der Frau.

Belastet werden die beiden durch Tausende Chats, in denen sie diskutierten, wie viel von welchen Medikamenten den Tod des Mannes herbeiführen würden. Dazu kommen Haaranalysen, die exorbitante Werte des Schmerzmittels aufweisen, sowie Aussagen von Sohn und Ex-Frau des Opfers zu dessen Gesundheitszustand.

Im August 2016 flog der Plan auf. Die Frau hatte ihrem Liebhaber die Kreditkarten-Daten ihres Ehemannes gegeben. Er gab damit mehrere tausend Franken aus. Daraufhin reichte der Geschädigte Anzeige gegen Unbekannt ein - die Ermittler kamen auf den Beschuldigten und stiessen auf das mutmassliche Mordkomplott.

Er behauptete nämlich, er sei berechtigt, die Kreditkarte zu nutzen, dies gehe aus verschiedenen WhatsApp-Chats auf seinem Handy hervor. Die Polizei überprüfte die Chats und entdeckte die Konversation über die Mordpläne.

In Handschellen und unter Tränen

Die zwei Beschuldigten wurden dem Gericht in Handschellen vorgeführt. Beide befinden sich in Sicherheitshaft. Es sei nicht möglich, dass so ein Urteil in einem Land wie der Schweiz gefällt werde, sagte die 40-jährige Frau unter Tränen. Sie fühle sich endlos beleidigt und noch immer unschuldig. "Und seit der erstinstanzlichen Verhandlung fühle ich mich noch viel tiefer lebendig begraben."

Auch ihr Ex-Liebhaber, der die Beziehung zur Frau vor den Richtern nicht einmal als Affäre bezeichnen wollte ("Wir hatten über einen Zeitraum von fünf Jahren lediglich drei Mal sexuellen Kontakt miteinander."), beteuerte seine Unschuld. "Es ist fürchterlich, dass der Chat nun so interpretiert wird", sagte der 52-Jährige.

Die Vorinstanz hatte die beiden im Dezember vergangenen Jahres verurteilt und der Frau eine Freiheitsstrafe von 11 Jahren, dem Mann eine von 13 Jahren und sieben Monate aufgebrummt. Er sei die treibende Kraft gewesen hinter dem - wenn auch untauglichen - Mordversuch, betonte der Staatsanwalt am Donnerstag nochmals.

Chat als Ventil?

Die Verteidiger der Beschuldigten kritisierten dagegen, die Erstinstanz gebe dem Chatverlauf zu viel Gewicht. "Worte alleine genügen als Beweis nicht", sagte der Verteidiger des Mannes. Sein Mandat wollte nur für die Frau, die sich "in einer schwierigen Situation befand", da sein. "Der Chat war lediglich ein Ventil."

Auf die Frage des Verfahrensleiters, ob er glaube, die Frau habe ihren Ehemann umbringen wollen, sagte der Beschuldigte: "Nein." Die Frau antwortete auf die Frage, ob der Beschuldigte ihren Mann aus dem Weg räumen wollte: "Das glaube ich nicht." Sie schluchzte während der ganzen Verhandlung.

Die Erstinstanz, das Zuger Strafgericht, war jedoch zum Schluss gekommen, dass die Frau ihren Mann töten wollte, weil sie befürchtet habe, er gebe zu viel Geld aus, so dass "für sie nichts mehr übrigblieb". Zudem habe sie beabsichtigt, nach seinem Tod die Wohnung für eine halbe Million Franken zu verkaufen.

"Und sie wollte das Schweizer Bürgerrecht erlangen", betonte der Staatsanwalt. Das sei auch der Grund, weshalb der Ehemann nicht zu früh sterben sollte.

Der Anwalt der Frau bemängelte, die zwei vorhandenen Haaranalysen seien nicht schlüssig und somit nicht verwendbar. Auch habe der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann exzessiv gelebt und musste sich zunehmend selbst betäuben, um im Alltag zurecht zu kommen. "Warum sollte meine Mandantin für die hohe Dosis verantwortlich sein?"

Beide Verteidiger verzichteten diesmal ausdrücklich auf Eventualanträge, weil ihre Klienten unschuldig seien. Sie forderten erneut Freisprüche von Schuld, Strafe und Kosten - "in dubio pro reo", sagte der Verteidiger des Angeklagten.

Das Zuger Obergericht wird das Urteil zu einem späteren Zeitpunkt eröffnen.

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