Verteidigung Vor 30 Jahren trennte sich die Armee von ihren Brieftauben

razw, sda

14.9.2024 - 09:30

Bis in die 90er Jahre übermittelten Brieftauben für die Armee Botschaften und kleine Ware. (Archivbild)
Bis in die 90er Jahre übermittelten Brieftauben für die Armee Botschaften und kleine Ware. (Archivbild)
Keystone

Während 77 Jahren haben Brieftauben über weite Distanzen Botschaften für die Armee transportiert. Das mit einem Tempo von durchschnittlich 60 km/h und bei hoher Erfolgsquote. Doch vor 30 Jahren entliess die Schweizer Armee ihre Brieftauben aus dem Dienst.

Im Jahr 1917 beschloss der Bundesrat die Anschaffung von 1000 jungen Brieftauben, wie dem damaligen Sitzungsprotokoll der Landesregierung zu entnehmen war. Das Verfügen eines Heimfindevermögens machte die Taube damals nützlich für die Armee. Eine solche angeborene Fähigkeit ermöglicht den Tauben, aus einem ihnen unbekannten Gebiet zurück in ihr Revier zu fliegen.

Die Brieftaube kann bei einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern Strecken von 100 Kilometern und mehr bei hoher Erfolgsquote zurücklegen. In der Fusshülse kann sie 6 und in der Brusthülse 40 Gramm transportieren. Gemäss der Webseite des Schweizerischen Brieftaubenverbands (SBV) taugten die Tauben beispielsweise für den Transport von Originaldokumenten oder Erdproben.

Wie der Vogel mit einem Gewicht von zirka 300 bis 500 Gramm und einer Flügelspannweite von etwa 70 Zentimetern zurückfindet, sei bis heute nicht vollständig geklärt. Bekannt ist, dass Brieftauben die Sonne, Erdmagnetismus, Gehör, Sicht und Geruch als Orientierungshilfe benützen, wie weiter zu lesen war.

Witterung und Raubvögel als Gefahren

Gemäss der Bibliothek am Guisanplatz (Big), der Leitbibliothek der Bundesverwaltung und der Armee, war der Brieftaubendienst der Armee zuerst provisorisch angedacht, bevor er 1920 professioneller wurde. Der Umgang mit den Vögeln wurde in Spezialkursen erlernt.

So sei empfohlen worden, die Tiere nur tagsüber und bei guten Wetterbedingungen zum Meldeflug zu verwenden, weil eintretende Dunkelheit, Nebel und heftige Gewitter Rückflüge der Tauben unsicher machten. Eine weitere Gefahr seien Raubvögel, sagte Hugo Bühler, Vize-Präsident der SBV, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage.

30'000 Brieftauben im Milizsystem

Nebst den Tauben der Armee, die in Sand bei Schönbühl BE stationiert waren, wurden auch in Kooperation mit dem Verband der Brieftaubenzüchter – der später zum SBV unbenannt wurde – Miliz-Brieftauben aufgeboten. Dafür erhielt der Züchter laut dem SBV pro Vogel und Tag 20 Rappen Sold sowie eine pauschale Futterentschädigung für das ganze Jahr.

Im Rahmen der Armeereform 95 wurden die Brieftauben bei der Armee ausgemustert. Wie das damalige Eidgenössische Militärdepartement (EMD) schrieb, haben der Spardruck, die wachsenden Betriebskosten der elektronischen Übermittlung und die schwindende militärische Bedeutung der Brieftauben zum Abschaffungsentscheid geführt.

Betroffen waren 7000 Brieftauben der Armee sowie rund 30'000 Miliz-Brieftauben. Damit ging am 22. September 1994 eine 77-jährige Tradition zu Ende.

Auf den Entscheid reagierte ein Komitee mit der Lancierung einer Initiative, um die Brieftauben in der Armee zu erhalten. Obschon diese nicht zustande kam, wurde die Zukunft der Brieftauben gesichert. Sie blieben in der Station Sand und wurden durch eine Stiftung übernommen. So mussten die 7000 Tiere nicht geschlachtet werden.

Tiere stehen weiterhin im Dienst der Armee

Auch wenn die Armee heute nicht mehr über Brieftauben verfügt, sind mit Hunden und Pferden weiterhin Tiere im Dienst. Durch den Einsatz von Tragpferden ist der sogenannte Train in der Lage, Waren in unwegsamem oder alpinem Gelände sowie bei schlechter Witterung zu transportieren, wie Armeesprecher Mathias Volken auf Anfrage sagte.

Für die Kommunikation stünden heute moderne Übermittlungs- und Führungssysteme im Einsatz. Die Übermittlung geschehe in digitaler Technik und stelle eine hohe technische Verfügbarkeit und grosse Flexibilität der Kommunikationssysteme sicher, so Volken.

SBV-Vize-Präsident Bühler kann sich eine spezifische Situation vorstellen, in welcher Brieftauben noch heute zum Einsatz kommen könnten: «Wenn aufgrund von Störungen und Ausfällen die Elektronik nicht mehr funktioniert, dann könnten Brieftauben als letztes Mittel für die Kommunikation zum Einsatz kommen.» Es müssten aber mindestens zwei Tauben losgelassen werden, um zu gewährleisten, dass die Botschaft auch ankomme.

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