Roche und Novartis Sparpotenzial von 80 Millionen verpufft – nun reagiert die Politik

tafi

5.10.2020

Gegen eine der häufigsten Ursachen für Altersblindheit gibt es ein wirksames und preiswertes Mittel: Die Pharmakonzerne Roche und Novartis haben jedoch kein Interesse an einer Zulassung – und verkaufen lieber ein teures Präparat.
Gegen eine der häufigsten Ursachen für Altersblindheit gibt es ein wirksames und preiswertes Mittel: Die Pharmakonzerne Roche und Novartis haben jedoch kein Interesse an einer Zulassung – und verkaufen lieber ein teures Präparat.
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Es geht ums Geld: Trotz nachweislicher Wirksamkeit wollen Roche und Novartis das Krebsmedikament Avastin nicht als Augenmittel zulassen. Die Schweizer Krankenkassen kommt die Verhinderungstaktik teuer zu stehen.

80 Millionen Franken könnten Schweizer Krankenkassen jedes Jahr einsparen, wenn sich Roche und Novartis nicht dagegen wehren würden, ein preiswertes Krebsmedikament auch als Augenmittel zu verkaufen. Doch die Basler Pharmakonzerne haben kein Interesse daran, ihr Geschäftsmodell mit den Präparaten Avastin und Lucentis zu ändern, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet.

Beide Mittel wurden von Roche entwickelt, Novartis übernimmt in allen Ländern ausser den USA Vertrieb und Vermarktung von Lucentis. Während Lucentis offiziell als Augenmittel zugelassen ist, wurde Avastin zur Krebsbehandlung entwickelt und freigegeben. Doch auch bei der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) ist es wirksam. Die Krankheit gehört zu den häufigsten Ursachen für Altersblindheit.

Das Problem für die Krankenkassen: Avastin ist zwar bedeutend preiswerter als Lucentis, aber eben nicht für die Behandlung von AMD zugelassen. Die Kassen dürfen deswegen die Kosten für die Behandlung nicht erstatten – und müssen stattdessen das teure Lucentis bezahlen.

Für die Kassen geht es um 80 Millionen Franken jährlich

Die Mehrkosten pro Jahr sind beträchtlich: 80 Millionen Franken liessen sich einsparen, würde AMD in der Schweiz in etwa so behandelt, wie in Deutschland. Dort kommt Avastin in mehr als 40 Prozent der Fälle zum Einsatz. Das hat Mathias Früh, Leiter Ökonomie und Politik bei der Krankenkasse Helsana, berechnet.



Roche macht keine Anstalten, die Zulassung von Avastin erweitern zu lassen. Rechtlich steht der Konzern auf der sicheren Seite: Die Arzneimittelbehörde Swissmedic wird bislang nur auf Verlangen der Hersteller tätig. Das soll sich ändern, fordert nicht nur Früh. Auch Politiker unternehmen nach zuletzt gescheiterten Vorstössen neue Anläufe, um Avastin als Mittel gegen Altersblindheit zu fördern.

Politik will reagieren

In einem Vorstoss fordert der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod, dass Swissmedic die Zulassung von Medikamenten eigenständig erweitern kann. Das sei ein vernünftiger Sparvorschlag, findet Mathias Früh, der allerdings noch weiter gehen will. Auch Krankenkassen, medizinische Fachgesellschaften und Patientenorganisationen sollten ein Antragsrecht auf Medikamentenzulassung haben.

Für die Genfer SP-Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle hingegen ist es ein «Skandal», dass die Kassen die Kosten für Avastin in Zusammenhang mit AMD nicht übernehmen dürften. Das soll sich ändern, fordert sie in einer Motion. In anderen Ländern, neben Deutschland etwa auch Frankreich und die USA, wird das Mittel schliesslich verbreitet eingesetzt.

«Bundesrat torpediert Sparvorschläge»

Bislang stehe der Bundesrat den Vorschlägen reserviert gegenüber, heisst es in der «Aargauer Zeitung». Es gäbe zu viele offene Fragen und Schwierigkeiten und man wolle noch einen Bericht zum Thema abwarten. «Die Regierung torpediert vernünftige Sparvorschläge von Parlamentariern», ärgert sich Mathias Früh und prangert an, dass der Landesregierung die finanziellen Interessen von Roche und Novartis wichtiger seien als das Einsparpotenzial im Gesundheitswesen.

Dabei haben Frankreich und Italien gezeigt, dass es auch anders geht. In diesen Ländern haben die Behörden in den letzten Jahren drakonische Strafen wegen missbräuchlicher Praktiken Wettbewerb verhängt. Frankreich verhängte eine Geldbusse von 444 Millionen Euro, Italien verlangt 183 Millionen Euro von Basler und Roche.

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