Nach Milliarden-Debakeln Credit Suisse will rasch über neue Strategie entscheiden

SDA

1.7.2021 - 06:40

António Horta-Osório ist seit knapp zwei Monaten Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse. (Archivbild)
António Horta-Osório ist seit knapp zwei Monaten Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse. (Archivbild)
Bild: Keystone/EPA/Andy Rain

Die Credit Suisse will bis zum Ende des Jahres über ihre neue Strategie entscheiden. Das kündigte der neue Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório in einem Interview an, in dem er auch erklärt, warum die jüngsten Skandale der Schweizer Grossbank «nicht akzeptabel» sind.

Keystone-SDA

Die Credit Suisse (CS) steht vor einem fundamentalen Wandel auf allen Ebenen, der Zeit brauchen wird. Das sagt António Horta-Osório in seinem ersten Interview als Verwaltungsratspräsident der von Skandalen geplagten Schweizer Grossbank. Die CS werde bis zum Ende des Jahres über ihre neue Strategie entscheiden, kündigte Horta-Osório in der «Neuen Zürcher Zeitung» (Donnerstagausgabe) an – in seinem ersten Interview in dieser Funktion.

Horta-Osório sieht die Grossbank vor einem grundlegenden Wandel auf allen Ebenen. «Wir befinden uns in der Anfangsphase einer strategischen Neupositionierung der Bank», sagte Horta-Osório. Zum einen müsse langfristig die Richtung bestimmt werden, zum anderen müssten parallel in kürzerer Frist die Probleme der Bank gelöst werden. Die aktuelle Phase der Meinungsbildung werde in einigen Monaten abgeschlossen sein. «Und wir können mit Entscheidungen gegen Ende des Jahres rechnen.»

Laut Insidern erwägt die Grossbank, das Kerngeschäft mit reichen Privatkunden neu aufzustellen. So könnte sie die bisher auf drei Divisionen verteilte Vermögensverwaltung in einer Sparte zusammenfassen, wie drei mit der Situation vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten.



Vorkommnisse bei CS inakzeptabel

Während seiner ganzen Jahre als CEO habe er «einige Höhen und Tiefen» erlebt, die Unternehmen durchmachen – in der Finanzkrise, in der Asienkrise oder in Brasilien von 1996 bis 2000, sagte Horta-Osório im Interview. Diese Schwankungen seien normal, doch die jüngsten zwei Vorkommnisse bei der Credit Suisse gingen darüber hinaus: «Sie sind nicht akzeptabel». Er habe deshalb darauf gepocht, dass das Risikomanagement höchste Priorität bekommt, so der neue CS-Präsident. Die Bank müsse zudem eine «Kultur der persönlichen Verantwortung entwickeln», in welcher die Mitarbeiter genau wissen, was sie zu tun haben – und verantwortlich für ihr Handeln sind.

«Die zwei aktuellen grossen Fälle haben allen in der Bank klargemacht, dass sich etwas verändern muss», sagte er der Zeitung. «Ich muss den Wandel also niemandem aufzwingen.» Er habe das Vertrauen des Verwaltungsrates, der Regulatoren und Aktionäre der Bank. «Alle Stakeholder wollen eine sichere, gut geführte Bank, die zum Wohlergehen der Schweiz beiträgt und auf lange Frist Werte schafft. Ich werde mich konsequent für diesen Wandel einsetzen.»



Synergien möglich

Damit könnten Synergien gehoben und die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen erleichtert werden. Vollzieht die Bank den Umbau, würden grosse Teile der 2015 vom damaligen Konzernchef Tidjane Thiam eingeführten regionalen Organisation wieder rückgängig gemacht.

«Ich hatte eine ziemlich gute Vorstellung von der Bank», sagte Horta-Osório. Viele Treffen mit Mitarbeitern hätten ihm gezeigt, wie stark die Kundenbeziehungen seien – das gelte für Privat- und Firmenkunden sowie institutionelle Kunden.

Auf die Frage, woher er die Zuversicht nehme, dass es diesmal klappen werde, die Bank auf Kurs zu bringen, antwortete Horta-Osório: «Für mich lautet die Frage nicht: Was müssen wir tun, dass es diesmal klappt? Vielmehr lautet sie: Warum geht es mit der Bank nicht vorwärts, obwohl sie auf einen fantastischen Stamm von Wealth-Management-Kunden in der Schweiz, in Europa und in der Wachstumsregion Asien zurückgreifen kann?»



Unternehmen und Familien im Fokus

Eine grosse Stärke der CS sei es, dass sie auf die Bedürfnisse von Unternehmern und Familien ausgerichtet sei, diese als Kunden ins Zentrum ihres Wirkens rücke und ihnen eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung stelle.

Das Management der Bank steht unter Druck, einen Plan zu liefern, um den mehr als fünf Milliarden Franken teuren Kollaps des US-Hedgefonds Archegos zu bewältigen. Hinzu kommt die laufende Liquidation von zusammen mit Greensill betriebenen Lieferkettenfinanzierungsfonds, die zu teuren Rechtsfällen führen könnte.

Schweizer Regulatoren verärgert

Kunden, Aktionäre und die Schweizer Regulatoren sind verärgert über die mangelnde Risiko-Kontrolle bei dem Institut. Der frühere Lloyds-Chef Horta-Osório hat den Spitzenjob bei der CS mitten in dieser schwierigen Gemengelage im Mai übernommen.