Erwerbslosenquote unter zwei Prozent Noch trotzt der Arbeitsmarkt der Krise

Von Monique Misteli

9.11.2022

Die tiefe Arbeitslosenquote ist für den Fachkräftemangel in der Schweiz mitverantwortlich.
Die tiefe Arbeitslosenquote ist für den Fachkräftemangel in der Schweiz mitverantwortlich.
Keystone

Die Schweizer Arbeitslosenquote ist im Oktober erneut unter zwei Prozent geblieben. Warum das Ergebnis nicht nur erfreulich stimmt, ordnet ein Experte ein.

Von Monique Misteli

1,9 Prozent Arbeitslose zum zweiten Mal in Folge: Nachdem die Arbeitslosenquote bereits im September unter die Zwei-Prozent-Schwelle rutschte, verkündete das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Dienstagmorgen, dass auch Ende Oktober ähnlich viele Menschen bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) als arbeitslos gemeldet waren: 89'636 Personen. Zuletzt gab es eine so tiefe Quote vor über 20 Jahren.

Beschäftigung über fast alle Branchen hinweg gestiegen

In praktisch allen Branchen ist die Beschäftigung gestiegen. Der derart ausgetrocknete Arbeitsmarkt erinnert an eine Wirtschaft in Hochkonjunktur. Die Anzahl Personen in Kurzarbeit ist auf knapp 1'600 zusammengeschmolzen – de facto spielt die Kurzarbeit kaum noch eine Rolle.

Wie kommt es, dass der Schweizer Arbeitsmarkt dem Krieg in der Ukraine, der daraus entstandenen Energieknappheit und der wiederum daraus folgenden Inflation zu trotzen scheint und sich in beinahe tadelloser Form präsentiert?

Nachgelagerter Indikator und weniger abhängig von ausländischem Gas

Das liege einerseits daran, dass die meisten Daten zum Arbeitsmarkt der Konjunktur etwas hinterherhinken, sagt Michael Siegenthaler von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (Kof). Deshalb seien die gegenwärtige Konjunkturabkühlung über die meisten Branchen hinweg bis jetzt kaum spürbar.

Dass der Schweizer Arbeitsmarkt auch im Vergleich zum Ausland gut dasteht, habe auch mit der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur zu tun, fügt Siegenthaler an. Etwa Firmen die weniger stark von Energie abhängig seien, wie die Schwerindustrie.

Zudem seien die Kaufkraftverluste geringer als in der Eurozone (10,7 % Inflation) oder den USA (8,2 % Inflation). Und die Schweiz sei weniger abhängig von ausländischem Gas als die meisten Nachbarländer.

In der Industrie hat die Trendwende eingesetzt

Und trotzdem muss der Arbeitsmarkt-Experte die gute Stimmung am Arbeitsmarkt – zumindest für die Arbeitnehmer*innen – etwas dämpfen. Im Industrie-Sektor würden sich gerade die Vorzeichen ändern: «Der Boom im Industrie dürfte vorbei sein.»

Und Ökonomen rechnen damit, dass sich die Schweizer Wirtschaft weiter abkühlen wird. Zwar dürfte sich eine Rezession verhindern lassen, so die Prognose des Kof. Doch die Wirtschaft dürfte nur noch leicht wachsen und zu Beginn des ersten Halbjahres 2023 sogar etwas sinken. Was sich wiederum in leicht steigenden Arbeitslosenzahlen der ersten beiden Quartale niederschlagen dürfte.