Die neue Brot-Realität 99-Rappen-Brote bringen Schweizer Bäcker an den Rand des Ruins

SDA

20.10.2025 - 16:07

Aldi zieht beim Brot die Schraube an.
Aldi zieht beim Brot die Schraube an.
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Die Brotbranche steht unter massivem Druck. Während Discounter mit Kampfpreisen werben, geraten kleine Bäckereien und selbst Industriekonzerne wie Aryzta ins Straucheln. Der Preiskampf fordert Opfer – und verändert den Schweizer Brotkosmos nachhaltig.

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  • Der Branchenriese Aryzta streicht Dutzende Stellen, auch kleinere Bäckereien schliessen.
  • Discounter treiben mit 99-Rappen-Broten den Preiskampf an und gefährden die Kostendeckung vieler Betriebe.
  • Die Politik lehnt protektionistische Massnahmen ab, während sich der Markt rasant konsolidiert.

In der Brot-Branche tobt gerade ein erbitterter Wettbewerb. 99-Rappen-Brote und Geschäftsschliessungen sind Symptome davon. Unter Druck stehen nicht nur die Quartierbäckereien, sondern selbst auch die industriellen Brotproduzenten.

Der Schweizer Konzern und Hiestand-Nachfolger Aryzta, weltweit führender Anbieter von Tiefkühlbackwaren, streicht Dutzende seiner weltweit 7700 Stellen. «Es handelt sich leider um eine Notwendigkeit in der Branche», sagte Aryzta-Chef Urs Jordi am Montag anlässlich der Publikation von Quartalszahlen. Das Unternehmen mit Sitz in Schlieren leidet unter gestiegenen Kosten und einer weltweit verhaltenen Konsumstimmung.

In der Schweiz sorgen derzeit Schliessungen von Bäckereien für Schlagzeilen. In der Deutschschweiz meldete im September etwa die Traditionsbäckerei Limmatbeck Konkurs an und schloss ihre sechs Filialen. Aber auch die Migros schliesst ihren Frischbrot-Standort Münchenstein Ende Jahr und verlagert Kapazitäten, weil die Nachfrage nach klassischem Frischbrot sank und jene nach ofenfrischer, in den Filialen aufgebackener Ware zunahm.

Weniger Verkaufsstellen

In den vergangenen 20 Jahren kam es hierzulande zu gravierenden Umwälzungen. Die Zahl der Mitglieder des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verbandes (SBC) halbierte sich von knapp 3300 im Jahr 2005 auf 1700 in diesem Jahr.

Die Zahl der Bäckerei-Verkaufstellen von SBC-Mitgliedern ging dabei allerdings nur von rund 2900 auf 2400 zurück. Dies zeugt von einer Konsolidierung und von Übernahmen: Weniger Firmen betreiben mehr Filialen.

International zeigt sich ein ähnliches Muster: Grosse Hersteller bündeln Kapazitäten, schliessen Werke, straffen Netze oder kaufen zu, um Skaleneffekte zu nutzen und Fixkosten zu verteilen.

In Deutschland beantragte die Grossbäckerei Leifert im Oktober 2025 Insolvenz. Betroffen sind Dutzende Supermarkt-Standorte. In Spanien kündigte der Aryzta-Konkurrenz Bimbo im Zuge einer Restrukturierung den Abbau von mehreren Hundert Jobs an.

In Folge entsteht ein Markt mit weniger, dafür grösseren und effizienter organisierten Akteuren. Kleinen Anbietern öffnen sich Chancen wohl nur mit Nischenprodukten, die unter anderem auf Handarbeit oder regionaler Verankerung basieren.

Hohe Kosten für Rohstoffe und Personal, wenig Preisspielraum

Ein aktueller Branchenbericht vom Sommer beschreibt anhaltend hohe Energie- und Rohstoffpreise, steigende Personalkosten infolge Fachkräftemangel sowie begrenzte Preisspielräume als die grossen Herausforderungen. Parallel dazu nimmt der Investitionsdruck für effizientere Öfen, Kühlung und Digitalisierung zu.

Branchenkenner sind sich einig: Überleben wird, wer effizient arbeitet, innovativ ist und qualitativ gute Produkte bringt.

Die Wettbewerbsdynamik verschärfte sich zuletzt zusätzlich durch den Preiskampf um das 500-Gramm-Standardbrot. Der Discounter Aldi bot den «Pfünder» vor wenigen Tagen werbewirksam für 99 Rappen an; Grossverteiler folgten und kündigten Preissenkungen an.

Für viele Dorfbäckereien mit höheren Lohn-, Energie- und Mietkosten ist dieses Preisniveau nicht kostendeckend. Ihre Empörung war entsprechend gross.

Schutz vor Importen

Vor allem die Kleinen erhoffen sich Hilfe von der Politik und möglichen protektionistischen Massnahmen. Eine Motion im Nationalrat verlangt, die zolltariflichen Begünstigungen für Importe von Halbfertig- und Fertigbackwaren aufzuheben, um einheimisches Brotgetreide zu stützen.

Der Bundesrat lehnt das allerdings ab: Eine Anpassung der Präferenzen gegenüber der EU würde Neuverhandlungen des Freihandelsabkommens erfordern und zusätzliche Risiken und Unsicherheiten für die Verarbeitungsindustrie schaffen.

«Wir sind in einer neuen Welt – das verlangt konsequente Massnahmen», sagte Aryzta-Chef Jordi bereits vor zwei Wochen. Die Branche sei in einer Konsolidierungsphase. «Die Stärksten werden überleben.»

Trotz des eingetrübten Konsumklimas sieht Jordi die Bäckereibranche als langfristige Gewinnerin. Brot sei gegenüber anderen Kalorienlieferanten wie Fleisch, Milch oder auch Früchten günstig, effizient und auch ökologisch.