Grossbritannien «Ein Pint Wein!» – London erlaubt neue Flaschengrössen dank Brexit

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27.12.2023 - 08:03

In britischen Pubs ist das Pint als Ausschankgrösse für Bier oder Cider Standard. Nach dem Brexit werden die 0,568 Liter nun auch für Wein und Sekt in Flaschen und Gläsern im Supermarkt und in Kneipen akzeptiert. (Symbolbild)
In britischen Pubs ist das Pint als Ausschankgrösse für Bier oder Cider Standard. Nach dem Brexit werden die 0,568 Liter nun auch für Wein und Sekt in Flaschen und Gläsern im Supermarkt und in Kneipen akzeptiert. (Symbolbild)
Keystone

In britischen Pubs fassen Biergläser in der Regel ein Pint. Das sind 0,568 Liter. Künftig sollen die Menschen in Grossbritannien auch wieder Wein und Sekt in Pint-Flaschen kaufen können – dank dem Brexit. Das soll das Wachstum der Branche beschleunigen.

Keystone-SDA, tv

Wie das Wirtschaftsministerium in London am Mittwoch ankündigte, sind 0,568-Liter-Flaschen zusätzlich zu 0,2- und 0,5-Liter-Flaschen genehmigt. Das gelte für Kneipen und Restaurants ebenso wie für Supermärkte. Käuferinnen und Käufer erhielten damit mehr Auswahl.

Das Ministerium betonte, Grund für die Änderung seien die «Brexit-Freiheiten». Mit dem Austritt aus der EU ist die Branche nicht mehr an EU-Vorgaben gebunden.

Staatssekretär: Brexit für Momente wie diesen

Im Vereinigten Königreich wurden pintgrosse Sektflaschen bis zum EU-Beitritt 1973 verkauft. Danach wurde die Produktion eingestellt, da sie nicht den EU-Gewichts- und Massvorschriften entsprachen, wie die britische Nachrichtenagentur PA meldete. Nun erhielten die gut 900 britischen Weingüter mehr Freiheiten, betonte das Ministerium.

Zudem dürfen nun 0,2-Liter-Flaschen Wein sowie 0,5-Liter-Flaschen Sekt verkauft werden – was bisher nicht erlaubt war. Eine Pflicht, diese Grössen zu nutzen, gibt es aber nicht. Bisher gibt es bereits Bier, Cider und Milch in Pint-Flaschen und -Behältern.

Wirtschafts-Staatssekretär Kevin Hollinrake sagte, die Ankündigung erlaube Produzenten und Konsumenten mehr Innovation, Freiheit und Auswahl. «Bei unserem Austritt aus der EU drehte sich alles um Momente wie diesen, in denen wir neue Möglichkeiten nutzen und unseren grossartigen britischen Weingütern und dem weiteren Wirtschaftswachstum einen echten Schub verleihen können», sagte Hollinrake. Der Branchenverband Wine GB begrüsste den Schritt.

Kritiker: Ablenkung von «echten» Problemen

Kritiker werfen der konservativen Regierung hingegen vor, sie wolle mit der populistischen Massnahme im Jahr einer wahrscheinlichen Parlamentswahl vor allem traditionelle Wähler zufriedenstellen und von deutlich schwerwiegenderen Problemen wie hohen Lebenskosten ablenken.

Die Tories würden stets über angebliche Brexit-Freiheiten reden, echte positive Änderungen gebe es aber kaum. Marktkenner betonten zudem, es sei unwahrscheinlich, dass französische, italienische oder deutsche Winzer eigens für den britischen Markt andere Flaschengrössen einführten.

Die Weinproduktion ist in Grossbritannien noch immer verschwindend gering im Vergleich zu anderen Ländern, aber in den vergangenen Jahren stark gewachsen. 2022 wurden rund 12,2 Millionen Flaschen Wein und Sekt hergestellt, das war ein Plus von 130 Prozent im Vergleich zu 2017. Die allermeisten Weingüter liegen in England.

Die Branche hofft, dass der Brexit ein schnelleres Wachstum ermöglicht. Im Mai hatte die Regierung Beschränkungen aufgehoben, die die Herstellung neuer Verschnitte verhinderten. Abfüller dürfen zudem nun importierten Wein in Schaumwein umwandeln. Auch Vorschriften für Verpackungen – wie Verschlussfolien für bestimmte Schaumweine – wurden beendet, um günstigere Alternativen zu ermöglichen.

Keine Änderung der Masseinheiten

In einem anderen Punkt, den der ehemalige Premierminister Boris Johnson als Brexit-Freiheit beworben hatte, rudert die Regierung allerdings zurück. Nach «sorgfältiger Prüfung» werde sie keine Gesetze zur Änderung der Masseinheiten einleiten, teilte sie mit.

Den Plänen zufolge sollte es dem Detailhandel möglich sein, das Gewicht seiner Produkte wie früher in imperialen Einheiten wie Pfund und Unzen anzuzeigen anstelle von metrischen Bezeichnungen wie Kilogramm. Brexit-Befürworter hatten das Vorhaben als «Ende der metrischen Martyriums» bejubelt. Doch wie das Wirtschaftsministerium mitteilte, ergaben Befragungen, dass 98,7 Prozent weiter das metrische System nutzen wollen.