Fragen und AntwortenDarum gibt's bei der Postfinance keinen Notfallplan
Monique Misteli
26.4.2023
Die Finma hat dem Notfallplan der Postfinance eine Abfuhr erteilt. Warum sie als einzige systemrelevante Bank die rote Flagge erhält, erfährst du hier.
Monique Misteli
26.04.2023, 19:59
Monique Misteli
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Finanzmarkaufssichtsbehörde Finma hat dem Notfallplan der Postfinance eine Abfuhr erteilt.
Das fünftgrösste Finanzinstitut der Schweiz muss nochmals über die Bücher.
Bis wann sie einen ausreichenden Plan vorlegen muss, ist noch offen.
Die beiden anderen systemrelevanten Banken (Raiffeisen und Zürcher Kantonalbank) haben mit dem Bail-in ein Instrument, das im Ernstfall ausreichend Kapitalreserven gewährleisten sollte.
Das Schicksal der Credit Suisse ist knapp sechs Wochen alt. Nun lässt der neueste Bericht der Finanzmarktaufsicht Finma aufhorchen.
In der am Mittwoch publizierten Mitteilung hat die Aufsichtsbehörde dem Notfallplan zur sogenannten Resolution und Recovery (Auflösung und Wiederherstellung) der Postfinance eine Abfuhr erteilt.
Die Posttochter, die als «Too big to fail» eingestuft wird, hat «keinen plausiblen Plan», um im Ernstfall eine Rekapitalisierung zu gewährleisten, schreibt die Aufsichtsbehörde.
Postfinance-CEO Hansruedi Köng hingegen relativierte den Entscheid der Finma zum Notfallplan bereits in einem am Vorabend publizierten Interview mit «Finanz und Wirtschaft». Er kritisierte darin die Finma-Einschätzung als «ein wenig veraltet», würden sich die Zahlen dabei doch noch auf das Jahr 2021 beziehen. «Heute stehen wir viel besser da – vor allem im Sinn der Notfallabsicherung», gab er sich überzeugt.
Warum die Finma mit Vorjahreszahlen arbeitet und warum sie die Raiffeisen Bank und die Zürcher Kantonalbank (ZKB) besser bewertet hat, erfährst du hier.
Warum hat nur die Postfinance eine Abfuhr erhalten?
Die Postfinance, deren Eigentümerin der Bund ist, hätte eine Strategie gehabt. Nämlich indem der Bundesrat im Falle einer taumelnden Postfinance Kapital zugesichert hätte. Das Parlament wollte davon jedoch nichts wissen und ist auf die entsprechenden Anträge des Bundesrates zum Postorganisationsgesetz sowie den Bundesbeschluss über die Kapitalisierungszusicherung an die Schweizerische Post nicht eingetreten.
Das bedeutet: Hat die Postfinance nicht genügend Geld reserviert, könnte es brenzlig werden. Und dafür erhält sie von der Finma die rote Flagge.
Die beiden anderen inlandorientierten systemrelevanten Banken Raiffeisen und ZKB erhalten hingegen ein besseres Zeugnis.
Die grüne Flagge gibt's für die Raiffeisen, deren Strategie im Notfall die Kapitalanforderungen der Finma erfüllen würde. Dazu hat die Bank über die letzten Jahre Bail-in Bonds herausgegeben. Diese könnten im Ernstfall mittels Bail-in von Fremd- in Eigenkapital umgewandelt werden.
Für die ZKB gibt es vorerst nur die gelbe Flagge. Denn die viertgrösste Bank hat zwar einen Plan, wie sie das Kapital aufbauen will, der Geldtopf ist aber noch nicht ausreichend gefüllt. Mit dem Inkrafttreten des neuen Bankengesetzes am 1. Januar 2023 können nun auch Kantonalbanken Bail-in-Bonds herausgeben, was die ZKB nun auch tut.
Hinweis: Nebst der UBS und der Credit Suisse, den international tätigen systemrelevanten Banken, sind die Postfinance, die Raiffeisen und die Zürcher Kantonalbank ZKB die drei weiteren «Too big to fail»- Finanzinstitute – jedoch nur mit inländischem Fokus.
Der Finanzbegriff beschreibt eine spezielle Form der Bankenrettung. Im Gegensatz zum Bail-out, bei dem eine externe Institution, wie der Staat oder die Nationalbank einspringt, um eine Bank zu retten, sollen beim Bail-in die Gläubiger und Aktionäre der Bank die Verluste tragen und einen Teil der Kosten für die Rettung tragen.
Konkret bedeutet dies, dass im Falle einer Krise bei einer Bank oder einem Finanzinstitut, das unter der Kontrolle einer Aufsichtsbehörde steht, zunächst versucht wird, die Verluste aus den Eigenmitteln der Bank zu decken. Wenn diese nicht ausreichen, können die Gläubiger und Aktionäre zur Kasse gebeten werden und beispielsweise auf einen Teil ihrer Forderungen oder ihrer Einlagen verzichten, um die Bank zu stabilisieren.
Warum bezieht sich die Finma auf Vorjahreszahlen?
Zur Kritik von Postfinance CEO-Köng, dass sich die Finma auf letzjährige Unternehmenszahlen beziehe, will sich die Aufsichtsbehörde auf Anfrage von blue News nicht äussern.
Laut Mediensprecher Tobias Lux hätten die Finanzinstitute jeweils bis Mitte Mai Zeit, ihre Kennzahlen und Strategiepläne vorzulegen. Anhand dieser Angaben würden die Banken bewertet. «Wir wenden bei allen den gleichen Massstab an», sagt Lux. Würde die Finma mit Prognosen arbeiten, wäre das wenig plausibel.
Wie viel Zeit hat die Postfinance, um einen genügenden Notfallplan einzuführen?
Inlandorientierte Banken haben laut dem «Too big to fail»-Regime drei Jahre Zeit, um praktikable Notfallpläne zu erstellen. Und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem sie als systemrelevant eingestuft wurden.
Gemäss der Finma ist diese Frist für die Postfinance 2018, für die Raiffeisen 2017 und für die Zürcher Kantonalbank 2016 abgelaufen. Die Aufsichtsbehörde hat indes Fristverlängerungen gewährt.
Wie viel Zeit der Postfinance bleibt, um aufzuzeigen, wie sie im Notfall genügend Kapitalreserven aufbringt, hat die Finma gemäss Mediensprecher Lux nicht konkret definiert.
«Too big to fail» – was bedeutet das schon wieder?
«Too big to fail» bedeutet, dass ein Finanzinstitut zu gross und zu wichtig für eine Volkswirtschaft und deren Finanzstabilität ist, um fallengelassen zu werden. Die Bank gilt als systemrelevant.
Ob eine Bank systemrelevant ist, beurteilt die Schweizerische Nationalbank SNB an folgenden Kriterien: Wie gross und wie vernetzt ist die Bank mit dem Finanzsystem und der Volkswirtschaft? Und kann sie für eine kurze Zeit substituiert werden?
Systemrelevante Funktionen einer Bank sind das inländische Einlagen- und Kreditgeschäft sowie der Zahlungsverkehr.
Nicht nur Banken können «Too big to fail» sein, auch Versicherungen und bestimmte Finanzmarktstrukturen können in diese Kategorie fallen.